Es ist ein herber Schlag gegen die Opposition in Russland: In einem als Farce kritisierten Prozess verurteilt ein Gericht den Blogger Nawalny zu langer Lagerhaft. In Deutschland und International gibt es Proteste.

Moskau - Der bekannte russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist in einem umstrittenen Prozess wegen Veruntreuung zu fünf Jahren Straflager verurteilt worden.

 

Wachen führten den scharfen Gegner von Kremlchef Wladimir Putin am Donnerstag in der Stadt Kirow noch im Gerichtssaal in Handschellen ab und brachten den 37-Jährigen in ein Untersuchungsgefängnis. Menschenrechtler und Vertreter der Bundesregierung sprachen von einem Schauprozess und einem neuen Beispiel für politische Justizwillkür in Russland. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zeigte sich "besorgt".

Nawalny, der als bedeutender Kämpfer gegen die Korruption gilt, verzichtete nach dem Richterspruch auf seine Kandidatur bei der Moskauer Bürgermeisterwahl im September. Das Urteil gilt als Gradmesser für den Umgang mit Andersdenkenden in Russland.

Richter Sergej Blinow sah in Kirow - rund 900 Kilometer nordöstlich von Moskau - die Vorwürfe gegen Nawalny nach einem dreimonatigen Prozess als erwiesen an. Der Familienvater soll 2009 als Berater des örtlichen Gouverneurs eine staatliche Holzfirma um umgerechnet rund 400.000 Euro geprellt haben. Nawalny habe dafür gesorgt, dass 10 000 Kubikmeter Holz weit unter Wert verkauft wurden. Blinow sprach von einem "Verbrechen".

Schlag gegen kritische Opposition

Der Regierungsgegner weist die Vorwürfe als politische Inszenierung des Kreml zurück. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Arbeitslager für Nawalny gefordert, um die Gesellschaft vor ihm zu schützen. Die Verteidigung plädierte auf Freispruch. Die offizielle Agentur für Gerichtsberichterstattung rapsinews.ru übertrug die Urteilsverkündung, die noch nicht rechtskräftig ist, im Internet.

Deutsche Politiker reagierten bestürzt. "Der Fall Nawalny ist exemplarisch für eine Politik, die keine Formen von Opposition und politischem Wettbewerb duldet", sagte der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Andreas Schockenhoff, dem Sender hr-info. Er sprach von einem "Schauprozess". Der Menschenbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, teilte mit: "Mit diesem Urteil entfernt sich Russland einen weiteren Schritt von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit." Die Entscheidung des Gerichts sei ein neuer Schlag gegen die kritische Opposition in Russland.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck sprach von einem "Exempel". Die Grünen-Europaparlamentarierin Rebecca Harms betonte, das Urteil zeige, dass Putin "weder mit Kritik und schon gar nicht mit angesehenen Oppositionellen demokratisch umgehen kann". Ihr Fraktionskollege Werner Schulz teilte mit, das politische System in Russland gleiche immer mehr der DDR. "Die ohnehin schwache Zivilgesellschaft wird drangsaliert, eingeschüchtert und zerschlagen", teilte der frühere DDR-Bürgerrechtler mit. Putin sei ein "unumschränkter Herrscher", der sich auf ein Scheinparlament und einen alles beherrschenden Geheimdienst stütze, betonte Schulz.

Auch die prominente russische Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina kritisierte die Strafe scharf. Das "furchtbare" Urteil werde sich negativ auf das Ansehen des Landes auswirken, warnte sie. Der Menschenrechtsrat des Kreml kündigte eine unabhängige Untersuchung des Falls an.

Anhänger Nawalnys rufen zu "Volkswanderung" auf

Der russische Ex-Finanzminister Alexej Kudrin twitterte, dass der Schuldspruch weniger eine Strafe sei als das Ziel verfolge, den Kremlgegner von Wahlen und vom gesellschaftlichen Leben zu isolieren. Der inhaftierte Putin-Kritiker Michail Chodorkowski nannte das Urteil "vorhersehbar und unvermeidlich".

In Moskau riefen Anhänger Nawalnys für den Abend zu einer "Volkswanderung" unweit des Machtzentrums Kreml auf. Die Behörden warnten die Opposition vor ungenehmigten Protesten. Sicherheitskräfte riegelten den Manegenplatz im Stadtzentrum mit Metallgittern ab.

Richter Blinow verurteilte Nawalnys Geschäftspartner Pjotr Ofizerow zu vier Jahren Straflager. Mehr als 100 Journalisten hatten sich schon in der Nacht vor dem Gerichtsgebäude versammelt. Es gab nur 60 Plätze. Auch Nawalnys Eltern und seine Ehefrau sowie prominente Oppositionelle wie Ex-Vizeregierungschef Boris Nemzow waren im Gerichtssaal.

Nawalny war am Mittwoch als Kandidat für die Moskauer Bürgermeisterwahl am 8. September zugelassen worden. Die Wahlkommission betonte zwar, seine Bewerbung bleibe bestehen, bis das Urteil in Kraft sei. Allerdings kündigte Nawalnys Wahlkampfstab nun den Verzicht an.