Ein paar tausend Zuschauer sind zum Almabtrieb nach Gammelshausen gekommen. Die Rinder dort sind so viel Aufmerksamkeit zwar nicht gewohnt, bewahren aber ihren stoischen Gleichmut.

Gammelshausen - Was sie sich wohl denken mögen? Den ganzen Sommer über standen die rund 60 Rinder der Familien Mürter und Rieker völlig unbeachtet auf dem Galgenberg bei Gammelshausen. Ihre einzigen Beschäftigungen waren grasen, wiederkäuen und ab und zu mit ihren Schwänzen nach Mücken schlagen. Und dann, am letzten Sonntag im Oktober sind sie plötzlich die Stars eines Spektakels, das einige tausend Zuschauer in den Ort lockt, der an den 364 anderen Tagen des Jahres fast ebenso unbeachtet ist, wie die Rinder auf ihrer Sommerweide.

 

Mit stoischem Gleichmut marschieren die Tiere am Ende des Festzugs, der sich durch die Hauptstraße windet. Um ihre Hörner sind Schmuckbänder und Kränze gewunden. Die Straße ist dicht gesäumt von Zuschauern, die eigens für den im Schwäbischen seltenen Almabtrieb in den Ort gekommen sind – und für das Fest, das danach rund um das Gemeindehaus in der Ortsmitte gefeiert wird.

Heile Bauernwelt mit Kindern, Hasen und Hühnern

Der Zug präsentiert eine heile Bauernwelt, die so schon lange kaum noch zu finden ist – nicht nur im Schwäbischen: Kinder in Trachten und mit Flechtkörben ziehen durch die Straße, andere führen Handwagen mit Hühnern und Kaninchen mit. „Die haben es aber gemütlich“, sagt ein Zuschauer und lacht, da sich eines der Häschen gähnend in seinem Strohbett räkelt. Ein anderer Zuschauer ist vollauf damit beschäftigt, seinen Hund zu beruhigen, der die kleineren Tiere wohl zum Fressen gerne hätte.

Musik und Stimmung erinnern an die Fasnet

Ein Gespann von mächtigen Rückepferden zieht lange Holzstämme über die Straße. Der Gammelshäuser Schäfer Hermann Weiss leitet einen kleinen Teil seiner Herde an den Zuschauern vorbei. Die Tiere drängen sich dicht aneinander, der schwarze Hütehund beäugt die ihm offenbar ungewohnten Zuschauer. Ein halbes Dutzend Alpakas tänzelt durch den Ort. Doch die Besitzer haben die Tiere gut im Griff – und die Zuschauer ihre Freude. Zwischen den Tiergruppen sind die Mitglieder des Gammelshäuser Musikzugs und zwei andere befreundete Kapellen unterwegs. Musik und Stimmung erinnern an die Fasnet – nur das Wetter ist eindeutig angenehmer als die meist verregneten Vorfrühjahrstage.

Carmen Wenzlaff vom Musikzug Gammelshausen gehört zu den Organisatoren des Almabtriebs. Der kleine Verein habe nur zehn bis zwölf aktive Mitglieder, erzählt sie. Doch für den Umzug packe der ganze Ort mit an. „Wir haben jedes Mal tolles Wetter und jedes Jahr kommen mehr Leute“, berichtet sie. Dann ist der Umzug vorbei. Die Zuschauer strömen in Richtung Gemeindehaus. Die Rinder erholen sich derweil mit den anderen Tieren am Ortsrand, bevor es vollends in die Ställe geht.