Alice Weidel, Mitglied im AfD-Bundesvorstand, hat sich bisher aus den Flügelkämpfen der Partei herausgehalten. Jetzt gibt sie ihre Zurückhaltung auf. Zur Bundestagswahl will sie im baden-württembergischen Spitzenteam antreten.

Berlin - In der Steuer- und Finanzpolitik kennt sie sich aus. Es ist kein Zufall, dass die Pressemitteilungen der Alternative für Deutschland (AfD) auf diesem Gebiet oft unter Alice Weidels Namen erscheinen. „Wir sind die Partei für Steuersenkung und Steuervereinfachung“, heißt eine aktuelle Meldung aus der AfD-Zentrale in Berlin. Darin wird Weidel zitiert, die sich als Bundesvorstandsmitglied und Unternehmensberaterin mit ökonomischen Fragen beschäftigt – die Erbschaftsteuer würde sie am liebsten abschaffen. Abgesehen von ihren fachlichen Ansichten ist Weidel aber ein unbeschriebenes Blatt. Obwohl die 38-jährige schon seit einiger Zeit zur obersten Führungsriege zählt und in mehreren Talkshows vertreten war, ist sie in der breiten Öffentlichkeit noch wenig bekannt. Seit der Gründung der AfD vor drei Jahren gehört sie der Partei an. Zuletzt war sie verantwortlich für die Arbeiten am Grundsatzprogramm. Aus den Ränkespielen der Partei hält sie sich heraus. Doch die Frau aus dem Hintergrund wird künftig öffentlich stärker in Erscheinung treten.

 

Weidel hat gute Chancen auf den Spitzenplatz

Weidel hat gute Chancen, die baden-württembergische Spitzenkandidatin der AfD zur Bundestagswahl zu werden. Auf welchem Listenplatz sie antritt, verrät sie nicht. Die Entscheidung habe letztlich der Parteitag. Gegenüber dieser Zeitung erklärte Weidel aber ihren Führungsanspruch. „Baden-Württemberg braucht eine vernunftorientierte liberal-konservative Politik, die uns in den Bundestag trägt.“ Dafür stehe sie. „Deshalb bin ich im Spitzenteam dabei“, sagte die AfD-Politikerin. Auf dem AfD-Listenparteitag am 19./20. November in Kehl werde sie antreten. Dafür bringt Weidel, die am Bodensee mit ihrer Lebensgefährtin in eingetragener Partnerschaft lebt und einen Sohn großzieht, einiges an beruflicher Erfahrung mit: Nach dem Volkswirtschaftsstudium arbeitete sie mehrere Jahre lang in China, war unter anderem für Banken und Start-up-Unternehmen tätig. Als Unternehmensberaterin ist sie immer noch viel unterwegs.

Mit der Ankündigung eines „Spitzenquartetts“ macht Weidel deutlich, dass es ihr auf Zusammenarbeit und nicht auf Alleingänge ankommt. Zum Spitzenteam zählen noch Lothar Maier (72), Sprecher der AfD Baden-Württemberg, und bis 2009 Professor für Verbraucherpolitik an der Hamburger Hochschule. Außerdem gehört Marc Jongen (Jahrgang 1968) dazu, der stellvertretender Landessprecher ist und sich in der AfD einen Namen als Parteiphilosoph gemacht hat. Jongen arbeitet an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Der Vierte im Bunde ist Markus Frohnmaier (25), Bundeschef der AfD-Jugend und Pressesprecher von Bundessprecherin Frauke Petry. Frohnmaier kümmert sich vor allem um die Außenpolitik. Mit dieser Aufstellung an der Spitze will die Südwest-AfD in die Bundestagswahl gehen. Falls es die Partei schafft, die Umfrageergebnisse zu halten, könnten bei der Wahl 2017 noch deutlich mehr Kandidaten ins Parlament einrücken. Mit der Ankündigung des Spitzenteams stellen Weidel und ihre Unterstützer klar, dass sie Antworten auf die Interessensgruppen in der AfD geben, die eigene Kandidatenlisten ins Spiel gebracht haben.

Es geht um Einfluss im Bund

Hinter den Kulissen wird in der AfD längst um die Ausrichtung der künftigen Bundestagsfraktion gerungen. Zu heftigen Debatten hat in der Partei geführt, dass der thüringische AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke jüngst nach Baden-Württemberg reiste, um Bundestagskandidaten für seine völkisch-nationale Strömung zu mobilisieren. Dass sich der thüringische Landesverband in die baden-württembergischen Belange einmischt, ist in der AfD nicht so ungewöhnlich: Das zeigte sich, als die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry, die aus Sachsen stammt, eigenmächtig in den Streit der baden-württembergischen Landtagsfraktion eingriff. Dass Höcke die AfD auf strammen Rechtskurs bringen will, ist kein Geheimnis. Vom Höcke-Lager kursieren bereits Namenslisten mit Bewerbern für den Listenparteitag im Südwesten – sie kommen vom rechten Rand der Partei. Mit solchen Übergriffen versucht der vergleichsweise kleine thüringische Landesverband, den Einfluss auf eine mögliche Bundestagsfraktion zu erhöhen. Klar ist, dass die großen Landesverbände Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen beim Einzug ins Parlament die meisten Abgeordneten in den Bundestag entsenden. Die kleinen ostdeutschen Landesverbände können selbst bei guten Ergebnissen nur eine kleine Schar von Abgeordneten nach Berlin schicken. Weidel und ihr Team setzen den Einflussversuchen von außen nun eine baden-württembergische Lösung entgegen.