Die Abgeordneten haben im Bundestag über eine Corona-Impfpflicht debattiert. Nach der Debatte ist klar: Eine allgemeine Impfpflicht in Deutschland wird immer unwahrscheinlicher.

Baden-Württemberg: Florian Dürr (fid)

Omikron kommt den Gegnern einer allgemeinen Impfpflicht offensichtlich sehr gelegen. Seit diese Coronavariante hierzulande vorherrschend grassiert, kommt es zwar immer wieder zu neuen Rekordwerten bei Inzidenzen und Neuansteckungen, aber von einer Überlastung des Gesundheitssystems ist Deutschland weit entfernt. Zudem stecken sich auch vermehrt Geimpfte und Geboosterte an. Die ohnehin umstrittene allgemeine Impfpflicht wird durch Omikron also noch unwahrscheinlicher.

 

Alice Weidel: „Sie reiten ein totes Pferd, bitte steigen Sie ab“

Das merken auch die Befürworter unter den Abgeordneten, als sie am Donnerstag im Bundestag noch einmal eindringlich für eine Impfpflicht werben, etwa mit dem Argument, dass die Wahrscheinlichkeit eines schweren Krankheitsverlaufs bei Geimpften geringer ist. Eine Impfpflicht für alle Erwachsenen wird von vielen Abgeordneten aus den Ampelfraktionen befürwortet. Unter den Unterstützern dieses Antrags finden sich auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Eine Minderheit kann nicht diktieren, wie eine Mehrheit in diesem Land lebt. Inzwischen weiß jeder, dass Impfen schützt“, sagt die Vizepräsidentin des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Man habe jetzt noch das eine „scharfe Schwert, um die Freiheit zurückzubekommen“.

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Die Impfpflicht sei „tot“, sagt dagegen der Abgeordnete Sepp Müller (CDU/CSU) in seiner Rede, und die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel richtet sich an die Befürworter mit den Worten: „Sie reiten ein totes Pferd, bitte steigen Sie ab.“

„Die Entscheidung über die eigene Gesundheit liegt bei jedem selbst“

Omikron liefert den Gegnern Argumente, die sie selbstbewusst vortragen. So erwähnen einige Abgeordnete das Beispiel Österreich, wo die beschlossene allgemeine Impfpflicht erst kürzlich wieder ausgesetzt wurde – zunächst für drei Monate. Aufgrund der im Vergleich zur Delta-Variante milderen Krankheitsverläufe sei die allgemeine Impfpflicht nicht verhältnismäßig, lautete die offizielle Begründung aus Österreich.

Auch Manuel Höferlin (FDP) erwähnte Deutschlands Nachbarland, um seine Argumente zu untermauern. Der Liberale unterstützt den interfraktionellen Antrag mit einem Nein zur Impfpflicht, für den sich auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht (beide Linke) aussprechen. „Die, die bis jetzt nicht geimpft sind, wollen sich wahrscheinlich auch nicht impfen lassen. Die Entscheidung über die eigene Gesundheit liegt bei jedem selbst“, sagt Höferlin.

Für Kanzler Scholz kann das nur eine Niederlage sein

Eine Gruppe von Ampelabgeordneten um Andrew Ullmann (FDP) befürwortet eine altersbezogene Impfpflicht ab 50 Jahren. Die Unionsfraktion wiederum will eine Art gestaffelte Impfpflicht auf Vorrat, die bei verschärfter Pandemielage aktiviert werden soll.

Aber für keinen Vorschlag gibt es derzeit eine Mehrheit im Bundestag. Das hat auch die Debatte am Donnerstag gezeigt. Die SPD-Abgeordnete Heike Baehrens flehte die Opposition fast schon an, für eine allgemeine Impfpflicht zu stimmen: „Liebe CDU/CSU-Fraktion, warten Sie nicht länger ab, gehen Sie mit uns den Weg der Vorsorge.“ Für Kanzler Scholz kann das nur eine Niederlage sein: Er hatte eindringlich für die allgemeine Impfpflicht geworben und sich für fraktionsunabhängige Gruppenanträge ausgesprochen. Genützt hat ihm das nichts.