Auch beim 2:2 gegen Hoffenheim hat sich gezeigt, dass es sich der Trainer Alexander Zorniger beim VfB Stuttgart nicht gerade leicht macht, die Spieler hinter sich zu vereinen. Denn manchmal verhöhnt er sie, stellt sie in gewisser Weise bloß oder provoziert sie sogar.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Sinsheim - Als Timo Werner in der Nachspielzeit die Riesenchance zum Sieg vergibt, da bricht es aus Alexander Zorniger heraus. Wie aus einem Vulkan schießt die ganze Erregung heraus. All der Ärger, die Wut und die Enttäuschung über die verpasste Möglichkeit, das Spiel in Sinsheim doch noch zu drehen. Und so tut der Trainer, was ein Trainer besser nicht tun sollte: Er verhöhnt seinen Spieler, wirft Kusshändchen ins Publikum – wie es Werner zwei Minuten zuvor getan hat, als der Stürmer des VfB Stuttgart den 2:2-Endstand bei 1899 Hoffenheim erzielt hat.

 

Kurz danach steht Zorniger vor einer Fernsehkamera und erklärt, dass Werner diesen letzten Ball gar nicht ins Tor schießen konnte, „weil er noch so mit Küsschenverteilen nach dem 2:2 beschäftigt war, dass sein Fokus noch nicht darauf lag, den reinzumachen“. Der VfB-Chefcoach führt auch noch aus, dass man so ein Verhalten einem jungen Spieler nachsehen müsse. Doch dieser wohl gemeinte Zusatz geht für viele schon unter in einer Mischung aus Befremden, Unverständnis und Fassungslosigkeit über Zornigers Aussagen. Denn der 47-jährige Trainer bietet gerade eine ganze Reihe solcher Auftritte, in denen er die eigenen Spieler öffentlich brüskiert.

Timo Werner hat er schon zum zweiten Mal provoziert, zuvor Daniel Didavi wegen seiner Knieproblematik vor einem Vereinswechsel gewarnt, Georg Niedermeier in gewisser Weise bloßgestellt, obwohl der Innenverteidiger in der laufenden Saison noch keine einzige Ligaminute absolviert hat, und auch Martin Harnik fand sich nach lauter Kritik schon auf der Bank wieder.

Muss der Trainer alles nach außen tragen?

Sportlich ist das alles nachvollziehbar, und in der Sache hat der Trainer mit seinen Einschätzungen auch recht, wenn er nicht „das Kindermädchen“ für den 19-jährigen Werner spielen will oder die Belastbarkeit von Didavis Knie erwähnt und auf all die Bruddeleien verweist, die Niedermeier und Harnik mit ihren lauen Leistungen in den vergangenen Jahren schon ausgelöst haben. Nur: muss das ein Trainer alles nach außen tragen?

Alexander Zorniger muss. Auch wenn die Tabellensituation beim VfB mal wieder äußerst angespannt ist. Vielleicht muss er es auch gerade deshalb sagen, denkt sich der Trainer. Auf jeden Fall spricht er so über Fußball, wie er spricht: direkt, ehrlich, schonungslos. Daran ändert sich nichts. Ganz gleich, ob seine Mannschaften gewinnen oder verlieren. Ganz gleich, ob er mit Spielern, Funktionären, Fans oder Journalisten redet. Er will Erklärungen liefern, Lösungen suchen, Antworten finden und sich dabei nicht verstellen. Zorniger bleibt Zorniger – eine schwäbische Reizfigur.

„Das Trainerthema wird gerade auch überhöht“, sagt Didavi, „weil wir zu wenig Punkte geholt haben.“ Besänftigende Worte eines Mittelfeldspielers, der nach Zornigers Ausführungen über das geschädigte Knie des 25-Jährigen ein klärendes Gespräch mit dem Trainer hatte. Dennoch weiß auch Didavi sehr gut, dass in der Kabine sehr genau darauf geachtet wird, wie ein Trainer mit den Spielern in der Öffentlichkeit umgeht. Schützt er sie – oder nicht?

Am liebsten ist den Profis natürlich, wenn sie in der Außendarstellung gut wegkommen. Doch bei Zorniger können sie sich nicht sicher sein, ob seine Analysen nicht in einen Frontalangriff münden. Deshalb lässt der Trainer nicht nur auf dem Platz ein Spiel mit hohem Risiko spielen – er spielt auch selbst eines im Umgang mit der Mannschaft. Er, der in der Vorbereitung erläutert hat, dass er Spieler braucht, die ihm bedingungslos folgen, läuft nun Gefahr, einen Teil der Spieler zu verlieren. Er, der den Mannschaftskreis in Stuttgart eingeführt hat, ist dabei, nicht mehr einer von ihnen zu sein, auch wenn er noch mittendrin steht.

Manager Dutt vertraut Zorniger

Doch der Manager Robin Dutt vertraut darauf, dass sich aus dem Reizklima ein Leistungsklima ergibt, das den Erfolg zurückbringt und nicht den Zerfall des Teams einleitet – mit Spielern, die Zorniger folgen, und Spielern, die zögern und zweifeln.

Das passt nicht zur angedachten Spielweise, die in Sinsheim deutlich zurückgenommener wirkte als in den Partien zuvor. „Da hatte ich das Gefühl, dass ich einen Impuls setzen muss“, sagt Zorniger. Mit einem Dreifachwechsel, den nicht nur Dutt „sehr mutig“ fand und den der Trainer selbst als „Wahnsinnswechsel“ bezeichnete. Denn: „Ich musste etwas Blödes machen, und mir ist nichts anderes eingefallen, als einen 18-Jährigen zu bringen – und Jan Kliment“, sagt Zorniger. Der Tscheche hat dann das 1:1 erzielt und Arianit Ferati das zweite Tor vorbereitet – was Zorniger laut darüber nachdenken ließ, auch mal eine Choreografie nach einem Treffer vorzubereiten. Aber es muss keiner Angst vor einem tanzenden Trainer haben: das war süffisant gemeint.