Interdependenz ist eine feine Sache. Sie hat nur einen Nachteil: alles hängt mit allem zusammen. Die Chaostheorie macht auch vor dem Lokalen im beschaulichen Landkreis Ludwigsburg nicht Halt. Warum eigentlich?

Finanzfiasko - Es ist schon seit Edward Lorenz, dem Vater der Chaostheorie, traurige wissenschaftliche Gewissheit, dass in unserer Welt alles mit allem zusammenhängt. Der Schlag eines Schmetterlingsflügels in Shanghai kann in New York einen Tornado auslösen, hat Lorenz mehr oder weniger rechnerisch belegt. Das führt uns unweigerlich zum rechnenden Oberschmetterling im Landkreis: Albert Walter. Der Kreiskämmerer hat sich jüngst als Lorenz-Jünger geoutet. Er hat mit dem eiskalten Impetus eines Wissenschaftlers postuliert: alles hängt mit allem zusammen. Oder zumindest: der putzig-kleine Kreishaushalt hängt auch mit der Eurokrise, den Griechenlandwahlen und der Finanzpolitik der EU zusammen.

 

Bei letzterem Thema hat Walter seinem kleinen Bruder, Mario Draghi von der Europäischen Zentralbank, eine heftige Watsch’n verpasst. „Die Null-Zins-Politik der europäischen Zentralbank“ könne „auf Dauer keine Abhilfe schaffen“, lautet Walters wissenschaftliche Erkenntnis im Vorbericht zum Kreishaushaltsplan für 2016. Nebenbei ging Walter dabei auch noch mit der Griechenlandwahl ins Gericht („Leichte Fortschritte“ seien „Anfang 2015 wieder gekonnt ins Gegenteil verwandelt“ worden) und mahnt noch „dringende Reformen“ in Frankreich und Italien an.

„Sie machen die Griechenlandwahl nieder!“

Natürlich weigern sich die ökosozialen Spinner im Kreistag, diesen objektiven Tatsachen ins Auge zu blicken. „Sie machen die Griechenlandwahl nieder, so etwas gehört nicht in einen Haushalt“, schimpfte jüngst Peter-Michael Valet, der Oberchaot der Grünen. Hans-Jürgen Kemmerle von den Linken sekundierte: „Wir bitten, Kommentare zur europäischen Politik im Haushaltsplan künftig zu unterlassen.“ Gut, dass es noch Stimmen der Vernunft in diesem chaotischen Gremium gibt. Jürgen Kessing, OB von Bietigheim-Bissingen und SPD-Cheftheoretiker, sagte: „Hier werden nur die externen Haushaltsrisiken benannt – und zwar wertfrei.“ Auch der Erfinder der Vernunft im Kreishaus, Landrat Rainer Haas betonte, die lapidare Abrechnung mit der europäischen Fiskalpolitik sei „nur auf Fakten bezogen“ gewesen. Wir halten deshalb fest: Sollte Italien nicht endlich seinen faulen Beamten die Bezüge und Pensionen kürzen, muss nächstes Jahr die Kreisumlage auf 68 Prozentpunkte steigen. Und wenn Draghis Null-Zins-Politik weiter Null Erfolg zeitigt, können wir uns die Pläne für eine neue Stadtbahn Markgröningen-Ludwigsburg-Remseck abschminken.

Theoretisch ist Sport praktisch

Abschminken müssen (oder dürfen) sich zurzeit auch viele, viele Schüler den Unterricht in Leibesertüchtigung. Weil eben alles mit allem zusammenhängt (Schmetterling!) und die Vielzahl von Flüchtlingen eine Beschlagnahmung vieler Sporthallen erzwang, gibt es für viele jetzt Theorie statt Praxis. Was für ein Geschenk des Himmels! Endlich bleibt (mangels Raum) Zeit, junge Leute über Sport-Theorie aufzuklären. Das fängt an beim alltäglichen „Theoretisch sollte ich jetzt Sport treiben“, geht weiter über den Regionalsport („Theoretisch kann der VfB Stuttgart gar nicht absteigen“) und reicht bis hin zu den großen sporttheoretischen Fragen: wie kommt es, dass uns eine korrupte Clique rund um Kaiser Franz eine derbe Schmierenkomödie als Sommermärchen verkaufen konnte? Wie legt man am besten sein Schwarzgeld an, wenn man sportliche Zinsen will (Fifa-Anleihen)? Und: wohnt, wenn in einem gesunden Körper ein gesunder Geist wohnt, damit automatisch in einem kränklichen Körper auch ein Geisteskranker?

Der Kreishaushaltsplan für 2016 bleibt dazu leider Antworten schuldig.