Bereits kurz nach der Geburt eines Kindes entscheidet es sich, ob es später an einer Allergie leidet oder nicht. Möglicherweise hat die richtige Ernährung auch Einfluss auf die Atemwege – Obst und Gemüse könnten helfen.

Stuttgart - Die Hälfte aller Asthmaerkrankungen haben allergische Ursachen. Das Immunsystem bekämpft an sich völlig harmlose Substanzen wie etwa Polleneiweiße. Die Atemmuskulatur verkrampft, die Schleimhaut der Bronchien schwillt an und es bildet sich zäher Schleim. Die unteren Atemwege sind chronisch entzündet. Mitunter fängt alles mit dem Heuschnupfen an und später – nach einem sogenannten Etagenwechsel – kommt allergisches Asthma hinzu. Manchmal taucht es sehr schnell bereits ein bis zwei Jahre nach dem Heuschnupfen-Start auf. Glücklicherweise ist allergisches Asthma heute gut zu behandeln, so dass es für Betroffene fast immer möglich ist, ein normales Leben ohne Einbuße an Lebensjahren zu führen.

 

Es wird weltweit viel geforscht, um vermeintliche Risikofaktoren zu entlarven und einen Weg zu finden, die Erkrankung zu verhindern. Seit kurzem gilt als sicher, dass die menschliche Lunge wie die Mäuselunge nicht keimfrei ist. Wie beim Darm oder der Haut besiedeln auch die Lunge Bakterien. Wissenschaftler unter der Leitung von Benjamin Marsland vom Universitätsspital in Lausanne untersuchen, inwieweit diese bakterielle Besiedelung der Lunge und das Asthmarisiko zusammenhängen. Schon in den ersten Wochen nach der Geburt entscheidet sich möglicherweise, ob ein Kind später an allergischem Asthma erkrankt oder nicht, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Medicine“ berichten.

Ergebnisse von Versuchen mit Mäusen deuten an, dass Lungenmikroben und das damit assoziierte Vorhandensein bestimmter Immunzellen vor allergischem Asthma schützen. Die Tiere wurden über ihre Nase zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Geburt Hausstaubmilben ausgesetzt. Geschah dies, bevor die Atemwege mit Bakterien besiedelt waren, kam es zu einer allergischen Reaktion. Waren die Mäuse dagegen erst zu einem Zeitpunkt, als ihre Atemwege bereits mit Bakterien besiedelt waren, mit Hausstaubmilben konfrontiert, trat keine allergische Reaktion auf. Marslands Schlussfolgerung aus seinen Versuchen ist, dass es bei Lebewesen wohl in der frühen Phase nach der Geburt ein Zeitfenster gibt, in dem sich entscheidet, ob später allergisches Asthma auftreten wird.

Dominik Hartl, Leiter der Pädiatrischen Infektiologie und Immunologie am Uniklinikum Tübingen, findet die Studie gut, gibt aber zu bedenken, dass „die neonatale Entwicklung bei Mensch und Maus, vor allem was die Lungenstruktur betrifft, durchaus etwas unterschiedlich verläuft. Aber möglicherweise lassen sich Hinweise auf die Vorgänge in der menschlichen Lunge ableiten.“ Auch die Asthmaforscherinnen im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) Erika von Mutius und die Kinderärztin Susanne Krauss-Etschmann finden zwar Marslands Studie hochinteressant, weil anhand der Labormäuse Entstehungspinzipien für allergisches Asthma erkennbar werden. Doch machen beide deutlich, dass bisher völlig unklar ist, inwieweit die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind. „Aber man kann sie nicht einfach vom Tisch wischen, zumal manche Daten mit epidemiologischen menschlichen Daten übereinstimmen“, sagt von Mutius. Es gibt jedoch noch keine Untersuchungen der Lungenbakterien. „Das wäre zwar wünschenswert, setzt aber eine endoskopische Untersuchung der menschlichen Lunge und der Abnahme von bakteriellem Material mit einem Bürstchen voraus. Und das macht niemand nur der Wissenschaft zuliebe“, sagt Krauss-Etschmann.