Bier, Wein, Sekt: Die Varianten ohne Alkohol liegen im Trend – doch auch in diesen Getränken sind meist Restmengen enthalten

Digital Desk: Lena Hummel (len)

Stuttgart - Sein Prisecco ist unter den alkoholfreien Getränken so etwas wie der Champagner unter den Schaumweinen. Vor 16 Jahren hat Jörg Geiger begonnen, in den Markt der alkoholfreien Alternativen einzusteigen – mit seinem rotfruchtigen Aperitif. Heute stellt der Schwabe in seiner Weinmanufaktur in Schlat am Fuße des Albtraufs mehr als 40 verschiedene alkoholfreie Wein- und Schaumweinsorten her.

 

3000 deutsche Gastronomen beliefert der Betrieb, „fast täglich kommen neue Nachfragen dazu“, sagt Melanie Layer, Sommelière in der Weinmanufaktur. Zwar stehen einige von Geigers Produkten auch bei Edeka in Filderstadt-Bonlanden und beim Mühlenladen in Gosbach im Landkreis Göppingen im Regal, „unser Fokus liegt aber auf Sternehäusern, die wir auch direkt betreuen“. Doch auch abseits der Sterneküche verzichten Konsumenten immer häufiger auf Alkohol – und zwar nicht nur, weil sie unter Allergien leiden, Medikamente einnehmen oder schwanger sind. Melanie Layer weiß, warum der Trend zum Alkoholfreien geht: „Viele wollen auch einfach nicht mehr so viel trinken oder kommen aus Ländern, in denen kein Alkohol getrunken wird. Auch die Polizeikontrollen nehmen zu.“

Deutsche trinken weniger Alkohol

Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geht der regelmäßige Alkoholkonsum bei Jugendlichen zurück, Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen, dass deutsche Brauereien in der ersten Jahreshälfte 2019 so wenig Bier verkauft haben wie noch nie seit der Wiedervereinigung.

Klaus Rückrich vom Deutschen Weinbauverband betont zwar, dass sich der jährliche inländische Gesamtverbrauch seit Jahren bei etwa 20 Millionen Hektoliter eingependelt habe und dass kleine Schwankungen auch durch den Zuzug von Menschen aus islamischen Ländern zustande kämen, wo Alkohol meist abgelehnt wird. Trotzdem ist man sich in der Branche des Trends bewusst: „Uns fällt durchaus auf, dass wegen eines stärkeren Gesundheitsbewusstseins weniger Alkohol getrunken wird“, sagt Ernst Büscher, Pressesprecher des Deutschen Weininstituts. „Gesamtgesellschaftlich ist das eine gute Entwicklung, und auch die Tatsache, dass junge Erwachsenen weniger trinken, ist erfreulich.“

Der Markt reagiert mit Alternativen

In der Konsequenz wüchsen das Interesse und das Angebot an alkoholfreien Alternativen. Beim Sekt liege der Marktanteil schon heute bei rund fünf Prozent, beim Wein hätten die Winzer noch Nachholbedarf. „Der Marktanteil alkoholfreier Weine liegt weit unter einem Prozent – bei einem halben vielleicht“, sagt Büscher.

Alkoholfreie Biere und Biermischgetränke sind dagegen längst auf dem Massenmarkt angekommen – aus dem Supermarkt sind sie nicht mehr wegzudenken, und nahezu jeder Gastronomiebetrieb bietet mindestens eine alkoholfreie Sorte an. „Alkoholfrei liegt im Trend“, bekräftigt Marc-Oliver Huhnholz, Pressesprecher des Deutschen Brauer-Bunds. Mittlerweile enthalte jeder 15. Liter Bier, der in Deutschland hergestellt werde, keinen oder kaum noch Alkohol. Es gebe mehr als 400 alkoholfreie Marken. Die Nachfrage im vergangenen Jahr sei dank des guten Sommers sensationell gewesen. Der Brauer-Bund erwartet, dass der Marktanteil von derzeit etwa sieben Prozent binnen weniger Jahre auf zehn Prozent steigen wird.

Alkoholfrei bedeutet nicht frei von Alkohol

Doch Biere, Weine und Schaumweine, die laut Etikett alkoholfrei sind, können bis zu 0,5 Volumenprozent Alkohol enthalten. Schließlich sei ein Restalkoholgehalt in dieser Höhe „bei alkoholfreien Bieren in Deutschland handelsüblich“, sagt eine Sprecherin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Länderbehörden tolerierten diese Bezeichnung für entsprechende Getränke, fährt die Ministeriumssprecherin fort – „auch infolge entsprechender Gerichtsurteile“.

Erst für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent ist die Angabe des exakten Alkoholgehalts Pflicht. Das regelt die europäische Lebensmittel-Informationsverordnung. Und trotzdem versuchen zumindest deutsche Brauer, auch kleinere Mengen transparent zu machen. So haben sich der Verbraucherzentrale-Bundesverband und der Deutsche Brauer-Bund (DBB) bereits vor fünf Jahren darauf geeinigt, dass Brauereien, die zum DBB gehören, künftig freiwillig auf den Restalkoholgehalt in alkoholfreiem Bier hinweisen. Der DBB erklärte sich auch bereit, die Erläuterung „Alk. < 0,5 % vol.“ oder eine vergleichbare Formulierung auf seinen alkoholfreien Biersorten zu etikettieren. Seit vier Jahren sind diese Kennzeichnungen zu finden.

Schwangere sollten verzichten

Laut einer vor drei Jahren durchgeführten repräsentativen Emnid-Umfrage befürworten 85 Prozent der Befragten zwar, dass der Restalkoholgehalt auf den Flaschen angegeben wird, die Bezeichnung „alkoholfrei“ finden aber nur zehn Prozent passend. 49 Prozent der Befragten halten die Bezeichnung „alkoholarm“ für am zutreffendsten.

Für Schwangere kann die irreführende Kennzeichnung problematisch sein. Laut Franz Kainer, Fachexperte der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, sollten Schwangere auch auf Getränke mit minimalem Alkoholgehalt verzichten. Denn: „Es gibt keinen definierten Grenzwert, welcher Alkoholgehalt für das ungeborene Kind unschädlich ist.“ Wenn es schon ein Bier sein muss, rät Kainer zu einer Variante mit 0,0 Volumenprozent Alkohol. Marktführer Krombacher etwa unterscheidet zwischen alkoholfreien Sorten und solchen mit 0,0 Volumenprozent Alkohol.