Trotz der Einführung von immer mehr Ganztagsschulen gehen den Jugendfarmen die Besucher nicht aus. Bei Kinder, Eltern, Kitas und Schulen sind die Refugien in der Großstadt mit ihren tierischen Bewohnern beliebte Anlaufstelle. Doch nun grummelt es an der Basis.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Wenn samstags die Familien die Etzelfarm verlassen haben, ist noch lange kein Feierabend für die Mitarbeiter der Jugendfarm in Stuttgart-Mitte. Dann greifen sie zu Putzlappen, Eimer, Seife und reinigen Toiletten und Gebäude. Das Budget ist knapp, für eine Putzkraft ist kein Geld da. Dass die Fachkräfte den Putzdienst übernehmen, ist bei den meisten Jugendfarmen und Aktivspielplätzen in Stuttgart so. Und nicht nur das empfinden die ehrenamtlichen Vorstände der Einrichtungen als verbesserungswürdig.

 

Diese sind dabei, ihre Interessensvertretung in die eigene Hand zu nehmen. Elf Einrichtungen von 22 haben sich miteinander vernetzt, um für die eigene Sache zu trommeln, darunter die Aktivspielplätze im Westen, in Raitelsberg und in Vaihingen, der Stadtteilbauernhof Bad Cannstatt und die Jugendfarm in Stammheim. Denn: Seit vielen Jahren seien die Zuschüsse der Stadt nicht erhöht und den gestiegenen Anforderungen angepasst worden, klagt stellvertretend Andreas Pohl, der Vorsitzende vom Aktivspielplatz Raitelsberg. Eines sei doch klar, heißt es bei den Farmen: Ihr Angebot sei für die Familien, Kitas und Schulen immens wichtig. Wo sonst können die Großstadtkinder auf Bäumen klettern, Tiere versorgen, Feuer machen, Hütten bauen?

Ponys, Ziegen, Schweine – tiergestützte Pädagogik bieten viele der Einrichtungen an

Was die Vernetzung erschwert: Die Problemlagen der 22 Einrichtungen sind unterschiedlich. Viele, aber nicht alle Plätze, halten Tiere – Ponys, Ziegen, Schweine –, um tiergestützte Pädagogik anbieten zu können. Wer Tiere hat, hat zusätzliche Kosten. Es gibt Abenteuerspielplätze, bei denen die Stadt den Grünschnitt übernimmt, und Einrichtungen, bei denen das aus Eigenmitteln gestemmt werden muss – bei vergleichbarem Budget. Was nicht heiße, dass sich für die anderen die Situation verschlechtern sollte, wie Pohl betont.

Schon die notwendigsten Baumschnittarbeiten würden 5000 bis 6000 Euro kosten, berichtet der ehrenamtliche Vorsitzende der Etzelfarm, Jürgen Pollak. Der Jahreszuschuss durch die Stadt, in ihrem Fall von 44 608 Euro, reiche vorne und hinten nicht aus. Sie erwirtschafteten noch eigene Mittel, zum Beispiel über die Ferienbetreuung.

Die meisten Jugendfarmen seien um die 40 Jahre alt, die Gebäude in entsprechendem Zustand. Falle etwas an, müssten sie 50 Prozent aus Eigenmitteln decken, sagt Pollak. Der Aki Raitelsberg bräuchte eigentlich einen Zaun, das Dach der Etzelfarm müsste neu gemacht werden. Nur wie sollen sie das bloß finanzieren, fragen sich jeweils die Vorstände. Vor zwei Jahren hätten sie im Fall der Etzelfarm schließlich schon 12 500 Euro an Eigenmitteln für das Fliesen eines Teils des Außenbereichs ausgeben müssen, sagt Pollak.

Die Plätze sind gut besucht

Durch die Einführung von immer mehr Ganztagsgrundschulen kämen nicht etwa weniger Kinder zu ihnen, berichten die Farm- und Spielplatzvertreter. Die Kooperationen mit Schulen und Kitas hätten zugenommen. Auch Mütter mit Kleinkindern hätten die Jugendfarm für sich entdeckt. „Wir hatten im Sommer einmal 130 Besucher zeitgleich auf dem Gelände“, sagt der Etzelfarm-Mitarbeiter Martin Schmauder.

Die Personallage sei eines der Hauptprobleme, berichtet Jürgen Pollak vom letzten Vernetzungstreffen der Jugendfarmen und Aktivspielplätze. Zwei volle Stellen seien einfach zu wenig, meint er, es müssten mindestens drei sein, auch um Krankheit ausgleichen zu können. Der Abenteuerspielplatz West hat erst kürzlich im Bezirksbeirat Alarm geschlagen und auf die Unterbesetzung aufmerksam gemacht: „Wenn sich nichts ändert, dann wird es sehr schwierig, das aufrecht zu erhalten, was wir machen“, hatte Katrin Schneider vom Trägerverein geklagt. Der Aki Raitelsberg musste seit dem 1. Oktober sogar um einen Öffnungstag reduzieren, was nicht nur bei den Kooperationspartnern Bestürzung ausgelöst hatte.

Andreas Pohl weist darauf hin, dass die Aktivspielplätze und Jugendfarmen gerade für Kinder und Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen eine wichtige Rolle spielen. Zu ihnen kämen viele verhaltensauffällige Kinder, unter anderem zum heiltherapeutischen Reiten. Es gehe auch um Wertschätzung, was auf den Plätzen geleistet werde, sagt Pohl.

Es gehe auch um Wertschätzung

Beim Jugendamt werden die Einrichtungen durchaus wertgeschätzt: „Die Jugendfarmen und Aktivspielplätze sind absolut bedeutsamer Bestandteil der Jugendhilfe“, betont die Leiterin Susanne Heynen. Detaillierte Äußerungen zu deren Personalsituation, wie sie auch die Grünen jüngst in einem Antrag gefordert haben, liefert sie (noch) nicht. Man sei mitten im Planungsprozess, erklärt sie und bittet um Geduld. Heynen hat alle 22 Einrichtungen an diesem Wochenende zu einem Workshop geladen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten. Das Jugendamt wird ein Gesamtkonzept erarbeiten. Im Juni 2019 soll es vorliegen, rechtzeitig vor den Haushaltsplanberatungen. „Die Probleme sind sehr heterogen“, sagt Heynen. Darauf will das Jugendamt passende Antworten finden.