AKW Neckarwestheim Boykott der Atomkraftgegener

Kernkraftgegner lehnen die Erörterung zum Rückbau des Atomkraftwerks Neckarwestheim I als Alibiveranstaltung ab. Sie demonstrierten am Dienstag vor der Reblandhalle.
Neckarwestheim - Vorsorglich hatte das Umweltministerium die Reblandhalle in Neckarwestheim für drei Tage angemietet. Schließlich hatten 2500 Personen Einwendungen und Fragen für die mündliche Erörterung zum atomrechtlichen Genehmigungsverfahren für den Abbau des seit 2011 stillgelegten Kernkraftwerks Neckarwestheim I eingereicht. Tatsächlich werden es wohl nur eineinhalb Tage werden.
Also doch bloß eine Alibi- und Showveranstaltung, wie die AG Atomerbe Neckarwestheim, ein Zusammenschluss von Kernkraftgegnern, vor Beginn der Erörterung kritisiert hatte und damit ihren Boykott begründet hatte? Franz Wagner vom Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn sprach gar vom „Betrug am Bürger“. Die grün-rote Landesregierung, die sich Bürgerbeteiligung auf die Fahnen schreibe, lasse es zu, dass für den gut 20 Jahre dauernden Rückbau des Atommeilers einzig zu Beginn diese eine öffentliche Erörterung stattfinde. Weitere Teilgenehmigungen, etwa der Abriss der hoch radioaktiven Bereiche solle ohne öffentliche Auslegung von aktuellen Unterlagen und ohne weitere Bürgerbeteiligung „im stillen Kämmerlein“ erfolgen, erläuterte Herbert Würth vom Aktionsbündnis Castor-Widerstand Neckarwestheim. Ohne ein radiologisches Gesamtkataster der Atomanlage sowie einer Bestandsaufnahme des gesamten radioaktiven Inventars dürfe der Rückbau nicht beginnen. Das sogenannte Freimessen von Schuttmaterial und ähnlichem lehnt die AG Atomerbe ab. Das Material dürfe nicht für Straßen- oder Sportplatzbau genutzt werden. „Atommüll ist nicht rückholbar“, betonte Wagner. Die Gegner informierten den ganzen Vormittag vor der Halle über weitere Verfahrensmängel.
Umweltminister will keine politische Schauveranstaltung
Auf den Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) warteten sie vergebens. Der Minister hatte es mit Verweis auf die anstehende „sachliche Erörterung“ vorgezogen, der Veranstaltung fernzubleiben. Er wollte durch sein Erscheinen keine „politische Schauveranstaltung“ befeuern, teilte ein Ministeriumssprecher mit.
Drinnen in der nur spärlich besetzten Reblandhalle nutzten nur sechs engagierte Streiter die Gelegenheit, ihre zuvor schriftlich eingereichten Bedenken mündlich vorzutragen. „Eine unwürdige Situation“, kommentierte Gertrud Patan von der Initiative Atomerbe Obrigheim. Sie käme sich am Saalmikrofon vor wie ein „Schulmädchen beim Gedicht aufsagen“ gegenüber den oben auf der Bühne thronenden zehn Vertretern der Atomaufsicht aus dem Umweltministerium und des AKW-Betreibers, der EnBW-Kernkraft GmbH (EnKK). Das immerhin konnte geändert werden, die Einwender konnten dank eines Handmikrofons sitzen bleiben. Nichts zu machen hingegen war bezüglich vehement eingeforderter Schaubilder, etwa bezüglich der geplanten Lüftungsanlage der „Abrissfabrik“. Man habe sich bewusst gegen Pläne entschieden, erläuterte der Verhandlungsführer Gerrit Niehaus, Abteilungsleiter Kernenergieüberwachung und Strahlenschutz im Umweltministerium. Dies sei schließlich eine „mündliche Erörterung“.
EnBW-Vertreter lesen Statements ab
Manfred Möller, der EnKK-Bereichsleiter „Genehmigung und Aufsicht“ betonte, die eingereichten Unterlagen ermöglichten eine Beurteilung aller Verfahrensschritte, von der Stilllegung über den Abbau einschließlich möglicher Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Umwelt. „Der direkte Rückbau ist ein verantwortungsvoller Umgang mit Kerntechnik“, betonte Möller. Nachfragen wichen Möller und seine Kollegen stets aus. Mehr als die vorbereiteten Antworten waren von ihnen fast nie zu hören. So musste denn mehrfach der Verhandlungsführer Niehaus der EnKK beispringen, 2,5 Milliarden Euro habe das Unternehmen etwa als sogenannte Deckungsvorsorge im Schadensfall bereit gestellt. Möller hingegen hatte lediglich auf die gesetzliche Vorgabe hingewiesen.
Der BUND-Landesverband hingegen hält die von der EnKK geplanten Maßnahmen für Stilllegung und Abbau für nicht konkret, der vorgelegte Genehmigungsantrag sei „unbestimmt“. Mit der Erörterung könne man der EnBW zeigen, dass „eine kritische Öffentlichkeit“ aufmerksam sei und auf ein „besseres Verfahren“ dringe.
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