Die Faschingszeit mit ihren Froschkutteln, Spaßterroristen und Gaudiholikern ist überstanden. Jetzt darf nüchtern gefragt werden: Warum kann hierzulande eigentlich nicht gefeiert werden, ohne Alkoholmissbrauch zu verherrlichen?

Ludwigsburg - Man muss Politiker nicht unbedingt mögen. Trotzdem muss man schon extrem kaltherzig sein, wenn einem der grüne Landespapa Winfried Kretschmann und sein CDU-Möchtegern-Nachfolger Guido Wolf nicht leidtäten bei einem extrem menschenverachtenden Spektakel. Zur Faschingszeit wurden die beiden Landesspitzen mal wieder eingeladen bei den lustigen Narren, irgendwo im oberschwäbischen Schwarzwald, auf der Alb oder sonst einem Landstrich, wo das schwäbisch-alemannische Brauchtum noch wichtiger ist als Politik. Beim dortigen „Froschkuttelnessen“ jedenfalls durften die beiden armen Tröpfe gute Miene zum bösen Spiel machen, allerhand Erniedrigungen erdulden, die stark an die Ekel-Rituale mancher TV-Dschungelgäste erinnern. Und das alles natürlich mit dem traditionellen Begleiter: Alkohol satt. In Medien aller Art tauchten die obligatorischen Bildchen der Protagonisten mit zwei Viertele Wein auf.

 

Alkohol als berauschender Selbstzweck?

Fernab der Riedlinger Froschkutteln sei hier mit weit erhobenem Zeigefinger gefragt: Warum nur gehört es offenbar zum Faschingsbrauchtum wie die Kuttel zum Frosch, dass der Alkohol keineswegs als Geschmacksträger oder maßvolles Genussvehikel dient, sondern vielmehr als dumpf berauschender Selbstzweck, als „Heute bin ich auch mal lustig“-Katalysator? Selbstkritisch sei hier in die allgemeine Medienschelte eingestimmt: Große, sogenannte Volksfeste werden, so will es die Tradition, bekanntlich nicht mit halbseitigen Fotos von Amtsinhabern mit Mineralwassergläsern eröffnet. Nein: es muss der Fassanstich sein, bei dem der kritische Journalist keineswegs die Frage stellt, warum sich eigentlich ein Rathauschef so eines geistlosen Marketing-Rituals zu Gunsten von Bierproduzenten unterziehen muss, sondern lediglich fragt: Wie viele Schläge hat der Herr Bürgermeister denn gebraucht?

Es gehört zu den Doppelbödigkeiten der hiesigen Festkultur, dass Massenveranstaltungen ohne massenhaften Ausschank meist minderwertiger alkoholischer Getränke undenkbar sind. Ohne amtliche Markierung mit dem Straßenschild „Achtung, Festbetrieb!“ würde der unkundige Passant oft gar nicht bemerken, dass es sich hier um eine Feier handelt. Allzu oft müsste der verräterische, schwäbische Veranstaltungstitel „Hocketse“ erweitert werden auf ein „Trinketse“. Die Alten singen „Eins, zwei g’suffa“, wundern sich aber am nächsten Tag, warum die bekanntlich immer verdorbenere Jugend sich mitunter in Disziplinen wie „Vorglühen“ (Alkoholmissbrauch vor dem Discobesuch) oder „Komasaufen“ übt.

In Festzelten wird feste zugeschlagen

Maß halten – das ist ein Gebot der Fastenzeit. Aber gleichzeitig auch eine Pflichttätigkeit für Würdenträger auf allen politischen Ebenen. Beim Vaihinger Maientag, der offiziell als Kinderfest firmiert, darf/muss der Oberbürgermeister schon frühmorgens den mit Wein gefüllten Löwenkrug leeren. Der Markgröninger Schäferlauf wäre undenkbar ohne schnapsträchtige Rituale in den frühen Morgenstunden. Aber dann die Überraschung: in den Festzelten wird feste zugeschlagen, je später der Abend, desto größer die Schlägerei-Wahrscheinlichkeit. Die Polizei, dein Freund und Spaßbremser, dringt bei Veranstaltern auf frühe Sperrstunden, weil in der Nacht quasi minütlich mehr Wachpersonal nötig wird. Es gilt bekanntlich als erste Bürgerpflicht, dass man anderen Menschen ihren Spaß gönnen möge. Die Frage ist nur: Kann man Spaß eigentlich auch mit weniger als zwei Promille im Blut haben?