Ein Aktionstag auf dem Fernsehturm hat an den ersten Spatenstich vor 65 Jahren erinnert. Interessanterweise gibt es von der Entstehungszeit des Stuttgarter Wahrzeichens kaum Dokumente.

Stuttgart - Interessiert betrachtet Winfried Helmig das Schwarzweiß-Foto, auf dem ein gut gelaunter Herr die Schaufel schwingt. Es handelt sich um den Intendanten des damaligen Süddeutschen Rundfunks, Fritz Eberhard, der den Spatenstich für ein Wahrzeichen Stuttgarts vornimmt: den Fernsehturm. Am Sonntag jährt sich dieses Ereignis zum 65. Mal. Ein Aktionstag würdigt das Jubiläum mit einer historischen Lounge auf der Veranstaltungsebene. Unter dem Motto „Rückblick mit Ausblick“ sind dort in 144 Metern Höhe Dokumente aus der Zeit des Baubeginns zu sehen. Diverse, dekorativ arrangierte Radio- und Fernsehgeräte aus den frühen 50ern unterstreichen das Ambiente.

 

Mit fünf Jahren erstmals auf dem Fernsehturm

„Ich werde heute ebenfalls 65“, verrät Helmig. Anlässlich des gemeinsamen Geburtstages habe er beschlossen, der markanten Betonnadel gemeinsam mit seiner Partnerin einen Besuch abzustatten. „Ich kann mich noch erinnern, wie ich mit etwa fünf Jahren erstmals hier oben war“, blickt der Stuttgarter zurück. „Im weißen Nylonhemd. Das war die übliche Sonntagskleidung.“ Die Bedeutung des weltweit ersten Fernsehturms dieser Art war dem Jungen damals icht bewusst. Wie er in den Himmel wuchs, hat er nicht mitbekommen. Die Lounge liefert rare filmische Einblicke in den Betrieb auf der Baustelle. So sieht man, wie die riesigen Stahlträger, die Verwendung fanden, von Arbeitern mit eigener Muskelkraft transportiert werden. Andere Aufnahmen deuten darauf hin, dass selbst in luftiger Höhe ungesichert operiert wurde.

„Es gibt kaum Dokumente aus der Entstehungszeit“, erklärt Claudia Hamann, die für Kommunikation und Marketing rund um den Fernsehturm zuständig ist. „Ich denke, man hat damals unterschätzt, welche Anziehungskraft er entwickeln würde.“ Seit der Wiedereröffnung im Januar 2016 wurde die Schöpfung des Bauingenieurs Fritz Leonhardt von rund 1,5 Millionen Menschen besucht.

Eröffnung nach nur 20 Monaten Bauzeit

Während die Meinungen über die Stahlbetonarchitektur in Bevölkerung und Gemeinderat 1954 bis hin zur Schmähung als Schandmal reichten, sind sich die Lounge-Gäste am Sonntag einig: Man möchte den Aussichtspunkt auf dem Hohen Bopser nicht mehr missen. Vergnügt machen Jugendliche Selfies mit dem Stadtpanorama im Hintergrund. Familien streben zur Außenplattform im nächsten Stock. Ein älterer Herr schwelgt in Erinnerungen: „Ich weiß noch genau, wie kalt es am Tag der Eröffnung war“, erzählt er dem Aufzugführer. Diese erfolgte schon 1956, nach nur zwanzig Monaten Bauzeit. Geschludert wurde trotz der zügigen Umsetzung keineswegs. Im Gegenteil: Die Abweichung zwischen den Bauplänen und der Ausführung liegt bei lediglich 3,1 Zentimetern, wie Hamann betont. Viel akkurater gehe es nicht. Eine Bautoleranz in diesem Größenbereich sei praktisch unvermeidbar.