Das Team Fehlzündung startet Ende April bei der Allgäu-Orient-Rallye. Die 7777 Kilometer lange Strecke führt von Oberstaufen nach Teheran.

Familie/Bildung/Soziales: Alexandra Kratz (atz)

Möhringen - Es ist ein Abenteuer und eine persönliche Prüfung. So sieht es Sandra Widmann. Normalerweise sitzt die 26-Jährige adrett gekleidet im Hosenanzug im Büro. Und kaum einer traut ihr zu, dass sie im Frühling in einem alten Mercedes quer durch die Pampa fahren wird. „Bislang habe ich für den Urlaub immer eher Städtereisen gebucht“, sagt Widmann und lacht. Und von Autos habe sie keine Ahnung. Joshua Donalis geht es ähnlich. „Ich bin der All-inclusive-Autoleasing-Typ. Wenn bei meinem Wagen das Scheibenwischwasser nachgefüllt werden muss, fahre ich in die Werkstatt“, sagt der 30-Jährige.

 

Das ist sicher nicht ganz ernst gemeint, macht aber doch deutlich, wie außergewöhnlich die Reise für die sechs jungen Menschen aus Möhringen und Degerloch ist. Immerhin: Peter Woik kennt sich mit Autos aus. Er bezeichnet sich selbst als Hobby-Mechaniker und hat schon viel gebastelt und getüftelt. Katharina Kolb, Christopher Kelsch und Carlos Köhler komplettieren das Team mit dem Namen Fehlzündung. Zusammen fahren sie Ende April nach Oberstaufen, wo am 30. April die Allgäu-Orient-Rallye beginnt.

Auf der Suche nach passenden Autos

Bis dahin ist noch viel zu tun. Vor allem braucht das Team ein drittes Auto. Denn bei der zweitgrößten Rallye der Welt gehen sechs Teammitglieder mit drei Autos auf die vermutlich 7777 Kilometer lange Strecke gen Osten. Wahlweise kann ein Auto durch zwei Motorräder ersetzt werden. Aber das möchte das Team von den Fildern nicht. Die Sechsergruppe hat sich auf Wagen aus dem Ländle festgelegt, genauer gesagt auf den Mercedes E-Klasse Kombi. Das mag luxuriös klingen, ist es aber nicht. Denn die Autos müssen mindestens 20 Jahre alt sein oder dürfen einen Marktwert von 1111 Euro nicht überschreiten. So steht es in den Regeln für die Rallye.

„Es ist gar nicht so leicht, an die passenden Gefährte ranzukommen“, sagt Carlos Köhler. Er und seine Mitstreiter haben Anzeigen im Internet gesucht und auf diese Weise immerhin zwei Autos gefunden. Das eine heißt „Schnegge“, das andere „Prinzessin“. Das dritte Auto soll den Namen Perle bekommen. Es wird ein Mercedes der selben Baureihe sein. „Das ergibt Sinn“, sagt Woik. Denn so muss er sich mit nur einem Autotyp auseinander setzen. Und bei Bedarf können Teile von einem Wagen in einen anderen umgebaut werden. Denn es reicht, wenn zwei der drei Autos ins Ziel kommen.

Irgendwas geht immer schief

„Die Rallye ist darauf angelegt, dass irgendetwas dazwischen kommt, dass wir mit den Autos irgendwo liegen bleiben“, sagt Köhler. Das mache den Reiz der Sache aus. Denn bei der Allgäu-Orient-Rallye geht es nicht nur um den Spaß, sondern darum, andere Menschen und Kulturen kennenzulernen. Und darum, Gutes zu tun. „Der Charity-Gedanke steht im Mittelpunkt“, sagt Widmann.

Alle Autos, die das Ziel erreichen, werden vor Ort verkauft. Mit dem Erlös unterstützt der Veranstalter soziale Projekte. Zudem erfüllen die Teams unterwegs verschiedene Aufgaben. Sie müssen zum Beispiel Kranken- und Waisenhäuser ansteuern, um Medikamente, Spielsachen oder Kleiderspenden abzugeben. Es gebe viele Möglichkeiten zu helfen, sagt Widmann. Mal bekommen die Kinder Winterschuhe, ein anderes Mal Schulranzen. 2011 verpflichtete der Veranstalter jedes Team, eine Nähmaschine mitzunehmen. Mit diesen konnten drei Schulen für Frauen in Anatolien ausgestattet werden. Das Siegerteam bekommt übrigens ein echtes Kamel. Die Gewinner verschenken dieses in der Regel an einen Beduinen oder Farmer und schaffen so für einen armen Menschen eine Existenzgrundlage.

Im Zick-Zack-Kurs gen Osten

Um sicher zu stellen, dass die Rallye-Teilnehmer Land und Leute kennenlernen, gibt es einige Regeln. Die Strecke führt im Zick-Zack-Kurs durch die Länder. Die Teilnehmer dürfen keine Navigationsgeräte benutzen. Fähren, Autobahnen und alle mautpflichtigen Strecken sind verboten. Pro Tag dürfen die Autos maximal 666 Kilometer zurücklegen. Der Veranstalter gibt im Vorfeld bewusst nur wenig über die genaue Strecke bekannt, damit sich die Teilnehmer nicht zu detailliert vorbereiten. Sie sollen sich mit der Landkarte und dem Kompass durchschlagen.

„Wir werden uns verfahren, und wir werden Einheimische um Hilfe bitten müssen“, ist sich Köhler sicher. Er freue sich auf diese Begegnungen und darauf, einmal „hinter die Kulissen zu schauen“. Um in der Pampa nicht hoffnungslos verloren zu sein, müssen Vorbereitungen getroffen werden. Peter Woik baut die Autos ein wenig um. Geplant ist, die Rücksitze auszubauen und auf halber Höhe eine Sperrholzplatte hineinzulegen. Darunter ist Platz fürs Gepäck. Darüber wird geschlafen. Die Wagen bekommen spezielle Scheinwerfer und Funkgeräte. „Unterwegs werden Bleche und Gaffer-Klebeband unsere treuen Begleiter sein“, sagt Köhler.

Rallye endet in Teheran

Traditionell endet die Rallye in Amman in Jordanien. Doch wegen des Syrienkriegs ist die Stadt derzeit auf dem Landweg nicht sicher zu erreichen. 2011 wurde daher kurzerhand die Türkei zum Zielland erklärt. In manchen Jahren legten die Teilnehmer auch das letzte Stück der Strecke bis nach Amman mit der Fähre und dem Flugzeug zurück. Auf Dauer kostet das aber zu viel. Darum endet die Rallye in diesem Jahr in Teheran im Iran. Die Sicherheit gehe vor, schreibt der Veranstalter auf der offiziellen Internetseite zur Rallye. Auch das Team aus Möhringen und Degerloch hat eine Übereinkunft getroffen: „Wenn irgendeiner nicht weiterfahren kann oder möchte, dann geben wir auf“, betont Widmann.

Crowdfunding hat begonnen

Jedes Teammitglied finanziert selbst seine Reisekosten und bringt dafür etwa 2000 Euro auf. Darüber hinaus sind die Rallyefahrer aber auf Spenden angewiesen. Beispielsweise um die Autos zu finanzieren, die am Ende vor Ort verkauft werden, um mit dem Geld Gutes zu tun. Die sechs Abenteurer haben schon einige Sponsoren gefunden. Dazu zählen der Vaihinger Sanitärbetrieb Andreas Lutz und die Allianz Reutlingen. Im August und September fanden im Waldheim Degerloch Promo-Aktionen statt, um Privatpersonen zum Spenden zu animieren. Seit Anfang Januar steht das Projekt auf BW Crowd. Das ist eine Internetseite der BW-Bank. Beim Crowdfunding geht es darum, dass viele Menschen mit vielen kleinen Beträgen ein großes Projekt finanzieren. Die BW Bank bezuschusst dabei jede Einzahlung von fünf Euro an wiederum mit fünf Euro. Das Ziel sind 5555 Euro. Es gilt das alles oder nichts Prinzip. Weitere Infos stehen im Internet unter www.bw-crowd.de/charityrallye.

Aktuelle Informationen
zur Allgäu-Orient-Rallye und zu den Abenteurern von den Fildern gibt es unter www.team-fehlzuendung.de.