Beim CSD ist die ganze Stadt eine Party. Am heftigsten ging’s bei DJ-Star Alle Farben zu. Seine Fans wollten ihn nicht vom Truck lassen. „In Berlin ist es zwar voller“, sagte er, „aber in Stuttgart ist die Stimmung mindestens so gut.“

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - „Hände hoch für die Liebe“, ruft DJ Alle Farben alias Frans Zimmer auf seiner zweistündigen Musikfahrt durch die City immer wieder. Unzählige Hände gehen nach oben, so dass er gleich mal sehen kann: In Stuttgart wird viel geliebt.

 

Es hämmert und wummert von allen Seiten. Die Bässe hau’n rein. Der Berliner Star-DJ legt noch eine Schippe drauf. „Sein Wagen war wirklich der, der am meisten vibrierte“, sagte Travestielady Frl. Wommy Wonder, die in der CSD-Jury hinter der Paulinenbrücke saß, um die beste Formation zu küren, „man hatte schon Angst um die Achsengestänge.“

Am Vorabend hat er sich beim Helene Beach Festival verletzt

Mit einem Trompeter steht er auf dem Wagen 66, hat sein Hemd ausgezogen, trägt quasi nur noch Lederhose und einen Verband. Bei seinem Auftritt am Vorabend beim Helene Beach Festival in Frankfurt/Oder war der 34-Jährige im Eifer des Gefechts von der Bühne in den Graben gefallen und hatte sich verletzt. Trotzdem hat er für Stuttgart nicht abgesagt und ist auch nicht nach Berlin, wo am selben Tag ebenfalls „Happy pride“ gefeiert wird.

Seine eingängige Musik macht gute Laune. Die passt zu den glücklichen Gesichtern, in die man vom Wagen blickt. Die Menschen unten johlen, tanzen, flippen aus, sie sind stolz auf das, was sie sind. Sehr viele kennen die Hits von Alle Farben wie „Supergirl“ oder „She moves“. Und immer wieder geh’n die Hände nach oben. „Stuttgart ist der Hammer“, schwärmt Frans Zimmer und strahlt noch mehr.

Champagner und Dixi-Klo auf Wagen 66

In Berlin hat er mal die Kosten für einen Truck selbst übernommen. Für Stuttgart hat ihn ein Würzburger Unternehmer aus der Community gebucht. „Ich hab’ in einer langen Nacht mal gesagt, dass ich mit einem Wagen mit Alle Farben auf den CSD gehe“, sagt der Sponsor, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Auf dem Truck 66 gibt’s Champagner und ein Dixi-Klo. Der Wagen ist überfüllt mit etwa 60 Gäste des Unternehmers, die so heftig hüpfen, dass es immer wieder so kracht und wackelt, als wär’ ein Schiff in einen Sturm geraten.

Der Mix auf Party und Demo gefällt Frans Zimmer. Beim Stuttgarter CSD war der DJ noch nie, der seine jüngste Single zusammen mit dem britischen Superstar James Blunt aufgenommen hat. Und dann erlebt der Berliner eine feiernde, an allen Ecken dröhnende und ekstatisch aufgeladene Stadt, die sämtliche Vorurteile über Schwaben im Nu mit großer Lebenslust wegfetzt.

„Homophobie ist voll schwul“

Man sieht mit Hand geschriebene Plakate, auf denen etwa steht: „Fuck yourself, not the planet“ oder „Homophobie ist voll schwul.“ Und: „Lieber CSD als AfD“ sowie „Kein Sex mit Nazis.“ Jemand winkt mit einem Kehrwisch aus Regenbogenfarben. Luftballons fliegen durch die Luft, die sich beim genauen Betrachten als aufgeblasene Kondome erweisen. Auch die Leute von Alle Farben werfen Gummis in die Menge. Auf denen steht: „Damit sehen wir uns ,sicher’ auf meiner Tour im Dezember.“

„Mehr Lutscher, als du denkst“

Auf einem Truck weiter vorne prangt ganz groß: „Mehr Lutscher, als du denkst.“ Zwischen dem vergnügten Partyvolk sind ältere Menschen zu sehen, die dem fröhlichen Treiben nicht unbedingt kritisch folgen, aber reserviert. Bei einem CSD zeigen sich die verschiedenen Charaktere.

Die Fans von Alle Farben laufen mit dem Truck mit. Es werden immer mehr. Der Zug ist zu Ende – doch Hunderte stehen vor dem Wagen 66. Der DJ lässt die Rückwand des Trucks öffnen, winkt allen zu und spielt weiter, bis ein junger Mann ihm das Mikrofon wegnimmt und sagt, er sei der Spielverderber. Man müsse Schluss machen. Denn gleich beginne die Kundgebung wenige Meter weiter. Der CSD ist nicht nur zum Partymachen da. Mit Spaß und Tanz kommt Politisches viel leichter daher. Alle Farben ist beglückt, es hat ihm großen Spaß gemacht. „In Berlin kommen zur CSD-Parade viel mehr Menschen“, sagt er am Ende, „aber in Stuttgart ist die Stimmung mindestens so gut.“

Alles für die Liebe!

Aufs Dixi-Klo des Trucks Nummer 66 muss auf der über zweistündigen Fahrt im stürmischen Menschenmeer keiner. Bei der Hitze wird Wasser in rauen Mengen rausgeschwitzt. Alles aus Liebe!