Aktivistin aus Weinstadt Eingeladen beim Bundespräsidenten

Judith Scheytt hat schon früh erste Demonstrationen miterlebt – ihre Mutter nahm sie im Kinderwagen mit. Längst geht sie für ihre Überzeugungen selbst auf die Straße. Foto: Gottfried Stoppel

So jung Judith Scheytt ist, so entschlossen ist sie, sich für mehr Klimagerechtigkeit und gegen Diskriminierung einzusetzen. Aufgrund ihres ehrenamtlichen Engagements erhielt die 15-Jährige eine Einladung zu einem Fest von Frank-Walter Steinmeier.

Judith Scheytt hat eine Überzeugung und vertritt sie öffentlich – auch gegen Anfeindungen. Die 15-Jährige aus Weinstadt engagiert sich zum einen für mehr Klimagerechtigkeit und setzt sich zum anderen gegen Queerfeindlichkeit und Rassismus ein. Für die Gymnasiastin sind diese Themen untrennbar miteinander verbunden. Denn die heutige Klimakrise sei, so erklärt Judith Scheytt, der Kolonialzeit mitgeschuldet: „Der globale Norden konnte sich nur auf Kosten des globalen Südens und der Menschen dort so schnell entwickeln.“ Daran habe sich bis heute nicht viel geändert.

 

Immer noch hole man aus diesen Ländern die notwendigen Ressourcen für die wirtschaftliche Entwicklung hierzulande, und immer noch gehe es dabei mehr ums Geld als um die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter. „Deshalb müssen wir dieses System brechen.“ Ein System, das die Menschen der unteren Schichten in den Ländern des globalen Südens benachteilige, meist Frauen und Menschen dunkler Hautfarbe. Zumal diese auch von der Klimakrise am meisten betroffen seien. Wenn etwa ein Taifun auf den Philippinen schwere Verwüstungen anrichte, seien die Menschen dort zu arm, um ihre Häuser wiederaufbauen zu können. In ihrer Not würden sich Frauen dann prostituieren, um Geld für die Familie zu verdienen. Und meist seien es die Mädchen, die nicht mehr zur Schule gehen, wenn es an Geld fehle.

„Die Lehrer sind nicht ausgebildet dafür“

Der jungen Aktivistin von Fridays for Future geht es also um weit mehr als um Klimaschutz. Zwischen Klimagerechtigkeit und Klimaschutz bestehe ein großer Unterschied, sagt sie. Wer sich mit Klimagerechtigkeit befasse, stelle schnell fest, dass Diskriminierungen durch Rassismus und Patriarchalismus eine große Rolle spielten. Deswegen setze sich gegen Diskriminierung in jeder Form ein. So sei die Aufklärung über Queerfeindlichkeit ebenfalls zu ihrem Thema geworden.

„Was die Schule anbelangt, hatte ich da schon Erlebnisse. Das kann krass werden“, berichtet sie, ohne näher darauf eingehen zu wollen. Die Lehrer seien zwar bemüht, wüssten oft aber nicht, wie mit derartigen Konflikte unter Schülern umzugehen sei. „Manche wissen gar nicht, dass es wichtig wäre einzugreifen.“ Einen Vorwurf wolle sie den Pädagogen aber nicht machen. „Die Lehrer sind einfach nicht ausgebildet dafür.“

Judith Scheytt spricht nicht nur via Internet auf ihrem Instagram-Account über die Themen, die sie bewegen, sondern klärt auch an ihrer Schule darüber auf. Jüngst etwa initiierte sie eine Aktion mit der Schulsozialarbeit auf dem Schulhof. Diese stieß nicht nur auf Interesse, sondern löste auch Aggression aus: Mitschüler hätten über der am Stand aufgehängten Regenbogenfahne Flaschen ausgegossen und sie in den Müll geworfen, berichtet Judith Scheytt. Dennoch lautet ihr Fazit: „Das war eine tolle Aktion.“ Unterkriegen lässt sie sich offensichtlich von derartigen Erfahrungen nicht.

Überdies engagiert sich die Zehntklässlerin inzwischen nicht allein bei Fridays for Futur, wo sie seit 2021 zum Stuttgarter Organisationsteam gehört, sondern auch im Klimabündnis Weinstadt und in der evangelischen Kirchengemeinde Beutelsbach. So ist ihr kürzlich eine besondere Ehre zuteilgeworden. Margret Mack, die Koordinatorin im Familienzentrum Weinstadt der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart, kam auf das Klimabündnis zu und lud dazu ein, eine junge Ehrenamtliche für das Sommerfest des Bundespräsidenten vorzuschlagen. „Für uns war sofort klar, dass wir Judith Scheytt vorschlagen“, berichtet Miriam Ehret vom Klimabündnis. Unter dem Motto „Engagement: Ehrensache“ sollte mit dem Fest, zu dem 1500 Gäste aus dem gesamten Bundesgebiet nach Berlin eingeladen waren, vor allem der ehrenamtliche Einsatz junger Menschen gewürdigt werden.

Die ersten Erfahrungen bei Demonstrationen

Doch das Wetter machte den Planungen des Bundespräsidenten einen Strich durch die Rechnung. Wegen eines Unwetters habe das Fest abgebrochen werden müssen, erzählt Judith Scheytt. Doch die Einladung bleibt für das nächste Jahr bestehen, und sie konnte zumindest das einen Tag später stattfindende Bürgerfest im Park von Schloss Bellevue besuchen und eine Diskussionsrunde mit Frank-Walter Steinmeier verfolgen. „Es war interessant, ihn einmal live auf der Bühne zu sehen“, sagt Judith Scheytt. „Er gilt ja als relativ ruhig und bodenständig, und genauso war er da.“

Was motiviert sie zu ihrem ehrenamtlichen Engagement? „Meine Familie ist generell sehr politisch“, antwortet die 15-Jährige. Schon als kleines Kind sei sie bei Demonstrationen dabei gewesen. „Meine Mutter hat mich im Kinderwagen mitgenommen.“ Auf diese Weise habe sie früh erfahren, was eine Demonstration ist. Bei ihren Kameradinnen und Kameraden in der Schule merke sie indes häufig, dass diese überhaupt keine Vorstellung davon hätten. Inzwischen habe sie jedoch einige überzeugen können, auf Demos mitzukommen.

Und was macht sie abgesehen von ihrem vielfältigen Engagement gerne? „Sport mag ich sehr gerne, und ich spiele Geige, Klavier und Ukulele.“ Dabei kommt auch ihre Liebe zur Musik nicht von ungefähr: Ihre Eltern sind Musiker von Beruf. „Meine Mutter spielt Geige im Staatsorchesters Stuttgart und mein Vater Cello in München.

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