Lebensversicherungen brauchen die Vergleiche mit anderen Anlageformen nicht zu scheuen, sagt Markus Faulhaber, der neue Chef von Allianz Leben, und verweist auf eine Gesamtverzinsung von 4,5 Prozent.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)
StuttgartLebensversicherungen sammeln jährlich Milliarden an Kundengeldern ein. Wie sicher sind ihre Anlagen in Zeiten der Eurokrise? Markus Faulhaber, der neue Chef von Allianz Leben, antwortet auf die drängendsten Fragen.
Herr Faulhaber, was können Anleger künftig von der Lebensversicherung erwarten? Der Garantiezins – 1,75 Prozent – liegt kaum über der Rendite zehnjähriger Bundesanleihen. Das lockt doch kaum jemanden hinterm Ofen hervor.
Das sehe ich nicht so. Der Vorsorgebedarf ist enorm und Allianz Leben hat die richtigen Produkte für Altersvorsorge, Hinterbliebenenversorgung, Berufsunfähigkeit und Pflege. Sagen Sie mir ein anderes Produkt, das Ihnen über 30 Jahre und mehr eine verlässliche Garantie gibt. Und das mit einem Zins von 1,75 Prozent. Das ist in der heutigen Zeit nicht zu verachten.

Aber das ist ja nicht das entscheidende Verkaufsargument für Allianz Leben. Sie haben früher eine Gewinnbeteiligung von deutlich über vier Prozent gezahlt. Inzwischen wurde diese laufende Verzinsung auf 4,0 Prozent gesenkt und liegt nur noch minimal über dem Branchenschnitt.
Zusammen mit dem sogenannten Schlussüberschuss und der Sockelbeteiligung an den Bewertungsreserven bietet Allianz Leben aktuell eine Gesamtverzinsung von 4,5 Prozent. Lebens- und Rentenversicherungen müssen keinen Vergleich mit anderen Anlageformen scheuen.

Auch für Sie wird bei historisch niedrigen Zinsen das Polster dünner. Auf was müssen sich die Kunden einstellen?
Wir haben 2011 eine Verzinsung unserer Kapitalanlagen von 4,6 Prozent erreicht, selbst bei Neuanlagen kommen wir auf durchschnittlich vier Prozent. Unser Spektrum bei den Kapitalanlagen ist sehr breit. Allianz Leben hat den Vorteil, dass wir das Anlage-Know-how eines weltweit tätigen Konzerns nutzen können und auch weltweit anlegen. Niedrige Zinsen können wir eine Zeit lang über unsere Reserven ausgleichen. Bleibt das Niveau über mehrere Jahre niedrig, müssen wir die Renditen selbstverständlich nach unten anpassen. Ob die Gesamtverzinsung für 2013 erneut gesenkt wird, vermag ich heute noch nicht zu sagen.

Zum Jahresende werden die gesetzlich geforderten Unisextarife eingeführt: identisch kalkulierte Tarife für Frauen und Männer. Wie bereitet sich Allianz Leben darauf vor?
Wir bieten heute schon sogenannte Übergangstarife an. Frauen bekommen etwa Rentenversicherungen bereits heute zu den günstigeren Tarifen. Männer, die eine Rentenversicherung abschließen wollen, sind dagegen auf jeden Fall gut beraten, das noch 2012 zu tun. Im nächsten Jahr wird’s für sie mit Unisex teurer.

Bei welchen Versicherungsarten wird künftig welches Geschlecht profitieren?
Bisher zahlen Frauen für Rentenversicherungen, Berufsunfähigkeitsschutz und die Pflegeabsicherung einen höheren Beitrag. Für sie wird es also nächstes Jahr günstiger. Bei der Pflegeversicherung ist die Differenz aktuell am größten: Hier zahlen Männer aktuell rund 30 Prozent weniger. Umgekehrt werden Risikolebensversicherungen für Frauen um circa ein Drittel teurer werden. Hier sparen künftig die Männer.

Wird man sich bei der Angleichung der Tarife wirklich immer in der Mitte treffen?
Nein. Bislang belaufen sich die Preisunterschiede zwischen Männern und Frauen bei der Rentenversicherung auf etwa acht Prozent. Die neuen Sätze werden im Schnitt etwas höher liegen, für Männer wird damit der Versicherungsschutz teurer werden, Frauen können mit einem niedrigeren Beitrag rechnen. Die Versicherungen müssen mit einem Puffer kalkulieren, weil sie nicht wissen, wie das Geschlechterverhältnis künftig sein wird.

Fürchten Sie, künftig weniger männliche Kunden gewinnen zu können?
Nein. Die Riester-Renten-Tarife wurden bereits 2006 auf Unisextarife umgestellt. Es hat sich gezeigt: Männer nutzen weiterhin die staatlich geförderte Altersvorsorge.

Wie ist denn das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Kunden? Männer verdienen mehr als Frauen und können sich entsprechend besser absichern.
Über alle Produktgruppen hinweg beträgt das Verhältnis etwa 60 Prozent Männer und 40 Prozent Frauen. Bisher war die Erfahrung: der individuelle Vorsorgebedarf und nicht der Preisunterschied zwischen Männern und Frauen spielt letztlich die entscheidende Rolle, wie man an der Risikolebensversicherung sieht. Diese ist bisher schon hauptsächlich von Männern gekauft worden.

Das Thema Sicherheit bei der Geldanlage beschäftigt die Menschen wie selten zuvor. Welche Strategien verfolgt Allianz Leben bei der Kapitalanlage?
Allianz Leben nutzt natürlich den Vorteil, dass wir sehr lange mit den von den Kunden eingezahlten Geldern wirtschaften: So können wir gezielt in langfristige Anlagen mit attraktiven Renditen investieren. Andere Investoren müssen sich Sicherheit teuer, etwa über Derivate, erkaufen. Wir können uns dank eines starken Versicherungskollektivs und des langen Anlagehorizontes kostengünstig absichern. Ein Beispiel: Wir investieren seit einiger Zeit in langfristige Infrastrukturprojekte wie Gaspipelines und alternative Energien.

Um welche Summen geht es da? Welche Risiken gehen Sie bei diesen Investments ein?
Der Umfang ist aktuell noch nicht so beträchtlich, aber wir schauen uns eine wachsende Anzahl von Projekten an. Gaspipelines liefern etwa nahezu risikofrei und gleichmäßig Erträge. Die Renditen liegen zwischen sechs und neun Prozent. Leider gibt es noch nicht so viele Projekte. Wir würden auf dem Gebiet gerne mehr machen. Derzeit sind wir mit rund zwei Prozent unserer Kapitalanlagen in alternative Anlageformen investiert.

Was ist mit Engagements in den europäischen Krisenländern?
Aus Griechenland, Irland und Portugal hat sich die Allianz Leben zurückgezogen. In spanischen Staatsanleihen sind wir so gut wie gar nicht engagiert. Die einzige Ausnahme ist Italien. Das Land wird von unseren Ökonomen als deutlich stabiler eingeschätzt als die übrigen GIIPS-Staaten. Wir haben hier rund drei Prozent unserer Kapitalanlagen investiert.

Wie bereitet sich Allianz Leben auf das heftig umstrittene Regelwerk für die Branche, Solvency II, vor?
Der Hauptzweck von Solvency II ist ja sicherzustellen, dass die Kapitalanlagenseite der Versicherer zu den langfristigen Zusagen an die Kunden passt und dies jederzeit überprüft werden kann. Wir haben unsere Produkte und unsere Kapitalanlage längst an die neuen Modelle angepasst.

Welche Fehler sehen Sie bei den Grundannahmen von Solvency II?
Einige Kapitalanlagen gelten unter Solvency II als risikoreich, obwohl die Versicherer hier de facto kein Risiko eingehen aufgrund ihrer langfristigen Orientierung. Der Ansatz ist, wie bei den Banken auch, Risiken nach dem aktuellen Marktwert der Anlage zu bewerten. Aber der Marktwert einer zehn- oder 15-jährigen Bundesanleihe ist für uns als Versicherung nicht ausschlaggebend. Wir handeln ja nicht täglich mit den Produkten. Für uns ist die Ausfallwahrscheinlichkeit das Maß der Dinge. Grundsätzlich ist es ein Fehler des Modells, langfristige Auszahlungsverpflichtungen auf der einen Seite mit kurzfristigen Marktschwankungen auf der anderen Seite der Bilanz in Beziehung zu setzen. Wir halten die Anlagen auch lange. Hier hat die Branche Vorschläge gemacht, die diese Korrelation aufheben, damit bei den Versicherungen Risikokapitalbedarf nicht künstlich erzeugt wird.

Wird sich denn die Spreu vom Weizen in der Branche stärker trennen? Es gibt ja Versicherungen, die schon angekündigt haben, dass die Kunden künftig einen größeren Teil des Kapitalanlagerisikos tragen müssen – das hört sich nicht gut an.
Ich kann nur für Allianz Leben sprechen. Wir verfügen über die mit Abstand höchsten Reserven im Markt und haben deshalb keine Probleme.

Kommen wir zum Reizthema Provisionen. In Großbritannien ist es verboten, Provisionen für Altersvorsorgeprodukte zu verlangen, in anderen europäischen Ländern gibt es vorgeschriebene Höchstgrenzen. Ein EU-Richtlinienentwurf sieht nun vor, dass bei Lebensversicherungen vollständige Kostentransparenz geschaffen werden soll. Wie stehen Sie zu dem Vorschlag?
Eines vorweg: der einzige Weg, in Deutschland Versicherungen zu verkaufen, ist meines Erachtens der Weg über Provisionen. Die Leute wollen nur im Erfolgsfall, also bei Abschluss, bezahlen. Modelle, die auf der Bezahlung von Beratung basieren, Stichwort Honorarberatung, werden nur sehr wenig genutzt.

In welcher Form müsste Allianz Leben auf die neuen Vorschläge aus Brüssel reagieren?
Wir weisen schon seit Anfang 2011 in jedem Vertrag mit unserer Gesamtkostenquote aus, wie stark die Rendite durch die Summe aller Kosten geschmälert wird, also durch Abschlusskosten und Verwaltungskosten. Damit sind wir fast die Einzigen in der Branche.

Und wie weist Allianz Leben die Kosten in Relation zu den Beiträgen aus? In Euro oder, wie vielfach gefordert wird, auch in Prozent? Erst dadurch entsteht doch eine Vergleichbarkeit mit anderen Anlageklassen und Konkurrenzprodukten. Die Höhe der zu erwartenden Rendite ist ja ungewiss.
Wir sind gesetzlich verpflichtet, die Kosten in Euro und Cent auszuweisen. Das machen wir auch. Doch mit den absoluten Beträgen fängt ja niemand wirklich etwas an. Die Kunden brauchen einen Maßstab: Wir weisen die Kosten in Bezug auf die Rendite aus. Wenn dies alle in der Branche machten, könnten die Kunden die Rendite nach Kosten direkt miteinander vergleichen.