Die Lage in Aleppo ist unübersichtlich: Die Evakuierung des Rebellengebiets wurde ausgesetzt. Russland meldet gar, die Evakuierung sei bereits abgeschlossen, was von Hilfsorganisationen wiederum bestritten wird.

Beirut - Die syrische Regierung hat die Evakuierungen von Zivilisten aus dem Osten Aleppos gestoppt. Zur Begründung erklärte sie, Rebellen hätten einen Konvoi mit Menschen beschossen, die aus dem Gebiet herausgebracht werden sollten. Diese widersprachen. Die Türkei verhandelte mit Russland und dem Iran, um freies Geleit für weitere Zivilisten zu erreichen. Frankreich und Deutschland beantragten am Freitag eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats.

 

Das syrische Staatsfernsehen berichtete, das Feuer sei am Freitag wenige Stunden nach Wiederaufnahme der im Rahmen einer Waffenruhe vereinbarten Evakuierung eröffnet worden. Die Fahrzeugkolonne mit Evakuierten habe da gerade eine Kreuzung an einer der letzten Rebellen-Enklaven passiert.

Ein Sprecher der Rebellengruppe Nur al-Din al-Sinki sagte dagegen, regierungstreue Kräfte hätten den Konvoi beschossen und 25 Privatwagen beschlagnahmt, die den Menschen gehörten, die Aleppo verließen. Die amtliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, „regimetreue Terrorgruppen“ hätten das Feuer auf den Konvoi eröffnet.

Widersprüchliche Informationen

Kurz nach der Ankündigung der syrischen Regierung, die Evakuierung auszusetzen, erklärte Russland, alle Frauen und Kinder seien inzwischen aus Ost-Aleppo herausgebracht worden, die Evakuierung sei abgeschlossen. Das syrische Militär gehe nun gegen die restlichen verbliebenen Rebellen vor, hieß es in der Erklärung des Zentrums für Versöhnung in Syrien, einer Einrichtung des russischen Militärs.

Nach Angaben der UN und internationaler Hilfsorganisationen warteten jedoch noch Menschen darauf, in Sicherheit gebracht zu werden. Eine große Anzahl von Frauen und Kindern befinde sich noch in Ost-Aleppo, sagte die Repräsentantin der Weltgesundheitsorganisation in Syrien, Elizabeth Hoff. Sie habe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Evakuierung abgeschlossen sei.

Die Evakuierung war am Donnerstag unter einer von Russland und der Türkei vermittelten Waffenruhe angelaufen. Damit kam der Osten Aleppos praktisch unter Kontrolle der syrischen Regierungstruppen, die mit Hilfe der russischen Luftwaffe eine Offensive gegen die Rebellen geführt hatten. Im Osten der einstigen nordsyrischen Wirtschaftsmetropole herrscht wegen der großen Zerstörungen ein immenser humanitärer Notstand.

Erdogan verhandelt mit Russland und dem Iran

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu erklärte, er habe mit seinem iranischen Kollegen Dschawad Sarif über die Wiederaufnahme der Evakuierung gesprochen. Präsident Recep Tayyip Erdogan und andere Regierungsbeamte verhandelten mit Amtskollegen aus Russland und dem Iran.

Cavusoglu sagte, bislang seien 7500 Menschen aus der Stadt gebracht worden. Die Evakuierten sollten in Syrien bleiben. Die Türkei bringe Zelte für sie dorthin. Alte, Kinder und Kranke dürften aber in die Türkei kommen.

Frankreichs UN-Botschafter François Delattre sagte, UN-Nothilfe-Koordinator Stephen O’Brien solle in der Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats eine Einschätzung der Lage geben. Frankreich arbeite an einem Resolutionsentwurf. Falls es keine Einigung auf einen friedlichen Abtransport von Zivilisten und humanitäre Hilfe unter Aufsicht internationaler Beobachter gebe, könne eine Sondersitzung der UN-Vollversammlung beantragt werden.

Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin sagte, das Wichtigste in Syrien sei ein Ende aller Militäraktionen. Zudem müssten die Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition wieder aufgenommen werden. „Damaskus hat mehr als einmal seine Bereitschaft bestätigt, an diesen Verhandlungen teilzunehmen“, sagte Tschurkin. Russland ist der wichtigste Verbündete der syrischen Regierung im Bürgerkrieg und könnte mit seinem Veto einen Sicherheitsratsbeschluss verhindern.