Die facettenreiche Landschaft Albaniens und die Gastfreundschaft der Menschen lernt man am besten auf einer Radreise kennen.

Albanien - Ankunft in Tirana. Die Fahrt durch die Innenstadt erinnert ein wenig an asiatische Verkehrsverhältnisse. Regeln scheint es nicht zu geben, oder sie werden von jedem anders interpretiert. „Viele müssen das Fahren erst noch lernen“, sagt der Fahrer fast entschuldigend. „Bis zum Zusammenbruch des sozialistischen Regimes unter dem stalinistischen Diktator Enver Hoxha Anfang der 1990er Jahre war Privatleuten der Besitz von Autos verboten“, ergänzt er. Das Land hat sich inzwischen geöffnet und eine touristische Infrastruktur entwickelt, doch auch an der Schwelle zur Moderne sind die Verkehrsmittel von damals allgegenwärtig. Esel- und Pferdekarren prägen das Straßenbild - zusammen mit Mercedes-Modellen vorwiegend älterer, hierzulande längst ausrangierter Baujahre.

 

Die Fahrt zum Ohrid-See, Ausgangspunkt der einwöchigen Radtour, wird zur Reise in die Vergangenheit. Bezaubernde Landschaften wechseln sich ab mit zerfallenen Industriebrachen und Kleinstädten im Plattenbau-Stil, dazwischen immer wieder Schaf- und Ziegenherden. Es ist wenig los in den Hotelanlagen am Rande der Stadt Pogradec. Ein kalter Wind peitscht an diesem Frühlingsabend die Wellen über die Terrasse des Hotelrestaurants. Auf der anderen Seite des Ohrid-Sees liegt Mazedonien. Der See mit seinem einzigartigen Ökosystem, seit 1979 Unesco-Welterbe, wird durch das glasklare Wasser zahlreicher Quellbäche gespeist. Die Forellen werden von den Einheimischen gerühmt, vergleichbar mit Felchen aus dem Bodensee.

Alles Bioware von vielen kleinen Familienbetrieben

Überhaupt wird die landestypische Kost von den Skipetaren, wie sich die Albaner selbst nennen, hoch gelobt. „Alles Bioware von vielen kleinen landwirtschaftlichen Familienbetrieben“, schwärmt Junid. Er ist professioneller Tourbegleiter, spricht sehr gut Deutsch und kümmert sich mit seinem Bruder Armand rührend um die Organisation vor Ort. Nach einem deftigen Frühstück mit Bauernomelette, Schafskäse und selbst gemachter Kirschmarmelade montiert er die mitgebrachten, eigenen Klick-Pedale an den Mountainbikes. Dann noch einige Tipps für unterwegs: „Nicht erschrecken, wenn die Autofahrer hupen, das ist hier als freundliche Begrüßung gemeint.“

Wie wahr - es wird viel gegrüßt . . . Mit einem exakten Tourplan in der Tasche geht es erst leicht und dann immer steiler bergan. Die versprochene Wasserstelle kommt zur rechten Zeit, um vor Erreichen des fruchtbaren Hochplateaus die Trinkflaschen aufzufüllen. Über wenig befahrene Nebenstraßen führt die Route an Obstplantagen und Getreidefeldern vorbei durch kleine Orte. Die Zeit scheint hier stehengeblieben zu sein. Ältere Männer sitzen in Straßencafés, trinken türkischen Kaffee und spielen Domino. Schulkinder bestaunen die 27-Gang-Räder mit Scheibenbremsen und begrüßen die fremden Radfahrer mit einem freudigen „Ciklisti, Ciklisti“, um gleich die ersten erlernten Englischkenntnisse anzuwenden: „What is your name?“

Welcher Gegensatz dazu das Etappenziel Korce. Die 52 000-Einwohner-Stadt putzt sich heraus. Vor der mächtigen, christlich-orthodoxen Auferstehungskathedrale tummeln sich Passanten in einer Fußgängerzone westeuropäischen Zuschnitts und in den modernen Ladengeschäften. Tag drei, eine von zwei anspruchsvollen Etappe n steht an. Über insgesamt 70 Kilometer und 1200 Höhenmeter geht es zunächst von Korce 20 Kilometer stetig bergan in eine karge, mit Wildpflanzen bewachsene Landschaft. Der Blick schweift auf unzählige Pässe und Täler. Mittags beginnt es zu regnen, und der Untergrund fordert seinen Tribut. Mehrere Plattfüße führen zu Zwangsstopps. Eine Kiesgrube am Wegesrand kommt gerade recht. Freundliche Bauarbeiter bieten Unterschlupf in ihrer Hütte. Perfekt in die Mittelgebirgslandschaft eingebettet ist die heutige Unterkunft, die Farm Sotira im kleinen Bergdorf Germenje. Natur pur weitab jeglicher Zivilisation. Zum Abendessen wird deftige, selbst erzeugte Hausmannskost serviert .

Den Nachtisch gibts gratis oben drauf

Als Gute-Nacht-Trunk gibt’s selbst gebrannten Raki, bevor sich die müden Radler in einer der drei einfachen, aber heimeligen Blockhütten zur Ruhe legen. Ein leichter Anstieg führt tags darauf auf ein grasbedecktes Hochplateau, das von über 2000 Meter hohen Berggipfeln umgeben ist. Eine Genießertour mit spektakulären Schluchten und kilometerlangen, rasanten Abfahrten. Der Reifendruck hält. Die Federgabel, in Anstiegen kraftraubend und deshalb deaktiviert, leistet auf dem geschotterten, mit Schlaglöchern übersäten Untergrund gute Dienste. Ziel ist Petran, auch bei Kajakfahrern ein beliebter Ort. Im Restaurant Coli werden große Portionen gegrilltes Ziegenfleisch und Hirtensalat serviert, eine Süßspeise zum Nachtisch gibt’s wie fast immer in Albanien als Gruß aus der Küche gratis obendrauf. Wer mag, kann sich nach dem opulenten Mahl in den nahe gelegenen, naturbelassenen Thermalquellen von Bentje unterhalb der bekannten, bogenförmigen Natursteinbrücke entspannen. Übernachtungsort ist die malerisch an einem Felsen gelegene Stadt Gjirokaster.

Schmale Kopfsteinpflasterstraßen, gesäumt von gemütlichen Straßencafés, führen zum Geburtshaus Hoxhas und der hoch über der Stadt thronenden Festung. Tag fünf, die Organisatoren meinen es gut mit ihrer Truppe. Der Muzina-Pass wird mit dem Auto bewältigt. Start ist auf dem Gipfel. Nach wenigen Kilometern flotter Fahrt bergab lohnt ein kurzer Abstecher zum „Blauen Auge“ - ein kleiner See mit einer türkisfarbenen, glasklaren, wasserreichen Karstquelle mitten im Wald, die bei Einheimischen als Ausflugsziel sehr beliebt ist. Durchs Drinotal führt die Tour weiter zur antiken, Unesco-geschützten Stadt Butrint. An der Meerenge von Korfu an einer malerischen Lagune gelegen, zählt sie mit ihrem Löwentor, Theater, Forum und einem Aquädukt zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Albaniens. Von hier aus sind es noch wenige Kilometer zum Übernachtungsort Sarande.

Die kleine, schnell wachsende Hafenstadt ist vor allem im Juli und August beliebtes Ziel von Badeurlaubern. Die beiden letzten Etappen entlang der Küsten von Ionischem Meer und Adria sind wieder anspruchsvoll. In einer Berg- und Talfahrt gehen Pässe in Buchten über - rechts die atemberaubende Bergkulisse, auf der linken Seite das abwechselnd türkis und tief blau schimmernde Meer mit einsamen Stränden. Die Radreise durch das Land der Skipetaren führt zum Schluss in die von Unesco und Regierung als Kulturerbe geschützte Museumsstadt Berat. Fein säuberlich, als hätte sie ein Modellbauer genau so platziert, reiht sich im alten Teil der Stadt ein kleines, weiß getünchtes Häuschen an das andere. Für die Radurlauber endet in der Stadt der tausend Fenster die Zeit-Reise. Für die Menschen in dem aufstrebenden Land hat sie erst begonnen. Wo die Reise nicht mehr hingehen soll, ist in Berat in Fels gemeißelt. In übergroßen Lettern prangte hier einst der Name des Diktators Enver Hoxha. Inzwischen sind die Buchstaben neu sortiert: „Never Hoxha!“

So wird das Reisewetter in Europa

Infos zu Albanien

Hotel & Rad in Albanien
Der Konstanzer Radurlaub-Spezialist Zeit-Reisen bietet die einwöchige Radtour von Mai bis Oktober als Individual- und Gruppenreise (geführt und ungeführt) an. Preis pro Teilnehmer je nach Gruppengröße zwischen 690 und 990 Euro. Im Preis enthalten: 7 Übernachtungen mit Frühstück (bei geführten Touren Vollpension) in 3-4-Sterne-Hotels (Landeskategorie), Leihgebühr für Mountainbike, Gepäcktransport, alle Transfers, ausführliches Informationsmaterial. Nicht enthalten ist die Anreise. Auf Wunsch kann eine Zusatznacht in Tirana mitgebucht werden.

Infos: www.inselhuepfen.de

Flüge
Ab ca. 300 Euro pro Person z. B. mit Austrian Airlines ( www.austrian.com ) und Lufthansa ( www.lufthansa.com ) für die Strecke Stuttgart-Wien-Tirana. Nonstop-Flüge München-Tirana mit Lufthansa ab ca. 320 Euro. Streckenprofil Mittelschwere bis schwere Tagestouren zwischen 50 und 70 Kilometern mit 400 bis zu 1200 Höhenmetern auf wenig befahrenen, meist asphaltierten Straßen. Einige anspruchsvolle Steigungen.

Die Teilnehmer sollten also eine gewisse Grundkondition mitbringen. Wenn die Kräfte schwinden, kann bei den geführten Touren ins Begleitfahrzeug gestiegen werden. E-Bike-Touren sind in Vorbereitung.

Währung
Problemloser Umtausch von Euro in die Landeswährung Lek ist in Banken und in Wechselstuben möglich. Ein Euro entspricht ca. 140 Lek. Preise In Albanien lässt sich noch preiswert Urlaub machen. Im Restaurant zahlt man für Getränke (Bier, Cola) etwa einen Euro, ein Hauptgang kostet vier bis fünf Euro.

Sicherheit
Vorurteile gibt es viele. Tatsache ist: In Albanien war und ist kein Krieg. Auch hat sich spätestens nach dem zweiten Reisetag der Gepäcktransport nicht von selbst erledigt, wie manche Spötter vorab unkten. Das kleinste Land des Balkans ist eines der sichersten Reiseländer Europas. Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft sind beeindruckend, Aufdringlichkeiten gegenüber Touristen gibt es nicht.

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