Bürgerinitiativen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Heute haben sie vieles mit Atomkraftwerken gemeinsam: im Kern wird Spalterei betrieben.
Spaltungen - Wir feiern demnächst 25 Jahre Wiedervereinigung. Dabei ist, so könnte man meinen, unsere Nation gespaltener denn je. Wir meinen hier nicht Zersplitterungen à la Sachsenheim, wo zahllose Weiler im Kirbachtal mehr oder minder ihr eigenes Süppchen kochen. Die Rede ist auch nicht von der atomaren Kernspaltung zu Zwecken der angeblich preiswerten Energiegewinnung im nahen Neckarwestheim. Nein: gemeint sind die Zwie- und Abspaltungen, die in jüngster Zeit vermehrt um sich greifen.
Nehmen wir besagtes Kirbachtal. Im kleinen Örtchen Spielberg wollte die Kreisverwaltung ein Spielchen spielen, das den Dorfbewohnern gar nicht gefiel. 50 oder mehr Flüchtlinge sollten in dem 350-Seelen-Ort in der ehemaligen Gaststätte Ochsen untergebracht werden. Es folgte ein Aufschrei und – was sonst? – eine Spaltung. Die einen, wir unterstellen: die Mehrzahl, vertrat die lupenreine Position eines „Ja, aber!“. Flüchtlinge unterzubringen sei nun einmal nötig, aber bitte: nicht so viele, da man wohl kaum erwarten könne, dass plötzlich der ganze Ort dem Arbeitskreis Asyl beitritt. Die anderen hingegen sagen: „Nein, aber!“ Unter der Regie des ehemaligen Ortsvorstehers versuchen sie (wir vermuten: noch immer), den Ochsen zurückzukaufen, um dort wieder Zwiebelrostbraten zu brutzeln.
„Life of Brian“ lässt grüßen
Das Treiben erinnert mitunter an den Filmklassiker „Life of Brian“ der britischen Komödiantengruppe Monty Python. Hier sind sich alle einig im Kampf gegen den Bösen Feind (Römer respektive Landratsamt), es konkurrieren aber die Subgruppen Judäische Volksfront (bzw. „Wir wollen nicht so viele Flüchtlinge“) und die Volksfront von Judäa („Wir wollen nicht so viele Flüchtlinge und den alten Ochsen zurück“). (Von der Populären Front jetzt mal ganz zu schweigen)
Spalter und Subgruppen lassen sich zurzeit auch in Bietigheim-Bissingen beobachten. Hier hat die Judäische Volksfront die klare Botschaft: Eine Biogutvergärungsanlage des Kreises ist gut und schön – aber bitte nicht vor unserer Haustür. Oder allenfalls irgendwo jwd in einem Gewerbegebiet. Die Volksfront von Judäa hingegen sagt: so eine Anlage, gut und schön, aber bitte höchstens im Gelände des Steinbruchs Fink.
Auch bei Konten wird haarig gespalten
Was lernen wir daraus? Bürgerinitiativen sind manchmal wie das Innerste von Atomkraftwerken – im Kern gespalten. Einig hingegen sind sich die allermeisten Menschen im Landkreis bei der Wahl ihrer Hausbank: Weit mehr als 200 000 Menschen (das ist knapp jeder zweite) haben ein Girokonto bei der Kreissparkasse Ludwigsburg. Aber auch hier gibt es Spaltereien.
Genauer genommen: Haarspaltereien. Es gibt tatsächlich Kunden, die es stört, dass die Sparkasse jüngst mitteilte, sie müsse bei den Gebühren für ihre Girokarte eine „geringfügige Preisanpassung vornehmen“. Im Klartext: das Plastikscheibchen kostet nächstes Jahr zehn Euro statt bisher sechs Euro pro Jahr. Pro Monat seien das ja nur 33 Cent, rechnet der Sparkassen-Kundenservice freundlich vor.
Mit 15 000 Euro ist alles wieder abgegolten
Doch die Haarspalter, die ewig Gestrigen, die immer, immer nur das Negative sehen wollen, rechnen dagegen: Das entspreche einer Steigerung von 66 Prozent! In Zeiten von Magerzinsen stelle sich die ketzerische Frage, welcher Mehrwert für den Kunden dem gegenüber stehe. Es wäre natürlich eine polemische Relativierung, wenn man behauptet: die Banken werben ja auch nicht mit absoluten Zahlen, wenn’s um ihre Zinsen geht, à la: „Wenn Du 100 Euro ein Jahr lang bei uns anlegst, kriegst Du einen Euro.“ Zinsen werden in Prozentzahlen angegeben. Wenn man also als Kleinsparer bei der Kreissparkasse ein Jahr lang 400 Euro auf die Hohe Kante legt, dann hat man die Gebührenerhöhung schon wieder drin. Aber hoppla: beim Online-Geldmarktkonto gibt es ja nicht 1,0, sondern 0,03 Prozent. Zu geringfügig? Dann legt man halt für denselben Effekt schlappe 15 000 Euro an – dann langt’s sogar noch für einen Kugelschreiber.