Ab sofort wird im Schloss fair gehandelter Kaffee ausgeschenkt. Was für eine vulgäre Idee.

Ludwigsburg - Wenn wir das Ludwigsburger Residenzschloss besuchen, erwarten wir Luxus. Und damit meinen wir gewiss nicht den luxuriösen Obolus, den wir erst mal an der Kasse entrichten müssen. Nein, wir denken an Luxus pur: An königliche Zimmerfluchten, verschnörkelte Möbel, tonnenweise Stuck und prachtvolle Kleider mit kilometerlangen Schleppen. Und damit auch das Menschlich-Allzumenschliche nicht zu kurz kommt, lauschen wir gern den Schlossführern, wenn sie Geschichten von beinahe allmächtigen Fürsten, ihrem habgierigen Hofstaat und den liebestollen Mätressen zum Besten geben. Die Hauptsache, alles ist Anekdote und möglichst nichts davon wahr.

 

Was wir weder sehen noch riechen wollen, ist etwas, das uns auch nur entfernt an unser kleines buckliges Kleinbürgerleben erinnert oder – noch viel schlimmer – an das Gegenteil von Luxus, also echtes Elend. Igitt! Bisher hatten das auch die Staatlichen Schlösser und Gärten verstanden.

Gold und Brokat

Sie hatten alles dafür getan, dass der Gast bei seinem Rundgang garantiert nicht mit etwas Echtem konfrontiert wurde, und dass keinem der gut geschulten Mitarbeiter versehentlich mal ein ungeschminkter Hinweis auf reale Begebenheiten herausgerutscht wäre. Ganz im Sinne der berühmten Faustformel für den klassischen Fremdenführer: Höchstens zwei Jahreszahlen und mindestens drei anzügliche Witzchen und das Ganze dann gut unter viel Pillepalle verrühren! Berichte von Hunger, Folter oder von verkauften Landeskindern werden dahin verbannt, wo sie hingehörten: unter den Mantel des Schweigens. Und selbst wenn mal im herzoglichen Schlafgemach ein bisschen Staub herumlag, war doch klar, dass es sich um den Staub der Jahrhunderte handelte, und an dem macht man sich bekanntlich nicht schmutzig.

Natürlich ist das Schloss im frühen 18. Jahrhundert erbaut worden und die Herrscher damals durften so ziemlich alles tun, wonach ihnen der Sinn stand. Für die meisten Normalsterblichen war das vielleicht nicht so schön, ja, für den ein oder anderen vielleicht sogar tödlich. Und wenn schon, ist doch nicht unsere Schuld. Das ist lange her und man nennt es Absolutismus. Aber das ist kein schönes Wort. Wir sagen deshalb lieber Barock dazu. Das klingt nach bombastischer Kunst, Geldverschwendung und rauschenden Festen. Und ein bisschen klingt es nach Märchen. Und das ist uns allen doch viel lieber, nicht wahr? Deshalb feiert Ludwigsburg jetzt auch seine Gründung vor 300 Jahren wie ein einziges großes Märchen aus Gold und Brokat.

Dumm nur, dass ausgerechnet jetzt die Schlossbeamten aus der Reihe tanzen müssen. Sie machen auf Gutmenschen und hören sich dabei schon so vulgär an wie Ökoaktivisten. Wir finden das degoutant. Diese Leute kredenzen im Schloss fair gehandelten Kaffee. Man stelle sich das mal vor. Kaffee – Schwarzes Gold – ja, aber Fairness! Wo soll das hinführen? Gerechtigkeit, allein das Wort war doch im gesamten Barockzeitalter tabu. Wer es trotzdem in den Mund genommen hat, hat in der Regel seine Kindheit nicht überlebt. Und jetzt kommen einem diese verbeamteten Schlossgewaltigen mit Fairness daher. Barock, wie tief bist du gesunken!

Echte Menschen?

Ja, freilich. Sie haben versucht, es ein bisschen zu kaschieren. Zum ersten fairen Schlosskaffee – selbstverständlich in Tassen aus Ludwigsburger Porzellan – wurden Tartes gereicht. Nach barockem Rezept, also „mit Rosmarin, Pomeranzenabrieb und Safran“. Das hatte Stil, aber es kann unsere Laune auch nicht mehr retten. Müssen wir doch stets an die Menschen denken, die die Bohnen für diesen Kaffee gepflückt haben.

Also an echte Menschen. Irgendwo in Ostafrika sollen die leben, in einem Land namens Burundi. Und denen soll es richtig dreckig gehen. Die sind sauarm, leben im Elend. Genauso wie die Untertanen des Schlosserbauers und Stadtgründers Eberhard Ludwig. Aber das wollten wir doch gar nicht wissen. Diese Spielverderber! Damit haben uns diese Schlossverwalter unser ganzes schönes Ludwigsburger Barock kaputt gemacht. Burundi-Kaffee, pfft! Dann doch lieber Caro-Kaffee.