Sie hat Arzthelferin gelernt, war lange im Einzelhandel und hat mit 40 entschieden, noch mal von vorne anzufangen – als Hutmacherin, auch Modistin genannt. „Ich hatte einen guten Job, den ich gern gemacht habe, aber irgendwann war mir klar, dass ich nicht bis zum Rentenalter im Verkauf bleiben wollte“, erzählt Doris Buirel. Doch damals war es nicht einfach, einen Ausbildungsbetrieb zu finden. „Ich musste meine Kreise immer weiter ziehen und fand schließlich in Augsburg eine Stelle.“ Das bedeutete für sie: Jeden Morgen kurz vor fünf Uhr aufstehen, mit dem Zug von Kornwestheim nach Augsburg fahren und abends erst nach 20 Uhr wieder zurückzukommen. Eine zweite Wohnung konnte sie sich bei einem Lohn von 300 D-Mark brutto (150 Euro) im ersten Lehrjahr nicht leisten.

 

Warum sie das alles auf sich nahm? Doris Buirel wollte gerne mit den Händen arbeiten, eigene Ideen entwickeln und mit verschiedenen Stoffen arbeiten. „Filz ist ein tolles Material. Man kann es wunderbar formen, immer wieder ändern und aufrichten.“ Für den Beruf nahm sie auch in Kauf, dass sie mit Auszubildenden in einer Klasse saß, die halb so alt waren wie sie. „Ich habe mich mit allen gut verstanden, wurde respektiert.“ Sie konnte ihre Lehrzeit verkürzen und legte nach zwei Jahren ihre Gesellenprüfung ab. Sie hatte Glück und bekam eine Stelle am Staatstheater in Stuttgart. Dem Theater ist Doris Buirel bis heute treu geblieben. „Ich bereue die Entscheidung keine Sekunde, es ist ein toller Beruf“, sagt die 63-Jährige. Sie komme mit Kostümbildnern und vielen nicht alltäglichen (Kunst-)Handwerkern zusammen – und gerade die Teamarbeit mache den Reiz aus. Denn jeder habe eine Idee davon, wie das Werk am Ende aussehen soll – und diese Vorstellungen muss sie unter einen Hut bringen. „Ein Hut verändert den Menschen, jedes Modell macht etwas anderes aus ihm.“

Als Angestellte im öffentlichen Dienst, die nach Tarif bezahlt wird, ist Doris Buirel finanziell besser gestellt als manche angestellte Modistin im Fachgeschäft. Im Schnitt verdienen Hutmacher nach der Ausbildung zwischen 1600 und 2300 Euro brutto. „Selbständig zu sein ist ein hartes Brot“, sagt sie. „Man muss einen guten Standort haben und ein gutes Gespür für Modetrends und vor allem für den Menschen. Oder sich von Auftrag zu Auftrag hangeln.“ Dennoch hätten Modisten heute mehr Entwicklungsmöglichkeiten als früher. Sie könnten nach der Lehre die Meisterprüfung ablegen, Design studieren und von ihren handwerklichen Erfahrungen profitieren. Obwohl Modistin eher ein Nischenberuf ist, glaubt sie an seine Zukunft: „Der Hutmacher wurde schon oft totgesagt – und es gibt ihn noch immer.“