Pollen- und Hausstaubmilbenallergien sind unter Senioren weit verbreitet. Doch oft werden sie nicht gleich erkannt. Denn früher dachte man, alte Menschen könnten nicht mehr an Heuschnupfen erkranken.

Berlin - Ein 80-Jähriger, der plötzlich Heuschnupfen bekommt? Das hielten Ärzte vor einigen Jahren noch für kaum möglich. Allergien, so dachte man, seien vor allem eine Krankheit der Jugend. Inzwischen weiß man: „Eine Allergie kann leider jeden und in jedem Alter treffen“, sagt Sonja Lämmel vom Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB). Auch unter Erwachsenen ab 65 Jahren sind allergische Beschwerden weit verbreitet. „Oft werden die Symptome aber nicht ernst genug genommen.“

 

Vor allem Pollen und Hausstaubmilben machen vielen älteren Menschen zu schaffen. „Zunehmend finden sich jedoch auch Lebensmittelallergien. Und auch die Häufigkeit von Neurodermitis im höheren Lebensalter nimmt zu“, sagt der Allergologe Torsten Zuberbier von der Charité in Berlin. Zuverlässige Studien dazu, wie verbreitet Allergien bei Senioren sind, gebe es nicht. Bisher sei diese Altersgruppe in der Forschung zu wenig berücksichtigt worden.

Bis zu zehn Prozent der über 65 Jährigen betroffen

Schätzungen zufolge sind bis zu zehn Prozent der Erwachsenen ab 65 Jahren betroffen. Manche davon haben seit ihrer frühen Kindheit Probleme. „Die Allergien an sich verschwinden nicht, sondern die Symptome bessern sich oft nach der Pubertät“, erklärt Zuberbier, der auch die Europäische Stiftung für Allergieforschung leitet. Im mittleren Erwachsenenalter treten allergischer Schnupfen, Asthma oder Neurodermitis häufig wieder verstärkt auf. Daneben kann es sein, dass sich eine Allergie erst im Alter zeigt: „Immer mehr Menschen auch jenseits des 70. Lebensjahres stellen sich in unserer Ambulanz mit neu entdeckten Atemwegsallergien vor“, sagt der Allergologe. Einer der Gründe dafür sei die städtische Lebensweise. „Die für das Immunsystem harmlosen Pollen verändern sich: Feine Staubpartikel lagern sich auf die Pollen auf, dadurch erkennt sie das Immunsystem leichter. Es stuft sie dann fälschlicherweise als gefährlich ein und bekämpft sie.“

Grundsätzlich ist eine laufende oder eine verstopfte Nase sowie häufiges Niesen ein weit verbreitetes Problem bei Senioren. Das braucht nicht zwangsläufig auf eine Allergie hinzudeuten, sagt Jörg Kleine-Tebbe von der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI). „Einige ältere Patienten haben einfach überempfindliche Schleimhäute.“ Aber: Bei einer Erkältung läuft die Nase relativ konstant, ein allergischer Schnupfen tritt dagegen anfallsartig auf. Besonders verdächtig wird es, wenn dabei die Augen jucken.

Senioren sollten ihre Beschwerden ernst nehmen

Auch Asthma, das oft mit allergischem Schnupfen einhergeht, ist bei Senioren nicht selten. Die damit verbundenen Atembeschwerden können ihr Allgemeinbefinden stark beeinträchtigen: „Menschen ab 70 Jahren haben oft ein angeschlagenes Bronchialsystem“, sagt die DAAB-Expertin Lämmel. „Wenn sie dann noch Heuschnupfen und Asthma bekommen, hat das ganz andere Auswirkungen als bei jungen Menschen.“ Doch die Anzeichen von Asthma werden bei älteren Patienten manchmal nicht ernst genommen oder falsch gedeutet. So sagt Kleine-Tebbe: „Symptome wie anfallsartige Schweratmigkeit und nächtlicher Husten werden öfters übersehen. Da kann es passieren, dass Patienten jahrelang unbehandelt bleiben.“

Hinzu kommt außerdem, dass viele ältere Erwachsene, vor allem Raucher, eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) haben. Sie führt zu Husten, Auswurf und Atembeschwerden und lässt sich nicht leicht von Asthma unterscheiden. „Man sollte auch bei einem älteren Menschen an eine Allergie denken“, sagt Kleine-Tebbe.

Auch die Senioren sollten ihre Beschwerden ernst nehmen und bald zum Hausarzt gehen. Bestätigt sich der Verdacht auf eine Allergie, wird sie wie bei einem jungen Menschen behandelt. Für einen betagten Patienten kommt genauso wie für ein Kind eine Hyposensibilisierung (spezifische Immuntherapie) infrage.