Der Ministerpräsident beugt sich seiner Partei und will vorerst kein Gesetz gegen städtische Trinkerszenen auf den Weg bringen. Die FDP nennt ihn deshalb einen führungsschwachen Gute-Laune-Bär, ist aber auch gegen Verbote.

Stuttgart - Die baden-württembergischen Kommunen werden auch künftig keine Alkoholverbote aussprechen können, um Belästigungen durch öffentliches Trinken zu unterbinden. Zwar hat eine vom Runden Tisch des Staatsministeriums eingesetzte Arbeitsgruppe empfohlen, per Landesgesetz den Städten und Gemeinden das Instrument der Alkoholkonsumverbote an die Hand zu geben, doch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will sich diesen Vorschlag vorläufig nicht zu eigen machen. Er sagte am Dienstag, der Runde Tisch werde sich Anfang 2014 mit dem Abschlussbericht der Arbeitsgruppe beschäftigen, Alkoholverbote befürworte er aber nicht; diese seien für ihn nur das letzte Mittel, wenn nichts anderes helfe.

 

Nach zwei Jahren soll mal wieder geprüft werden

Konkret bedeutet dies, dass zunächst nur die anderen Empfehlungen der Arbeitsgruppe umgesetzt werden sollen. Dazu gehören etwa eine stärkere Polizeipräsenz, mehr Kontrollen und die Möglichkeit, die Sperrstunden der Gaststätten zu verlängern. Nach zwei Jahren soll dann Bilanz gezogen werden. Stelle sich dabei heraus, dass die öffentlichen Saufgelage anhalten, sagte Ketschmann, „kann man Alkoholverbote ins Auge fassen“. Der Regierungschef hatte ursprünglich den Ruf einiger Städte nach einer gesetzlichen Ermächtigung zu zeitlich und örtlich begrenzten Alkoholkonsumverboten unterstützt, vermochte sich aber in seiner Partei nicht durchsetzen. „Ich kann nicht mit dem Kopf durch die Wand“, sagte Kretschmann. Er fügte hinzu: „Politik ist die Kunst des Möglichen.“ Zugleich merkte er an, dass er wichtigere Probleme angehen müsse als die Alkoholverbote.

Grüne nennen Verbote heuchlerisch

Der CDU-Abgeordnete Thomas Blenke, der Mitglied der Arbeitsgruppe war, kritisierte Kretschmann: „Gerade zwölf Stunden, nachdem die Arbeitsgruppe nach halbjähriger Arbeit Vorschläge unterbreitet, sammelt der Ministerpräsident die Arbeit ein.“ Der FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke spottete, Kretschmann sei „als Tiger gesprungen, aber als Bettvorleger gelandet“. Der Regierungschef könne sich nicht durchsetzen. „Das System Kretschmann erschöpft sich darin, als Gute-Laune-Bär Bienen zu züchten und Schlossführungen zu veranstalten, aber auf politische Führung gänzlich zu verzichten.“ In der Sache äußerte sich Rülke indes ebenfalls gegen die Verbote. Nach Ansicht von Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand bekämpfen Verbote lediglich die Symptome, nicht jedoch die Ursachen des exzessiven Alkoholkonsums. Zudem sei ein solches Verbot „heuchlerisch, wenn auf denselben öffentlichen Plätzen organisierte Volks- und sonstige Feste stattfinden“. Laut Arbeitsgruppenbericht sprachen sich bei Befragungen in Ravensburg und Heidelberg knapp 63 Prozent beziehungsweise 56 Prozent der Rücksender eines Fragebogens für Alkoholverbote in mindestens einer von drei Varianten aus (Verbot in der gesamten Stadt, Verbot nur zu bestimmten Zeiten, Verbot nur an bestimmten Orten).