Es ist kein Titel, für den es eine Trophäe oder eine Siegprämie gibt. Aber enorm wertvoll ist es natürlich trotzdem, gegenüber Sponsoren, Medien und Fans behaupten zu können, unter den Profiligen im deutschen Frauensport die Nummer eins zu sein. „Was Etatzahlen, Zuschauerschnitt oder TV-Interesse angeht, lagen wir bis vor einem Jahr mit Abstand an der Spitze. Wir waren beim Grad der Professionalisierung der Maßstab“, sagt Daniel Sattler, der Geschäftsführer der Volleyball-Bundesliga (VBL), „doch jetzt haben sich die Bedingungen geändert“. Weil der Fußball ernst macht.
Das Fernsehen spielt mit
Ein Volleyball-Spiel mit 6145 Zuschauern mag die Konkurrenz aus dem Handball oder Basketball beeindrucken, der Fußball aber ist längst eine größere Nummer. Das Auftaktspiel der Saison 2022/23 zwischen Eintracht Frankfurt und dem FC Bayern fand vor einer Rekordkulisse (23 200) statt, und nun machen sich die Frauen daran, auch die WM-Pause der Männer-Bundesliga für sich zu nutzen: An diesem Samstag werden im Max-Morlock-Stadion 17 000 Fans erwartet – zum Pokal-Achtelfinale des Zweitligisten 1. FC Nürnberg, der vergangene Saison im Schnitt 100 Tickets pro Partie verkaufte, gegen den VfL Wolfsburg. Das gab es noch nie. „Wir haben es geschafft, ohne Rückendeckung durch einen starken Verband oder Erfolge des Nationalteams die stärkste Liga im Frauensport zu werden, darauf sind wir stolz“, sagt Aurel Irion, der Geschäftsführer des Volleyball-Meisters Allianz MTV Stuttgart, „nun werden wir diese Stellung an den Fußball verlieren“. Was auch am Fernsehen liegt.
ARD und ZDF kamen bei der Frauen-EM im Sommer auf Rekordquoten. Das Finale zwischen England und Deutschland hatte im Schnitt 17,9 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer, der Marktanteil lag bei überragenden 64,8 Prozent. Was dieser Boom wert ist, zeigte der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der für die TV-Rechte ab der Saison 2023/24 pro Jahr 5,175 Millionen Euro kassiert. Jedes Spiel wird übertragen, zehn Partien sind live bei den Öffentlich-Rechtlichen zu sehen. „Eine solche Konstellation würde uns natürlich auch sehr helfen“, sagt die MTV-Sportchefin Kim Renkema, „wir müssen eben weiter daran arbeiten, die Leute in den Sendern davon zu überzeugen, dass es mehr gibt als Fußball“. Einfach wird das nicht.
Glänzende Aussichten für den Frauenfußball
Bisher erwirtschaftete ein Frauenfußball-Bundesligist im Schnitt 1,3 Millionen Euro pro Saison, bei Ausgaben von 2,5 Millionen Euro. Das Überleben? Sicherte in vielen Vereinen eine Quersubventionierung aus dem Männerbereich. Das wird sich ändern – prognostiziert zumindest Bettina Baer. Die Sportmarketing-Expertin untersuchte im Auftrag des DFB die Zukunftsaussichten des Frauenfußballs. Sie hält es für ein durchaus realistisches Szenario, dass der kommerzielle Wert der Bundesliga in den nächsten Jahren von 17,7 auf 130 Millionen Euro steigt, die Sponsoringeinnahmen von 8,6 auf 50 Millionen Euro, der Zuschauerschnitt von weniger als 1000 auf 7500, die TV-Reichweite von 150 000 pro Spiel auf 750 000. „Diese Zahlen“, sagt Baer, „sind keine Träumerei“. Fakt ist: Bereits nach nur sieben Spieltagen knackte die Frauen-Bundesliga nach der erfolgreichen EM mit insgesamt über 119 000 Zuschauern ihren bisherigen Saisonrekord.
„Bisher hat die Frauenfußball-Bundesliga sich ihre Fortschritte auf Pump erkauft“, erklärt VBL-Geschäftsführer Daniel Sattler, „es wird sich erst noch zeigen, ob sie die Gunst der Stunde tatsächlich nutzen kann“. Auch Aurel Irion meint: „Wir werden beobachten, wie nachhaltig das alles ist.“ Und gleichzeitig auf die eigene Stärke vertrauen.
Aurel Irion: „Wir sind gut unterwegs“
Bei den ersten beiden Bundesliga-Heimspielen von Allianz MTV Stuttgart gab es zwar auch noch viele freie Plätze, an diesem Samstag (18 Uhr/Sport 1 live) im Duell der Ungeschlagenen mit dem SSC Schwerin aber dürfte es in der Scharrena mit ihren 2251 Plätzen wesentlich enger zugehen. „Wir bieten weiterhin den attraktivsten Sport“, sagt Irion, „und ich bin überzeugt, dass wir noch längst nicht am Ende unserer Entwicklung sind“. Neid auf den Fußball verspürt der MTV-Geschäftsführer jedenfalls nicht: „Das wäre völlig fehl am Platz. Fußball ist in Deutschland die Sportart Nummer eins, alle anderen müssen ihren eigenen Weg finden. Wir sind gut unterwegs.“
Dazu gehört, dass der Slogan der „besten Frauen-Liga“ künftig jemand anderem gebührt. Die Suche nach einem neuen Alleinstellungsmerkmal fiel den Volleyballerinnen allerdings nicht schwer: In keinem anderen Sport in Deutschland ist die Frauen-Bundesliga stärker als die Männer-Bundesliga. Auch das ist kein Titel, für den es einen Pokal gibt. Eine wertvolle Botschaft aber ist es allemal.