Der Lebensmittel-Discounter Aldi Süd kauft das Grundstück an der Böblinger Straße 104 von Stuttgarter Hofbräu auf. Auf dem ehemaligen Schlecker-Gelände soll ein Wohnpark mit Ladeneinheiten entstehen. Kritiker befürchten eine Gentrifizierung in Heslach, Befürworter hoffen auf mehr Geschäfte im Stadtteil.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Süd - Die Böblinger Straße ab dem Erwin-Schoettle-Platz stadtauswärts ist ein etwas schwieriger Ort. Vor dem Bau des B-14-Tunnels gehörte die Ortsdurchfahrt von Heslach zu den am meisten belasteten Straßen Stuttgarts. „Zum Wohnen und Leben war es hier schlecht“, erinnert sich Marc Simmendinger, Besitzer des Schreibwarengeschäfts „Büro und Papier“ in der Böblinger Straße 79. Das sei inzwischen besser. Nun gibt es ein anderes Problem: das Ladensterben. Geschäfte siedeln sich inzwischen eher am Marienplatz an. Da sei mehr los, sagt Simmendinger.

 

Der Bezirksbeirat Süd wünscht sich seit Langem eine städtebauliche Aufwertung der Böblinger Straße. Das Gremium hofft vor allem auf einen Neubau des Jugendhauses Heslach mit integrierter Stadtteilbücherei. „Wir brauchen das Jugendhaus. Da sind wir uns parteiübergreifend einig“, betont SPD-Bezirksbeirätin Ulrike Holch.

Direkt nebenan, bei Stuttgarter Hofbräu, steht seit knapp drei Jahren die ehemalige Schlecker-Filiale leer. Die Brauerei, die seit 2010 zur Radeberger-Gruppe mit Sitz in Frankfurt am Main gehört, nutzte Teile des Gebäudes für die Verwaltung. Rein optisch war dies für den Stadtteil nicht gerade förderlich. Dies soll sich nun ändern. Mitte August hat Hofbräu das Grundstück an der Böblinger Straße 104 nach Informationen unserer Zeitung an den Lebensmittel-Discounter Aldi Süd verkauft. Hofbräu-Geschäftsführer Martin Alber bestätigte dies auf Nachfrage.

Wohnpark soll das ehemalige Schlecker-Gebäude ersetzen

Grundlage der Verhandlungen mit potenziellen Investoren war eine Machbarkeitsstudie von Stuttgarter Hofbräu für einen Wohnpark mit rund 55 Wohnungen und Ladeneinheiten im Erdgeschoss an der Böblinger Straße 104. Bei der Entscheidung habe man sich an den Wünschen des Bezirksbeirats orientiert, ergänzt Alber.

Im Mai, noch vor dem Verkauf also, hatte Helmut Haas vom Stadtplanungsamt den Entwurf des Architekturbüros Steinbrink.Krumpe im Bezirksbeirat vorgestellt. Das Gremium hatte die Pläne mehrheitlich begrüßt. Helmut Haas geht davon aus, dass sich der neue Käufer in den Grundzügen daran orientieren wird. „Wenn das Objekt konkret geplant wird, können sich da natürlich immer noch Details verändern“, gibt der Leiter der Abteilung Planungsbezirk Ost und Süd beim Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung zu Bedenken.

Für dieses Projekt ist – ebenso wie für das Jugendhaus Heslach – eine Änderung des derzeitigen Bebauungsplan notwendig. Mit einer Änderung des Bebauungsplanes greift das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM). Nach dem Modell werden Bauherren verpflichtet, einen bestimmten Anteil des Bauvolumens für Wohnungen und geförderten Wohnraum zu reservieren. Bezirksvorsteher Raiko Grieb wünscht sich natürlich, dass es mehr geförderte Wohnungen werden als die vorgeschriebenen 20 Prozent. „Jede freiwillige Mehrleistung ist ein Gewinn für uns“, sagt er.

Grieb sieht das Wohnprojekt zudem als Chance für den Heslach. Er hofft, der Neubau löst die Spannung zwischen dem Heslacher Kessel und der Halbhöhenlage auf und bewirkt eine „bessere, soziale Durchmischung“. Gerade deshalb sei das Grundstück so wichtig, weshalb der Bezirksvorsteher nun auch Gespräche mit Aldi führen möchte. „Ich hoffe, wir können den weiteren Planungsprozess als Bezirksbeirat eng begleiten“, sagt Grieb.

Linken befürchten Gentrifizierung in Heslach

Das wiederum hält Linken-Stadtrat Thomas Adler für unrealistisch. Überhaupt ist der Verkauf des Areals an einen privaten Investor für ihn eine herbe Enttäuschung. „Die Stadt hat die Möglichkeit vergeigt, als Eigentümerin Einfluss zu nehmen“, sagt er unserer Zeitung. Die Fraktionsgemeinschaft SÖS-Die Linke-Plus im Gemeinderat hatte im Juni die Stadt in einem Antrag aufgefordert, das Gebiet zum Stadterneuerungsvorrangebiet zu deklarieren und dann entsprechend ihr Vorkaufsrecht für das Grundstück zu nutzen.

Die Fraktionsgemeinschaft hatte andere Vorstellungen für die Böblinger Straße 104: „Wir brauchen hier keine zahlungskräftige obere Mittelschicht und neue Läden.“ Vielmehr fehle es in Heslach an Wohnungen für Menschen, die „nicht schon auf Rosen gebettet“ sind. Der Verkauf sei kein gutes Zeichen für Heslach. Auch die Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus im Bezirksbeirat befürchtet nun eine Verdrängung der bisherigen Bevölkerung.

Manch Einzelhändler sieht die Entwicklung positiv

Diese Ansicht kann Hofbräu-Geschäftsführer Alber nicht recht verstehen. Aus seiner Sicht ist der Neubau für den Stadtteil „fantastisch“. Denn: „Es wird dringend benötigter Wohnraum geschaffen.“ Und nach seinem Kenntnisstand seien keine Luxuswohnungen geplant. Einzelhändler Simmendinger sieht in der geplanten Mischung aus Wohnen und Gewerbe ebenfalls nur Vorteile. Mehr Bewohner machen mehr Kunden, mehr Ladenvielfalt macht noch mehr Kunden. „Also wegen des Neubaus geht kein Heslach kaputt“, ist der alteingesessene Bürger überzeugt.