Simone Lee sieht ihre Volleyball-Karriere als große Abenteuerreise. Was sie nicht davon abhält, sich für ihre Zeit beim deutschen Meister Allianz MTV Stuttgart klare Ziele zu setzen.

Stuttgart - Simone Lee ist eine Volleyballerin mit vielen Facetten, und das ist nicht nur auf dem Feld zu erkennen. Sondern auch an Äußerlichkeiten. Bei ihrem Debüt für Allianz MTV Stuttgart im Champions-League-Gruppenspiel bei Igor Gorgonzola Novara vor zwei Wochen waren die Haare der US-Amerikanerin noch wenige Zentimeter kurz. Im folgenden Bundesliga-Duell beim VC Wiesbaden fielen ihr die eingeflochtenen Locken bis über die Schultern. „Ich hatte mir die Haare in Japan geschnitten“, sagt die 23-jährige US-Nationalspielerin, „jetzt hatte ich eben wieder Lust auf etwas anderes.“ Es war nicht das erste Mal, dass die Außenangreiferin in ihrer Karriere Lust auf Veränderungen verspürte.

 

Traum von Europa

Nach ihrem Rundfunkjournalismus-Studium an der Penn State University wagte Lee, die in Milwaukee geboren wurde, den Sprung nach Europa. Im Dezember 2017 unterschrieb sie beim italienischen Spitzenclub Imoco Volley Conegliano. „Es war schon immer mein Traum, in einer europäischen Topliga zu spielen“, sagt sie, „das ist ein großes Abenteuer.“ Als italienische Meisterin und Champions-League-Dritte zog sie nach einem halben Jahr weiter in die türkische Volleyball-Hauptstadt Istanbul, spielte eine Saison bei Beylikdüzü Ihtisas. Als die 1,88 Meter große Angriffsspezialistin vor sechs Wochen in Stuttgart zusagte, war sie noch in der japanischen Liga für Kurobe Aquaferies aktiv, wo die Saison Anfang des Jahres endete.

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Dass Lee das nächste Kapitel ihres Abenteuers beim deutschen Meister erleben will, glaubte Kim Renkema erst, nachdem ihre Neuverpflichtung am Stuttgarter Flughafen gelandet war. „Wir kneifen uns immer noch, dass es wirklich gelungen ist, sie zu uns zu holen“, erklärt die MTV-Sportdirektorin. Dabei sagt Lee, dass die Bundesliga für sie schon länger attraktiv gewesen sei: „Als die Anfrage kam, habe ich bei Tamari Miyashiro noch einmal genauer nachgefragt. Sie hat mir nur Gutes erzählt. In Stuttgart passt das Gesamtpaket aus Bundesliga und Champions League.“

Wichtige Verbindungsperson

Nicht zum ersten Mal spielte die Co-Trainerin des US-Nationalteams, die vergangene Saison MTV-Coach Giannis Athanasopoulos assistiert hatte, bei einem Transfer einer Amerikanerin nach Stuttgart eine große Rolle. „Sie ist für uns weiterhin eine wichtige Verbindungsperson“, sagt Kim Renkema, „sie kann uns noch mehr Infos über die Eigenheiten amerikanischer Spielerinnen geben.“

In diesem Fall suchten die Stuttgarter Verantwortlichen Ersatz für die seit Anfang November verletzte Channon Thompson, die nun auch noch am Knie operiert werden muss. Diese Suche endete mit einem der größten Transfercoups der Vereinsgeschichte. Denn neben der Entlastung für Celine van Gestel und Alexandra Lazic, die im Außenangriff unter Dauerbelastung standen, bietet Simone Lee auch Facettenreichtum, was die Position angeht. In den ersten beiden Spielen startete sie im Außenangriff, wo sie zu Hause ist. Doch zuletzt gegen den SC Potsdam ersetzte sie die weiterhin verletzte Krystal Rivers als Diagonalangreiferin. Im wichtigen Champions-League-Heimspiel gegen den LKS Lodz an diesem Mittwoch (19 Uhr/live im SWR-Stream) wird sie die ungewohnte Rolle wohl erneut einnehmen müssen. Schließlich wollen die Stuttgarterinnen das Viertelfinale erreichen, weshalb gegen den polnischen Meister ein klarer Sieg her muss. Und dafür braucht es erfolgreiche Angriffe des Neuzugangs. „Wir haben sie verpflichtet, damit sie punktet. Und sie liefert“, sagt Coach Athanasopoulos, „sie hat unsere Erwartungen voll erfüllt.“

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Bei ihren bisherigen drei Auftritten war das US-Girl jeweils beste Punktesammlerin. Sie erhöhte ihre Ausbeute von Spiel zu Spiel, machte am Samstag gegen den SC Potsdam 26 Zähler. „Wir haben die Aufstellung mit ihr als Diagonalangreiferin in einer Trainingseinheit ausprobiert, und sie hat das gleich gut umgesetzt“, lobt Athanasopoulos, „sie hat eine große Qualität.“ Und Simone Lee liefert sogar noch mehr als Punkte.

Problemlose Integration

Die Integration der neuen Starspielerin lief auf und neben dem Platz problemlos. Ihr herzlichen Lachen ist ansteckend, auf dem Feld zieht die 23-Jährige die Mitspielerinnen mit ihrer Lockerheit mit. „Das ist mein Stil“, sagt sie, „ich habe Spaß, wenn ich spiele.“ Zugleich hat sie auch klare Ziele für ihre Zeit in Stuttgart: „Ich werde alles dafür tun, um dem Club zu helfen, erfolgreichen Volleyball zu spielen.“

Wie es im Mai weitergeht, wenn ihr Engagement am Neckar endet? Weiß der Wandervogel noch nicht. „Mal sehen, was kommt“, sagt Simone Lee mit einem breiten Lächeln. „Ich sehe das ganz locker.“