Der Stuttgarter Balletttänzer Alessandro Giaquinto ist auch als Choreograf gefragt. Nun präsentiert er ein ungewöhnliches Projekt auf einer Internetplattform, die Film und Tanz zusammenbringt.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Stuttgart - Wie findet man ein breites Publikum für den Tanz? Diese Frage treibt den amerikanischen Choreografen Jacob Jonas um. Mehr Sichtbarkeit ist für Jonas gleichbedeutend mit mehr finanzieller Aufmerksamkeit für eine rund um den Globus unterfinanzierte Kunstform – und so hat er keine Scheu, seine Tanz-Projekte an der Kreuzung zu Werbung und Mode zu platzieren.

 

Eines davon ist die Kampagne „#CamerasandDancers“, die den Bilderhunger der sozialen Medien bedient. Für sie hat Jacob Jonas im Jahr 2019 Tänzer und Tänzerinnen des Stuttgarter Balletts schick und jung vor den Betonwänden des Kunstmuseums inszeniert.

Starke Architektur, aber auch starke Künstler aus Tanznischen wie Akrobatik und Breakdance bringt der umtriebige Jonas ebenfalls für andere Projekte zusammen – nun erneut mit Stuttgarter Beteiligung: Alessandro Giaquinto, Gruppentänzer des Stuttgarter Balletts, choreografierte bereits während des Lockdowns im Winter 2021 für Jonas’ Plattform „Films.Dance“.

Entstanden ist Giaquintos Solo „Do Butterflies Remember Being Caterpillars?“ für den B-Boy Lazylegz alias Luca Patuelli. Der Breakdancer trägt „müde Beine“ in seinem Künstlernamen, weil er teilweise gelähmt ist.

Und so musste Alessandro Giaquinto für den rund fünfminütigen Tanzfilm seiner Bewegungssprache nicht nur neue, urbane Qualitäten geben, sondern auch die besonderen Anforderungen seines Tänzers integrieren. Auf Tisch, Bett, Boden lässt er Lazylegs so gekonnt breaken, dass Handicap nur ein anderes Wort für Möglichkeiten ist.

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Entstanden ist unter Leitung der kanadischen Regisseurin Caraz ein höchst einfühlsamer Film, der über vermeintliche Schwächen und Stärken nachdenkt. Erinnern sich Schmetterlinge daran, dass sie Raupen waren? Den Titel des Films macht der Tanz zum Spiel mit Kriechen und Abheben, wie es Lazylegz am Ende virtuos wirbelnd vormacht.

Luca Patuelli reflektiert in einem tollen Changieren zwischen Verzweiflung, Wut und Souveränität unseren problematischen Umgang mit körperlicher Behinderung. Er zeigt, dass Kunst und Leben verschiedene Aggregatzustände haben können und dass sich das Leben von Kindheit an als eine Abfolge von Metamorphosen erzählen lässt.

Die Plattform „Films.Dance“ bringt Choreografie, Tanz und Film weltweit zusammen und strebt künstlerisch anspruchsvolle Resultate an. Giaquinto und Caraz’ Beitrag ist nun Teil einer Kurzfilmreihe von 15 Originalfilmen mit mehr als 250 beteiligten Künstlerinnen und Künstlern aus über 25 Ländern, die alle während der Coronakrise gedreht wurden. „Ich habe meine Bewegungssprache erweitert und auf Luca Patuellis körperliche Fähigkeiten angepasst“, resümiert Giaquinto. „Diese Herausforderung war mit das spannendste an diesem Projekt.“

Info

Film
„Do Butterflies Remember Being Caterpillars?“ ist auf der Plattform „Films.Dance“ zu sehen.

Person
Alessandro Giaquinto ist ein Multitalent. Der aus Italien stammende Gruppentänzer des Stuttgarter Balletts hat im Frühjahr 2021 den Roman „La forza di chi non è solo“ veröffentlicht und bereits mehrere Choreografien realisiert – zuletzt für das Amiata Piano Festival in Cinigiano.