Viele Jahre hat Klaus Riedl die Leser der Zeitung mit Wetterdaten und -prognosen versorgt. Jetzt wechselt der Meteorologe von der DWD-Station Schnarrenberg in den Ruhestand. Doch Pläne hat er genug.

Stuttgart - Klaus Riedl erinnert sich noch ganz genau: Es war der 26. Dezember 1999 als der Meteorologe ziemlich früh am Morgen aus seinen Büro beim Deutschen Wetterdienst (DWD) am Flughafen in Echterdingen eine Orkanwarnung für den Flugverkehr herausgab. „Es waren Windgeschwindigkeiten von mehr als 70 Knoten angekündigt“, sagt er. 70 Knoten sind rund 13o Stundenkilometer, von 117 km/h an spricht man von Windstärke zwölf oder eben von Orkan. „Kurz danach riefen die Kollegen vom Vorfeld an und fragten, ob ich was getrunken hätte.“ Hatte er nicht – und als drei Stunden später die Privatmaschinen von ihren Parkpositionen trotz Sicherung und Gewichtsbeschwerung „weggeweht wurden wie Papierflieger“ (Riedl) war jedem klar, dass Lothar mehr war als ein normaler Wintersturm. Ein ausgewachsener Orkan eben, der am Ende sogar mit 144 Stundenkilometer über die Fildern brauste und den Flugverkehr in Echterdingen zeitweise lahmlegte.

 

Riedl haucht dem Wetter Leben ein

Der zweite Weihnachtsfeiertag kurz vor Millennium war einer der aufregendsten Tage in der fast 40-jährigen Karriere des Meteorologen. Wenn auch bei weitem nicht der einzige. Aber jetzt wird es ruhiger. Am 2. Juni hat Klaus Riedl seinen letzten Arbeitstag in der DWD Wetterstation Stuttgart. Von dort aus begleitete er seit 2012 die Leser der Zeitung mit seinen Wetterdaten durch die Monate und Jahreszeiten. Und wie. Wettermann Riedl ist der Meteorologe, der nüchterne Statistik erklären und mit Beispielen zum Leben erwecken konnte. Jetzt geht der Mann ein wenig aus dem Wind. Ein stabiles, ruhiges, windstilles Dauerhoch im Schaukelstuhl erwartet ihn aber zu Hause in Ellwangen sicher nicht. Wäre auch nichts für ihn. Überhaupt nichts. Aber dazu später.

Begonnen hat der Mann nach dem Studium 1978 als Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes auf den Airports in Stuttgart und in Köln. Sein Job – Flugwetterberatung für die Piloten und Crews. In Zeiten, als man Wetterkarten noch von Hand zeichnete und man die Daten nicht online bekam, eine aufwendige Arbeit. Wie wird das Wetter in vier Stunden bei der Landung in Barcelona? Sind im Alpenraum Turbulenzen zu erwarten? Fragen, die Riedl den Piloten und Flugbegleiterinnen beantwortete.

Noch heute kennt er die internationalen Codes all der Flughäfen, die er für Wetter-Infos kontaktieren musste. Wenn er mit seiner Frau Ulrike nach Friedrichshafen fährt, sagt er: „Wir fahren nach Echo, Delta, November, Yankee“, kurz EDNY. Das ist der internationale Code des dortigen Flughafens.Unterwegs ist der Mann viel, immer schon gewesen. 1987 gab er seine Stellung als Beamter auf Lebenszeit beim DWD auf, fuhr übers Land und kaufte Antiquitäten, die er in seiner Werkstatt restaurierte und im eigenen Laden mitten in Esslingens Altstadt verkaufte. Möbel, Emaille-Schilder, Spielzeug, alles was ihm gefiel. Vormittags stand er in der Werkstatt, nachmittags im Laden, meist dabei der 1988 geborene Sohn Philipp in der Trage, weil die Mutter als PTA in einer Apotheke arbeitete. „Eine wunderbare Zeit.“1992 gab er den Laden aber auf. Der Mauerfall ließ die Preise für Antiquitäten fallen und seit 1990 war auch noch Tochter Marlene dazugekommen – da stand dann doch wieder der sichere Beruf im Vordergrund. Und der DWD nahm in sofort wieder auf, übernahm ihn abermals in den Beamtenstatus. Das Wetter hatte ihn wieder und die Familie wurde 1996 nach der Geburt von Pascal auch noch einmal größer. 2012 wechselte der DWD vom Flughafen auf den Schnarrenberg und seither ist Riedl auch der Wettermann für die Leser.

Vom Beamten zum Antiquitätenhändler

Am 2. Juni räumt Klaus Riedl nun abends seinen Schreibtisch. Ohne Wehmut, wie er sagt. In letzter Zeit haben ihn die langen Fahrten zur Arbeit von Ellwangen nach Stuttgart und zurück doch etwas müde gemacht. Aufstehen vor fünf Uhr, zum Bahnhof und ab in den Zug, abends das ganze zurück. Das muss er nicht mehr haben, auch wenn sich über die vielen Jahre im Zug eine nette Pendler-Clique gebildet hatte, der Weg nach Stuttgart also recht kurzweilig war. Und manchmal sogar mit Sektfrühstück.

Tango Argentin statt Wetterprognosen

Aber am 1. Juli wird Klaus Riedl 63 und hat noch sehr viel vor. Zu Hause wartet ein Mercedes Oldtimer (280 SE, Baujahr 1972) auf die Restaurierung. Daneben züchtet er Kakteen, malt Aquarelle, versteht sich auf das Pilze sammeln und – natürlich – auf das Tanzen. Die Riedls leben fast für den eleganten Sport, sind in der obersten Leistungskategorie Starlight unterwegs, treten für den TSV Wasseralfingen in der Formation an. Zwei paar Schuhe pro Jahr verschleißt der Mann locker, der am liebsten in seinem Urlaubsort an der Costa Brava in einer Bar Tango Argentino auf die Dielen zaubert. Soviel zum Thema Ruhestand.

Klaus Riedl wird also zufrieden und voller Energie sein Büro am Schnarrenberg verlassen – und für die Leser sei noch gesagt. Das Wetter in der Zeitung geht weiter. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.orkan-lothar-vor-15-jahren-erst-die-stille-dann-die-stuermische-nacht.954ffe71-c1a9-4a88-93cb-315b158b6ba8.html