Den Stein der Weisen haben die Alchemisten nicht gefunden, aber das macht nichts: Man muss nur die richtigen Atome geschickt verschmelzen, um Gold und mehr herzustellen. Dafür suchen moderne Alchemisten etwas anderes: Elemente, die nicht gleich zerbrechen.

Darmstadt - Mit dem Stein der Weisen wollten die Alchemisten Metalle veredlen, vor allem Gold herstellen. Heute weiß man, dass keine besondere Substanz benötigt wird, um ein Element zu erzeugen. Man muss dazu nur geschickt Atome spalten oder verschmelzen. Aus Kupfer (Ordnungszahl 29) und Zinn (Ordnungszahl 50) wird durch Fusion zum Beispiel Gold (Ordnungszahl 79). Der Trick besteht darin, die Kupferatome sanft, aber mit Nachdruck auf eine Zinnfolie zu schießen. Am Helmholtz-Zentrum für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt kann man auf diese Weise rund zwei Millionen Goldatome pro Sekunde herstellen. Das ergäbe in 50 Millionen Jahren etwa ein Gramm.

 

Man könne mit ihrem Teilchenbeschleuniger praktisch jedes Atom auf ein anderes schießen, sagt der GSI-Sprecher Ingo Peters, und daher auch alles in alles umwandeln. Das Element Darmstadtium (Ordnungszahl 110), das am GSI erstmals erzeugt wurde, entsteht beispielsweise aus Nickel und Blei. Das Verfahren ist nicht sonderlich effizient – man schießt jede Sekunde Billiarden Nickelatome auf die Bleifolie und erhält alle zehn Tage ein Darmstadtium-Atom – aber es funktioniert. Und jetzt haben GSI-Forscher das noch unbenannte Element mit der Ordnungszahl 117 nachgewiesen, das zuvor am russischen Forschungszentrum in Dubna erzeugt worden war. Um das Element 117 herzustellen – genau genommen haben die GSI-Forscher bisher zwei Atome registriert –, verschmelzen sie Kalzium und Berkelium. Dazu haben sie für viel Geld einige Milligramm Berkelium in den USA gekauft. Weil die Ausbeute so gering sei, geben die GSI-Forscher auch eine einfache Antwort auf die Frage nach möglichen Anwendungen: Das wäre weit hergeholt.

Vielleicht gibt es die gesuchten Elemente schon im All

Die Alchemisten von heute suchen nach etwas anderem: Sie nennen es die Insel der Stabilität. Gemeint ist ein Bereich im Periodensystem der Elemente, in dem die Elemente stabil bleiben und nicht binnen weniger Sekunden zerfallen. Die bisher entdeckten superschweren Elemente mit Ordnungszahlen über 100 halten sich nicht lange. Die Atome mit der Ordnungszahl 117 sind zum Beispiel schon nach weniger als einer Sekunde auseinandergebrochen. Aber ab der Ordnungszahl 120, so die Theorie, bleiben die Atome womöglich so stabil, das man mit ihnen arbeiten – also Chemie betreiben – kann. Aber es ist schwierig vorauszuberechnen, wie sich mehr als 300 Protonen und Neutronen in einem Atomkern verhalten. Also könnte es auch anders kommen.

Wenn es die Insel der Stabilität geben sollte, dann dürften die stabilen Elemente bereits im Weltall existieren. Wenn ein Stern in einer Supernova explodiere, müssten sie entstehen, sagt der Teilchenphysiker und Kosmologe Ingo Augustin vom GSI. Die Theorie ist – ebenso wie die zur Insel der Stabilität – schon einige Jahrzehnte alt und schwer zu überprüfen. Reichen die Mengen der superschweren Atome aus, um sie aus der Ferne zu entdecken? Und welche Spektrallinien senden sie überhaupt aus?

Unterdessen nutzen die GSI-Forscher das teure Berkelium für ihr nächstes Experiment: Wenn man Berkelium mit Titan beschießt, müsste das Element mit der Ordnungszahl 119 entstehen. Das hat bisher noch niemand nachgewiesen. Und die Forscher arbeiten schon heute an einer Antwort auf die knifflige Frage, wie man ein einzelnes stabiles superschweres Atom überhaupt nachweist. Ihre bisherige Messmethode beruht nämlich darauf, die neuen Elemente anhand ihrer Bruchstücke zu identifizieren. Ein stabiles Atom müsste man daher einfangen und in einer Falle über Wochen oder Monate beobachten.