Alchemisten gelten heute als Scharlatane, aber das wird ihnen nicht gerecht. Selbst berühmte Gelehrte wie Isaac Newton interessierten sich dafür, Gold im Labor herzustellen. Eine Ausstellung gibt nun einen Einblick in die Labors der Alchemisten.

Düsseldorf - Eine Handschrift aus dem 17. Jahrhundert irritiert. Sie zeigt, dass Sir Isaac Newton nicht nur Mathematik betrieb und die Gesetze der klassischen Physik formulierte. Er beschäftigte sich auch mit Alchemie, suchte den Stein der Weisen und interessierte sich für Transmutation, die Verwandlung gewöhnlicher Metalle zu Gold. Seine Archivare taten sich mit diesem Teil seines Lebens schwer. Es passte zwar in die damalige Zeit, verträgt sich aber nur schlecht mit vernunftgetriebener Wissenschaft. 1936 verkaufte die Royal Society deshalb zahlreiche Notizbücher Newtons mit alchemistischen Rezepten als Schriften „ohne wissenschaftliches Interesse“. Ein Blatt dieser Aufzeichnungen ist jetzt erstmals in Europa zu sehen.

 

In den Haaren von Newtons Leiche wurden große Mengen Quecksilber gefunden. Viele Alchemisten verwendeten das flüssige Metall als Bestandteil eines besonderen Elixiers, mit dem sie Gold herstellen wollten. „Diese Flüssigkeit frisst oder tötet gar andere Metalle“, so beschrieben sie ihre Beobachtungen. Heute würde man sagen, dass Quecksilber leicht Legierungen bildet und diese Amalgame als Mischverbindung zweier Metalle eine andere Natur als die Ausgangssubstanzen besitzen – zweifelsfrei eine Verwandlung.

Newton dürfte die Belastung seines Körpers mit dem Schwermetall gespürt haben, auch wenn er die Symptome wohl nicht deuten konnte. Er erlitt mehrere heftige Nervenzusammenbrüche in den letzten 30 Jahren seines Lebens – eines der typischen Merkmale einer akuten Quecksilbervergiftung. Ein Schicksal, das viele Alchemisten teilten. Die Gemälde zeitgenössischer Künstler zeigen die beherzten Männer ohne jeglichen Schutz an ihren Feuerkesseln, über denen häufig giftige Dämpfe wabern.

Mancher Alchemist scheiterte auch finanziell

Selbst erfolgreiche Alchemisten konnten ihren Ruhm am Lebensende kaum genießen. Von Johann Friedrich Böttger, der an der Entdeckung des Porzellans in Europa maßgeblich beteiligt war, wird berichtet, dass er einen ständigen Durst gehabt habe, über massive Kreislaufprobleme klagte und zudem kaum noch sehen konnte. Er hatte auf der Suche nach der richtigen Rezeptur Tausende Arten von Gestein geschmolzen oder mit chemischen Mitteln bearbeitet und dabei einiges an Gift geschluckt. Aus dieser Perspektive grenzt es an ein Wunder, dass der Mönch Berthold Schwarz die Entdeckung des nach ihm benannten Pulvers überlebte und vom Sprengstoff nicht getötet wurde.

Manche Künstler zeigen gleich eine andere Form des Niedergangs des Alchemisten und seiner Familie – den finanziellen Ruin. Pieter Bruegel der Ältere hat diesen Blick wie in einer Karikatur geschärft: Sein Alchemist ist umgeben von der verzweifelten Frau und den verwahrlosten Kindern. Er wirft seine letzte Münze in den Schmelztiegel. Man ahnt, dass der Törichte auch diesmal scheitern wird und das Geldstück sich nicht zu Gold verwandelt. Und man ahnt auch, dass es viele Schicksale dieser Art gegeben haben wird. Das Bild ist Teil einer Ausstellung in Düsseldorf, das die Alchemie in der Kunst zeigt.

Die Alchemisten hatten eine Art Geheimschrift für ihre Rezepturen entwickelt, die auch in der Ausstellung in ihren Varianten zu sehen ist. Sie trug einen christlich-spirituellen Charakter, aber stiftete vor allem Verwirrung, weil verschiedene Stoffe denselben Namen bekamen oder Decknamen die übliche Bezeichnung für eine Substanz ersetzten. Die Alchemisten hüteten ihren Erfahrungsschatz. Nur die Weisen sollten diese Texte verstehen.

In den Labors entstanden Arzneimittel und Ölfarben

Das Studium der Literatur war für die Alchemisten ebenso wichtig wie die praktische Arbeit im eigenen Labor – unabhängig davon, ob sie denn Erkenntnis oder nur Reichtum suchten. Viele Künstler im 16. und 17. Jahrhundert hoben diese Männer als Naturforscher in den Rang von Gelehrten, auch wenn Alchemisten nie an Universitäten unterrichten durften. Sie malten sie umgeben von Büchern, Gefäßen und Tinkturen, Kröten und Krokodilen sowie allerlei seltsamen – meist unbeschädigten – Apparaturen zur Destillation und Schmelztiegeln. In Düsseldorf kann der Besucher sogar in eine barocke Wunderkammer eintreten, eine Sammlung von ungewöhnlichen Funden aus der Natur. Die Künstler malten gut gekleidete Männer, deren Gesichter eine gewisse Zufriedenheit ausstrahlen, Symbole für Fleiß, Neugier und Geschick. Ihre Laboratorien wurden von reichen Geschäftsleuten oder Apothekern ausgestattet, die Medici und August der Starke betrieben Werkstätten für Alchemisten.

In der Tat wäre es ungerecht, die Alchemisten des Mittelalters als gescheiterte Goldmacher und Scharlatane zu verhöhnen, nur weil sie Mitte der 18. Jahrhunderts schlagartig an Bedeutung verloren, weil die Naturwissenschaften sich etablierten. An ihren Feuerstätten entstanden Arzneimittel, alkoholische Getränke, farbige Gläser, Porzellan, Schwarzpulver und Feuerwerk und auch viele der Ölfarben, die nicht nur wertvolle Materialien ermöglichten, sondern auch die Malerei revolutionierten. Farben sind die ältesten überlieferten Erfolge der Transmutation, der Veränderung; sie bildeten den Anfang der Alchemie. Die Düsseldorfer Ausstellung zeigt zwei ägyptisch-griechische Papyri aus dem dritten Jahrhundert aus einer Sammlung von Rezepten zur Färbung von künstlichen Perlen oder zur Erzeugung künstlichen Purpurs.

Die Herstellung von Farben und Pigmenten hat auch moderne Künstler im Sinne der Alchemie beschäftigt. Yves Klein erzeugte ein besonderes Ultramarin oder vergoldete Leinwände. Anish Kapoor überschüttet seine Objekte mit reinen roten, gelben und schwarzen Pigmenten. Der zweite Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit solchen Veränderungen: Für Düsseldorf typisch dokumentiert er eine Arbeit von Joseph Beuys, der 1982 die Kopie einer Zarenkrone einschmelzen ließ und daraus goldene Friedenshäschen herstellte.

Zahlreiche Künstler haben Materialien verändert und dadurch zur Kunst erhoben. Die Ausstellung stellt sie deshalb in die Tradition der Alchemisten. In manchen Kunstwerken wird die Veränderung bis zum Ende der Schau anhalten. Rebecca Horn lässt einen Hammer Grafitstäbe zertrümmern. Und in der meterhohen Installation von Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger mit dem Titel „Das chymische Lustgärtlein“ wachsen farbige Kristalle aus bunten Harnstoff-Tinkturen und bilden fabelhafte Strukturen. Sie überwuchern dabei Gegenstände und Zettel mit Heilsversprechen von Alchemisten und anderen Experten, die sich heute dafür halten.