Seine Kunden liegen ihm zu Füßen – im Dezember besonders und erst recht. Hakan Alkan ist einer von 200 DHL-Boten, die zur Zeit insgesamt rund 50.000 Pakete und Päckchen pünktlich zum Fest ausliefern.

Stuttgart - Er wird sehnsüchtig erwartet – von Männern gleichermaßen wie von Frauen. Obwohl die Damen, gleich welchen Alters, sich vielleicht noch ein klein bisschen mehr freuen, wenn sie Hakan Alkan sehen, mit einer Menge Paketen beladen. So wie die Dame am Empfang in einem Bürogebäude in der Innenstadt, die den 33-jährigen Paketboten schon durch die Glastür sieht. Sie springt vom Bürostuhl auf, läuft auf den Stilettos drei Schritte zur Tür und öffnet. „Hey, oh, drei Pakete, ich unterschreib schnell – wie geht’s dir, bist du momentan sehr im Stress?“ Von der Hektik, mit der Alkan gerade noch durchs Treppenhaus gesprintet ist, ist jetzt kaum noch etwas zu spüren. Er antwortet, kurz angebunden zwar, aber freundlich: „Ich würde gerne mehr quatschen, muss aber weiter.“ Ein entschuldigendes Schulterzucken, ein freundliches Lächeln. Die Empfangsdame hat Verständnis: „Klar, verstehe ich, schöne Feiertage.“ Alkan dreht sich um, Tür auf, Blick zurück, ein Lächeln, ein Zwinkern, Tür zu. Die Hektik ist wieder da.

 

200 Boten für 50 000 Pakete in der Adventszeit

Alkan ist einer von rund 130 DHL-Boten in Stuttgart, die täglich etwa 26 000 Päckchen und Pakete zustellen. In der Adventszeit arbeiten rund 70 Zusteller zusätzlich, da sich die Anzahl der Pakete in der Zeit verdoppelt. Trotz der Unterstützung im Dezember ist der Job in der Vorweihnachtszeit purer Stress für Alkan. Er schätzt, dass er täglich mindestens zwei Stunden mehr arbeitet als üblich. „Es macht zwar Spaß“, sagt er, während er im hinteren Teil seines Transporters zwischen Paketen von Zalando, Amazon und Co. hin- und hersortiert. „Aber momentan ist es schon ziemlich hektisch.“ Mit dem Beladen des Autos beginnt er morgens um sieben Uhr, gegen halb zehn startet er seine Tour. Die Kriegsberg- und Kronenstraße beliefert er, die Friedrichstraße und die Theodor-Heuss-Straße, die Uni und das Finanzgericht. Am Nachmittag geht es im Stuttgarter Westen weiter.

Es sind hauptsächlich junge Damen, die in den Büros die Pakete annehmen. Alkan grinst verlegen, fast ein bisschen schüchtern: „Ist schon gut für mich.“ Nebenbei belädt er seine Sackkarre, ab und zu zieht er an der Zigarette, die er sich im Gehen angezündet hat. 16 größere Pakete und kleinere Päckchen bringt er jetzt zu die Damen, im Foyer der Uni erwarten sie ihn schon. „Ich möchte Ihnen zu Weihnachten eine kleine Freude machen, was trinken Sie denn gerne?“, fragt die Empfangsdame mittleren Alters. „Champagner“, antwortet Alkan spontan und schiebt schnell hinterher: „Kleiner Spaß.“ Zwei adrett gekleidete Damen um die 40 kichern los. „Sind Sie Italiener?“, fragt die eine. „Nein. Türke“, antwortet Alkan. „Die netten Türken nehmen wir auch“, sagt die andere. Alkan lächelt. Er bleibt freundlich, wünscht ein frohes Fest.

Fahrstuhlfahren ist schneller als Treppenlaufen

Zwei Stunden ist er mittlerweile unterwegs. Die sorgsam nach hinten gegelten lockigen Haare verlieren langsam an Form, Strähnen hängen Alkan ins Gesicht, Schweißperlen stehen auf seiner Stirn. Seine Kunden merken kaum, dass er im Stress ist – sobald er aber im Fahrstuhl steht („Geht schneller als Treppenlaufen“), drückt er energisch auf den Knopf, der die Türen schneller schließen lässt. Es geht ihm trotzdem zu langsam, er blickt auf seine Uhr, seufzt. Das Mittagessen lässt er ausfallen, manchmal liefert er Pakete zu einer Bäckerei, dann gibt es mal eine Butterbrezel auf die Hand. Wenn er gegen 16 Uhr seinen Dienst beendet, wird er seinen Feierabend auf der Couch verbringen. Er wird sein Handy ausschalten, sich nicht mit seinen Freunden treffen oder ins Fitnessstudio gehen. Zu anstrengend, er braucht momentan abends seine Ruhe.

Dort kann er sich dann an den Kleinigkeiten erfreuen, die er im Dezember immer wieder zugesteckt bekommt. Kuverts mit Trinkgeld dann und wann, häufiger Pralinen. Es sind so viele, dass sie sich bei ihm stapeln. Alkin ist seit drei Jahren Stammfahrer in seinem Gebiet, die Kunden mögen ihn, schätzen seine freundliche und offene Art. Wenn sie das erzählen, dann schmeichelt es ihm, er wird fast ein bisschen rot. „Ja, Sie kommen ja genau richtig“, sagt ein älterer Herr im obersten Stockwerk eines Wohnhauses und schlägt die Hände zusammen, als er Alkin sieht. „Fast so wichtig und pünktlich wie der Weihnachtsmann.“