Der Küchenbauer Alno kommt nicht zur Ruhe. Verluste, Arbeitsplatzabbau und Wechsel in der Führungsetage sind jährlich wiederkehrende Elemente in der jüngeren Firmengeschichte. Statt seine Strategie zur Rettung zu präsentieren, geht das neue Management auf Tauchstation.

Stuttgart - Alno scheint Kehrtwende gelungen“, „Erholung beim Küchenbauer“ und „Alno arbeitet sich aus der Krise“: Diese Schlagzeilen aus den Jahren 2004, 2010 und 2014 beschreiben seltene Lichtblicke beim Küchenhersteller aus Pfullendorf – allerdings erwiesen sie sich jedes Mal als Momentaufnahmen von kurzer Halbwertzeit. Die Realität sieht anders aus: Die Krise bei Alno ist nicht überwunden, sondern seit 1995 praktisch Dauerzustand. Mit dem damaligen Börsengang begann die Talfahrt des Unternehmens.

 

In den folgenden zwei Jahrzehnten schrieb die Aktiengesellschaft nahezu in jedem Jahr rote Zahlen und häufte einen Schuldenberg von zuletzt 180 Millionen Euro an. Selbst mit mehreren Sanierungsprogrammen sowie durch Ver- und Zukäufe von Marken wie dem Schweizer Marktführer AFG im Jahr 2014 gelang es nicht, nachhaltig in die Gewinnzone zu kommen. Auch im ersten Halbjahr 2016 stand ein Vorsteuerverlust zu Buche.

Ob sich der negative Trend in der zweiten Jahreshälfte fortgesetzt hat, darüber wollte das Unternehmen eigentlich am Freitag informieren. Der Termin für die Vorlage der Jahreszahlen wurde allerdings kurzfristig – und bereits zum dritten Mal – verschoben, wie schon bei den beiden ersten Malen mit Verweis auf aktuelle Umstrukturierungen. Mit der im Frühjahr angekündigten Streichung von rund 250 Stellen und weiteren Einsparungen versucht die Führung, die Kosten jährlich um 35 Millionen Euro zu drücken. Man liege im Plan, heißt es dazu lapidar in der Pressestelle. Noch geringer ist die Auskunftsbereitschaft zur Person des neuen Alno-Chefs Christian Brenner: Keine Fakten zur Person. Kein Interview. Nicht einmal ein Foto gibt es.

Vorlage der Jahreszahlen bereits zweimal verschoben

Brenner hat den bisherigen Vorstandschef Max Müller (70) am 1. Juni abgelöst. Nur drei Tage zuvor hatte das Unternehmen den Wechsel in einer knappen Mitteilung verkündet. Darin wird Müller, der Alno seit 2011 führte und selbst zuletzt rund sechs Prozent der Anteile hielt, mit den Worten zitiert, es sei der richtige Zeitpunkt „für die von mir schon seit längerer Zeit geplante Stabübergabe“. Der Hauptanteilseigner Tahoe habe gezeigt, mit welcher Geschwindigkeit und Konsequenz sich die notwendige Restrukturierung des Konzerns voranbringen lasse.

Hinter Tahoe steht die bosnische Unternehmerfamilie Hastor. Bekannt geworden ist diese in Deutschland durch ihre KfZ-Zuliefergruppe Prevent, die im vergangenen Sommer mit einem Lieferboykott dafür sorgte, dass in mehreren Volkswagen-Werken die Bänder still standen. Eine Machtübernahme des Großinvestors beim oberpfälzischen Zulieferer Grammer ist erst vor wenigen Tagen am Widerstand anderer Aktionäre gescheitert – allerdings will die Unternehmerfamilie nicht locker lassen und dagegen klagen.

Familien-Clan Hastor übernimmt Zepter bei Alno

In schwäbischen Pfullendorf ist der verschwiegene Familien-Clan schon einen Schritt weiter. Zu Jahresbeginn haben die Hastors das Zepter beim angeschlagenen Küchenbauer übernommen. Die Familie schickte vier Vertraute in den Aufsichtsrat, darunter auch Chefaufseher Christian Becker, und ersetzte die bisherige Finanzchefin Ipek Demirtas durch Christian Brenner. Nun übernimmt dieser auch den Chefsessel in Pfullendorf. Ihm sei die interne Kommunikation wichtig, heißt es in der Pressestelle. Brenner sei im Unternehmen präsent und stelle sich den Fragen der Belegschaft in Betriebsversammlungen. Für anderes bliebe ihm keine Zeit. Nach außen hin taucht die Führung komplett ab.

Trotz der jahrelangen Talfahrt dürfte die Unsicherheit innerhalb der Belegschaft mit dem Einstieg von Tahoe nochmals gestiegen sein. Auch die Sprachlosigkeit auf der Arbeitgeberseite ist bezeichnend: Mehrere Versuche dieser Zeitung, die IG Metall oder einen Vertreter des Betriebsrates zu den jüngsten Vorgängen beim Küchenbauer zu befragen, sind ins Leere gelaufen.

Insider beklagt schwere Managementfehler

Im Umfeld des Unternehmens gibt es verschiedene Erklärungsansätze für die Misere: Die Probleme seien zum Teil hausgemacht, etwa durch die häufigen Wechsel in der Vorstandsetage, aber auch auf der Führungsebene darunter, sagt ein langjähriger Mitarbeiter. Er beklagt zudem, dass sich Manager nicht gut genug im Möbelgeschäft auskannten und Vertriebsleiter nicht ausreichend Verhandlungsgeschick besaßen, um sich gegenüber den mächtigen Einkaufsverbänden durchzusetzen. Im hart umkämpften und von Rabattschlachten geprägten Markt dienten Alno-Produkte in den großen Küchen- und Möbelhäusern zwar noch als Aushängeschilder, so der Insider, aber bei der Masse der Produkte gehe es längst nur noch um „billig, billig, billig“. Die Führung versuche daher seit längerem, stärker in andere Märkte inner- und außerhalb Europas zu exportieren. Das täten Mitbewerber allerdings auch.

Dass Alno trotz jahrelanger Verluste und hoher Schulden überhaupt noch existiere, sei neben dem bekannten Markennamen und der Qualität der Produkte vor allem den Mitarbeitern zu verdanken. Immer wieder hätten diese zum Teil hohe Einbußen bei Lohn, Arbeitszeit oder Sonderzahlungen in Kauf genommen, um ihre Arbeitsplätze und letztlich auch das Unternehmen zu retten. Die Zeiten, in denen Alno als Arbeitgeber die erste Adresse in der Umgebung war, sind längst vorbei. Während die Beschäftigten des Küchenbauers um ihre Jobs bangen müssen, buhlen nun andere Unternehmen am Ort um Fachkräfte, etwa die Tochter des Schweizer Sanitärtechnikkonzerns Geberit oder der Rad- und Teleskoplader-Hersteller Kramer (Wacker Neuson Gruppe), der 2008 von Überlingen nach Pfullendorf umgezogen ist.

Ein Aktionärsvertreter hebt die Rolle von großen und kleinen Alno-Anteilseignern für den Fortbestand des Unternehmens hervor: „Ohne die Hilfe von Whirlpool gäbe es Alno heute nicht mehr“, ist Daniel Bauer, der Vorstandsvorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), überzeugt. Der US-Hausgerätehersteller, der seine Anteile zu Jahresbeginn an die Hastors abgegeben hat, habe die Sanierung des Traditionskonzerns mehrfach durch Darlehen unterstützt. Außerdem habe Alno 2013 durch die Ausgabe einer Mittelstandsanleihe rund 45 Millionen Euro bei Privatanlegern eingesammelt – ein Liquiditätspolster, das dem Unternehmen bis heute Luft verschaffe. Die Strategie, die Alno seit mehreren Jahren verfolge – Kosten senken und Kapazitäten besser auslasten –, konnte den Küchenhersteller bislang nicht in die Gewinnzone zurückführen. Daher, so glaubt Bauer, werde wohl schon bald eine weitere Kapitalspritze nötig sein.