Stuttgarts Volleyballerinnen haben nach dem 3:2-Sieg in Schwerin das Finale um die Deutsche Meisterschaft erreicht, in dem sie auf Dresden oder Wiesbaden treffen. Den Pokalsieg hat die Mannschaft bereits, jetzt will sie das Double.

Stuttgart - Es ist ein Moment der extremen Emotionen. Kim Renkema sackt mitten im Feld auf die Knie. Ihre Mitspielerinnen von Allianz MTV Stuttgart verbinden sich am Netz zu einem einzigen blau-weißen Jubelknäuel. Der Trainer des Volleyball-Bundesligisten, Guillermo Naranjo Hernandez, wirft sich vor seiner Trainerbank rücklings auf den Hallenboden und lässt seinen Gefühlen freien Lauf. „Es war die totale Befreiung“, sagt der Spanier rückblickend. Sekunden zuvor hat Jelena Wlk den Matchball zum 3:2-Sieg (25:20, 15:25, 14:25, 26:24, 15:12) gegen den Schweriner SC verwandelt. Ihr Team steht damit zum ersten Mal in der Finalserie der Play-offs um die Deutsche Meisterschaft. Der Gegner steht noch nicht fest.

 

Wie schon im Pokalfinale, als sie zur besten Spielerin des Endspiels gekürt wurde, kam das 21-jährige Eigengewächs am Samstagabend als Joker in die Partie und holte für ihr Team die Kohlen aus dem Feuer. Denn vor 1835 Zuschauern in der Schweriner Arena gewann Allianz MTV Stuttgart zwar den ersten Spielabschnitt – doch schon im zweiten und dritten Satz fegte der Schweriner SC wie ein Orkan über den Gegner hinweg. Mit starken Aufschlägen ließen die Gastgeberinnen Stuttgart nicht ins Spiel kommen, und die wenigen MTV-Angriffe prallten gegen den scheinbar unüberwindbaren Block.

Vor allem die beiden größten Schwerinerinnen Lonneke Sloetjes und Anja Brandt blockten und punkteten sich in dieser Phase zum Stuttgarter Albtraum. „Unsere Annahme war zu diesem Zeitpunkt sehr schlecht, wir waren nervös. Ich dachte, wir verlieren“, sagte Hernandez. Mit 25:15 und 25:14 sicherte sich der Schweriner SC hochüberlegen die Sätze zwei und drei.

Doch der Stuttgarter Trainer reagierte auf die Krise seines Teams mit einer Taktik, die sich bereits im Pokalfinale bewährt hatte. Er brachte Wlk für Katherine Harms in die Partie und stellte sie auf die Außenangreiferposition, damit sich Renata Sandor auf der Diagonalposition voll auf ihre Angriffe konzentrieren konnte. Doch obwohl sich Stuttgart im dritten Durchgang steigerte, erspielte sich Schwerin drei Matchbälle (24:21). Nur einen davon hätte das Team verwandeln müssen, um ein entscheidendes drittes Spiel in Stuttgart zu erzwingen. Doch Allianz MTV verhinderte dies mit einer unfassbaren Energieleistung. „Eigentlich hatten wir schon verloren, aber wir wollten einfach unbedingt gewinnen“, sagte die Spielführerin Renkema.

Mit fünf Punkten in Folge entriss ihr Team dem Gegner den schon sicheren Sieg, das Selbstvertrauen und jeden Glauben an das Finale. Denn Schwerin sollte sich von diesem Nackenschlag nicht mehr erholen. Der psychologische Vorteil lag auf Seiten der Stuttgarterinnen. Beim Stand von 14:12 im Tiebreak schlug dann der Moment von Joker Jelena Wlk: „Ich wusste, dass sie nicht mit mir rechnen, deshalb wollte ich den Ball unbedingt haben.“ Sie jagte ihn ins gegnerische Feld. Was folgte, waren dann Emotionen pur.

Ganz entspannt kann Allianz MTV Stuttgart nun dagegen verfolgen, wer der Gegner in der Endspielserie („best of five“) um die Deutsche Meisterschaft sein wird. Nachdem der Dresdner SC das Hinspiel noch mit 3:0 gewonnen hatte, siegte im Rückspiel völlig überraschend der Außenseiter aus Wiesbaden 3:0. Damit steht es in der zweiten Halbfinalserie nun 1:1, und ein drittes Spiel am nächsten Sonntag muss die Entscheidung bringen.

Sollte sich erwartungsgemäß der Hauptrundenerste aus Dresden durchsetzen, müsste Stuttgart am 18. April zunächst in der sächsischen Landeshauptstadt ran. Sollte sich dagegen der 1. VC Wiesbaden durchsetzen, würde Allianz MTV Stuttgart aufgrund der besseren Hauptrundenplatzierung das erste Spiel am 18. April (19.30 Uhr) in der Scharrena austragen. Für Renkema spielt der Gegner kaum eine Rolle: „Wir haben gegen beide Teams große Chancen. Wir wollen jetzt das Double.“

Ihr Trainer freut sich dagegen erst einmal über drei trainingsfreie Tage. „Die Mädels sind gerade sehr müde. Wir müssen uns jetzt erholen und dann wieder angreifen“, sagt er. Durch den Sieg in Schwerin hat sein Team zumindest bewiesen, dass es zu allem fähig ist.