Die Achterbahnfahrt der Gefühle endete in einem emotionalen Ausbruch, wie ihn die Scharrena noch nicht erlebt hat: Nach drei abgewehrten Matchbällen gewannen die Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart gegen den Dresdner SC. Es war ein Sieg des Willens. Und der jungen Wilden.

Stuttgart - Als die Jubelorgie vorbei war und sich die Lautstärke in der Scharrena wieder auf Normalmaß eingependelt hatte, stand Kim Renkema in einer Ecke der Halle und schüttelte ungläubig den Kopf. Sie musste erst einmal verarbeiten, was in den letzten Minuten dieses dramatischen Volleyballspiels passiert war. Und vor allem: was ihre Mannschaft geleistet hatte. „Ich bin so stolz“, sagte die Kapitänin von Allianz MTV Stuttgart, „ich weiß auch nicht, wie wir es immer wieder hinkriegen, uns in ein Spiel zurückzukämpfen. Und ich habe keine Ahnung, wo die Grenzen dieses Teams liegen.“

 

Es war die Botschaft eines Abends, den keiner der 2250 Zuschauer so schnell vergessen wird: Niemand sollte die Stuttgarter Volleyballerinnen zu früh abschreiben. Nicht, wenn sie das erste Spiel einer Finalserie sang- und klanglos 0:3 verloren haben. Nicht, wenn ihnen nach zwei famosen ersten Sätzen Kraft und Konzentration auszugehen droht. Und nicht einmal, wenn sie im Tie-Break 11:15 hinten liegen. „Diese Mannschaft“, sagte Trainer Guillermo Naranjo Hernandez, „gibt nie auf.“

Im dritten und vierten Satz schlägt der Dresdner SC zurück

Zunächst hatte im zweiten von maximal fünf Finalduellen gegen den Dresdner SC alles bestens geklappt. Bis zum 25:17, 25:20 und 14:10 im dritten Satz schien es, als würden sich Spaß, Lust und Euphorie gegen größere Qualität, Effizienz und Erfahrung durchsetzen. Doch der Dresdner SC schlug zurück. 25:22 gewann der Titelverteidiger Satz drei, lag im vierten Durchgang zwar wieder 16:19 hinten, behielt aber die Nerven, siegte 25:23 und führte im Tie-Break bis zum 14:11 ständig mit drei Punkten. „Stuttgart ist viel aggressiver ins Spiel gegangen, wir waren zu lethargisch“, sagte Dresdens Trainer Alexander Waibl, „und trotzdem hätten wir das Ding am Ende zumachen müssen.“

Das misslang, weil der Außenseiter nie aufhörte, an sich zu glauben. Michaela Mlejnkova setzte Dresden mit ihren Aufschlägen unter Druck, Stuttgart wehrte alle drei Matchbälle ab. Dann gelang Kim Renkema ein famoser Block, und Nichole Lindow drosch eine verunglückte Dresdner Annahme direkt zurück ins Feld – 16:14. Der Rest war Jubel. Und die Suche nach Superlativen. „So einen emotionalen Sieg“, sagte Trainer Hernandez, „gab es in der Scharrena noch nie.“ Manager Bernhard Lobmüller meinte nur: „Das war der Hammer!“

Vom gesamten Team. Aber vor allem von Kaja Grobelna (21), die aus der Riege der jungen Wilden um Michaela Mlejnkova (19), Valerie Nichol (22) und Nichole Lindow (23) noch herausragte. 26 Punkte erzielte die Diagonalangreiferin, die zur besten Spielerin gekürt und mit Lob überhäuft wurde. „Sie macht einen super Job“, sagte Waibl. „Kaja ist ganz gut im Rhythmus“, erklärte Kollege Hernandez. Und Lobmüller meinte: „Unfassbar, was unsere Jungen leisten.“

Manager Lobmüller will Kaja Grobelna unbedingt halten

Klar, dass der Manager Grobelna, deren Vertrag ausläuft, unbedingt halten will. Ob dies klappt, ist aber alles andere als sicher. Derzeit verdient die Belgierin angeblich rund 2000 Euro, und obwohl Lobmüller bereit ist, ihr Gehalt aufzustocken, dürften ihr weitaus bessere Angebote vorliegen. Dennoch hofft der Manager, dass Grobelna bleibt: „Sie schaut nicht nur aufs Geld. Und sie weiß, dass sie sich bei uns gut entwickeln kann.“

Und auch Titel holen – den ersten vielleicht schon in dieser Woche. Am Mittwoch (19 Uhr) steht in Dresden das dritte Spiel an, der Sieger könnte sich am Samstag (19.30 Uhr) in der Porsche-Arena zum Meister küren. Wer das sein wird? Ist offen. Zumindest emotional sehen die Beteiligten den Außenseiter im Vorteil, dem am Samstag der erste Erfolg in einem Finale gegen Dresden gelang. „Dieser Sieg wird Stuttgart pushen“, sagte DSC-Trainer Waibl. „Wir wissen jetzt, dass wir selbst diesen Gegner im Tie-Break schlagen können“, meinte Hernandez, der mit seinem Team 2015 zwei der drei Finalspiele 2:3 und 2016 auch das Pokalfinale mit diesem Ergebnis verloren hatte, „das ist wichtig für die Psyche.“ Und auch Kapitänin Renkema träumt weiter vom Titel: „Mit dieser Mannschaft ist alles möglich.“