Der Alkoholatlas im Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung zeigt erstmals, wo Alkoholkonsum besonders problematische Ausmaße annimmt. Die Männer in Baden-Württemberg sind demnach sehr vernünftig im Umgang mit dem Rauschmittel. Warum, bleibt ein Rätsel.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Heidelberg - Wer in den letzten Wochen den Cannstatter Wasen besucht hat, könnte den Eindruck bekommen haben, dass es sich bei Baden-Württemberg um ein Biertrinker-Bundesland handelt, wo der Alkohol in Strömen fließt, ungeachtet aller gesundheitlicher Risiken. Der Alkoholatlas für Deutschland, den die Suchtbeauftragte der Bundesregierung beim Deutschen Krebsforschungszentrum (dkfz) in Heidelberg bestellt hat, schafft nun Ernüchterung: Nur in Schleswig-Holstein und in Bremen gaben weniger als die 16 Prozent der befragten Männer in Baden-Württemberg an, mehr als 20 Gramm Reinalkohol am Tag konsumiert zu haben.

 

Ab dieser Menge stuft die Studie Alkoholkonsum bei Männern als riskant ein. Sie entspricht etwa zwei Gläsern Bier. Spitzenreiter beim riskanten Alkoholkonsum ist demnach Thüringen mit 22,7 Prozent gefolgt von Sachsen mit 22,6 Prozent der Männer, die mindestens zwei Gläser Bier täglich trinken.

Noch deutlicher wird das zurückhaltende Trinkverhalten der Männer in Baden-Württemberg bei der Zahl der Todesfällen in direktem Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch. Auf 100 000 Einwohner kamen demnach nur 19,9 Personen durch Alkoholkonsum bedingte Erkrankungen um. Damit verzeichnet Baden-Württemberg hier gemeinsam mit Bayern den niedrigsten Wert. Zum Vergleich: In Sachsen-Anhalt kommen 65,8 Tote auf 100 000 Einwohner.

 

Frauen eher im Mittelfeld

Die baden-württembergischen Frauen dagegen bewegen sich laut dem Alkoholatlas im Ländervergleich eher im Mittelfeld. Bei ihnen stuft das dkfz den Alkoholkonsum bereits ab zehn Gramm Reinalkohol als gesundheitlich problematisch ein – also bereits bei der halben Menge, die für Männer angesetzt wurde. 13,9 Prozent der Frauen im Land gaben an, den täglichen Grenzwert zu überschreiten, womit sie den neunt-niedrigsten Wert erzielen.

Angeführt wird die Liste der Frauen von Hamburg. 16,7 Prozent der Befragten haben angegeben, entsprechend viel Alkohol zu trinken. In Brandenburg scheint exzessiver Alkoholgenuss bei den Frauen am wenigsten angesagt zu sein, dort wollen nur 9,4 Prozent mehr als zehn Gramm Reinalkohol am Tag konsumieren.

Auch bei den Todesfällen der durch Alkohol bedingten Erkrankungen schneiden die Frauen in Baden-Württemberg gut ab. Der Alkoholatlas zählt bei den Frauen 7,5 Todesfälle auf 100 000 Einwohner im Land, das ist der drittniedrigste Wert hinter Bayern (7,4 Todesfälle) und dem Saarland (6,3 Todesfälle). In Mecklenburg-Vorpommern sterben laut der Studie 15,7 Frauen von 100 000 aufgrund ihrer Alkoholprobleme – fast so viele, wie Männer in Baden-Württemberg.

Grund für niedrigen Konsum bleibt ein Rätsel

Doch woran liegt das, dass die Menschen im Land vergleichsweise vernünftig mit Alkohol umgehen? „Eine Antwort darauf zu finden, ist schwierig“, sagt Kartrin Schaller vom dkfz in Heidelberg. Zumal laut der Studie beim missbräuchlichen Alkoholkonsum Einkommen und Bildung keine entscheidende Rolle spielen. Während bei den jungen Befragten das Klischee zutrifft – je niedriger der Abschluss, desto mehr wird gebechert – verhält es sich bei den älteren genau umgekehrt. Von den über 65-Jährigen trinken diejenigen am meisten Alkohol, die einen hohen sozialen Status haben.

Auch die Geschäftsstelle der Suchtbeauftragten der Bundesregierung hat keine eindeutige Erklärung dafür, warum ausgerechnet in einer ausgewiesenen Weinregion wie Baden-Württemberg so wenig getrunken wird. Ein Ansatz könnten schulische Suchtprävention und andere Strukturen sein, die besser als in anderen Bundesländern, heißt es dort. Eine wissenschaftliche Erklärung habe man aber nicht.