Seit Monaten sitzen Mieter eines Hochhauses in Albstadt im Kalten, weil ihr Vermieter ihnen die Heizung abgedreht hat. Solange ihre Mietschulden nicht beglichen seien, wolle er den Heiztank nicht mit Öl befüllen.

Seit Monaten sitzen Mieter eines Hochhauses in Albstadt im Kalten, weil ihr Vermieter ihnen die Heizung abgedreht hat. Solange ihre Mietschulden nicht beglichen seien, wolle er den Heiztank nicht mit Öl befüllen.

 

Albstadt - Ilse Baluda friert. In ihrem Wohnzimmer ist es so kalt wie in einem Kühlschrank. Verfroren sitzt die Rentnerin auf ihrem Sessel und streckt die Hände einem vergilbten Heizkörper entgegen. Doch das alte Elektrogerät schafft es nicht, ihre Stube auf Zimmertemperatur zu bringen. Kalte Luft strömt durch die Fensterritze hinein, durch die Türspalten pfeift der Wind. Die 72-Jährige blickt aus dem Fenster auf die schneebedeckten Hügel der schwäbischen Alb. Draußen steht das Thermometer bei fünf Grad, drinnen fühlt es sich nicht wärmer an.

Seit Oktober sitzen die Mieter eines Hochhauses in Albstadt (Zollernalbkreis) nun schon im Kalten - Baluda wohnt dort im dritten Stock. In einem Schreiben an alle Bewohner hieß es von der Hausverwaltung zunächst, dass wegen Mietrückständen das Geld fehle, um die defekte Zentralheizung reparieren zu lassen. Inzwischen sei die Anlage zwar repariert, doch fehle jetzt das Geld, um neues Heizöl zu kaufen.

97.000 Euro stehen aus

Auf 97.000 Euro sei der Schuldenberg durch die Rückstände mittlerweile angestiegen, sagt Hausverwalter Stefan Buck. Eigentlich seien im Monat 15.000 Euro Miete fällig. Im Januar seien aber gerade mal 2300 Euro Miete auf dem Konto der Hausverwaltung eingegangen. So stehe die Firma kurz vor der Insolvenz, dem Gebäude aus den 1960er Jahren drohe der Abriss.

Nach mehreren Monaten des Frierens haben die Mieter sich Anfang Januar schließlich vor Gericht gegen ihren Vermieter durchgesetzt. Die ersten von mehr als zehn Klagen seien entschieden - der Vermieter müsse die Heizung wieder in Gang setzen, wies das Amtsgericht Albstadt an. Daraufhin setzte Buck die Anlage wieder in Gang.

Doch die Freude der Mieter währte nur eine Woche - solange reichte nämlich das Heizöl, das im Tank verblieben war. „Wir werden den Tank nicht wieder befüllen, bevor die Mietrückstände nicht beglichen sind“, sagt Hauverwalter Buck entschieden. Deshalb sitzen die Bewohner jetzt wieder im Kalten.

Not macht erfinderisch

Die Not macht sie erfinderisch. Baluda hat sich drei Paar Socken übergestülpt, trägt zwei Hosen und einen dicken Wollpullover. Mit doppeltem Klebeband hat sie Stoffrollen an Türen und Fenstern befestigt, um die Kälte aus dem Haus zu halten. „Ich kann es mir wegen meiner kleinen Rente einfach nicht leisten, jeden Tag mit Strom zu heizen“ sagt sie, schnäuzt in ein Taschentuch und hustet.

Die Hausverwaltung beteuert, dass jenen Mietern, die ihren Zahlungen fristgerecht nachkommen, keine finanziellen Schäden entstehen werden: „Diesen Mietern stellen wir einen Heizungslüfter zur Verfügung. Sie sollen notieren, wie viele Stunden sie damit geheizt haben. Die Kosten werden wir ihnen erstatten“, sagt Buck.

Doch für die „Mietschmarotzer, die da drin sitzen wie Parasiten“ gelte dieses Angebot nicht. „Eine schwierige Klientel“ sei das, meint Buck. Langzeitarbeitslose, Drogen- und Alkoholkranke und nur wenige Arbeiter lebten in den Wohnungen.

"Alle im Haus müssen für die Mietpreller büßen"

„Jetzt müssen alle im Haus für die Mietpreller büßen“, sagt Jürgen Weingärtner aus dem dritten Stock. „Ich bin kein Mietnomade und habe immer meine volle Warmmiete gezahlt„, sagt der 42-Jährige. „Diese Beschuldigung macht mich psychisch krank.“ Er und 14 andere Mieter haben sich nun einen Anwalt genommen. Bis die Heizung wieder läuft zahlen sie die Miete auf ein Treuhandkonto - und nicht mehr an den Vermieter.

„Ich schlafe direkt am Fenster. Da kommt nachts eisige Luft rein“, erzählt Weingärtner. Weil er mit einer elektrischen Heizdecke und einem Elektroheizer für Wärme sorgen muss, rechne er mit 350 Euro Mehrkosten für Strom - das ist mehr als die eigentliche Monatsmiete. Dass der Verwalter für die Stromkosten aufkomme, weiß er. „Aber bis jetzt ist nichts passiert. Ich bleibe auf den Kosten sitzen.“

„Der Vermieter hat kein Recht, bei Mietrückständen die Heizung abzuschalten oder den Betrieb unmöglich zu machen, indem er kein Heizöl kauft“, sagt Udo Casper, Geschäftsführer vom Deutschen Mieterbund Baden-Württemberg. „Wir leben in einem Rechtsstaat, der Selbstjustiz ausschließt.“ Zudem sei das Argument, dass das Heizöl aus den Mieteinnahmen bezahlt werde „wenig überzeugend“. Umgekehrt habe der Mieter natürlich aber auch die Pflicht, seine Miete pünktlich zu bezahlen.