Die Liebe zur Handarbeit durchzieht das Leben von Edith Ebert-Switlinski. Sie wuchs mit einer Mutter auf, die strickte und häkelte, machte in der Fachschule im Rahmen ihrer Ausbildung zur Erzieherin erste Erfahrungen mit dem Töpfern und fing früh selbst an, gekaufte Wolle zu verstricken. So weit, so gewöhnlich. Doch als die Frau aus Murrhardt eines Tages auf die Idee kam, sie könnte die benötigte Wolle künftig doch einfach selbst am Spinnrad herstellen, anstatt sie weiter zu kaufen, wurde die Sache interessant.
Denn bis die 62-Jährige und besagtes Spinnrad zusammen fanden, brauchte es viel Geduld und Durchhaltevermögen. „Ich hatte mir damals in der Elternzeit beim zweiten Kind überlegt, dass ich was für mich machen möchte, und war ganz euphorisch, als ich dann die Idee hatte, meine Wolle selbst herzustellen“, erinnert sich Edith Ebert-Switlinski. Doch obwohl die Anfänge so holprig waren, sagt sie heute: „Ich sitze mehrmals am Tag am Spinnrad. Es macht mich glücklich und ich spüre, wie es mich beruhigt, weil es Atmung und Puls in Einklang bringt. Die Gedanken laufen nur noch im Hintergrund – wie bei einer Entspannungsübung.“
Erst mal ging alles schief und dann war die Elternzeit vorbei
Doch der Reihe nach – denn nach der Idee, mit dem Spinnen anzufangen, ging erst einmal alles schief: Der VHS-Kurs, bei dem sie die Arbeit am Spinnrad erlernen wollte, kam nicht zustande und dann war die Elternzeit vorbei und Edith Ebert-Switlinski hatte mit Job und Kindern kaum noch Zeit für solche Spezialprojekte. „Ich habe die Kurve dann erst lange Zeit später gekriegt, als ich in einem Sozialkaufhaus ein Spinnrad stehen sah“, sagt Edith-Ebert-Switlinski und fügt hinzu, dass es sich dabei auch noch just um das Spinnrad des Herren gehandelt habe, bei dem sie damals den VHS-Kurs machen wollte. „Ich bin nicht esoterisch und mache auch nicht bei allem das Schicksal verantwortlich, aber das war doch mehr als ein Zufall“, sagt die 62-Jährige und kann sich deshalb auch kaum erklären, warum sie nicht gleich zugriff. Denn ein Tag später war das gute Stück verkauft. „Ich war zu langsam, aber meine Lust war neu geweckt. Also kaufte ich mir zwei Spinnräder, erwischte aber leider Deko-Spinnräder“, sagt die Frau aus Murrhardt und lacht. „Es war wie verhext, aber ich blieb dran und hatte kurz darauf endlich eines im Wohnzimmer stehen.“
Das war vor etwa sechs Jahren. Als Autodidaktin versuchte die 62-Jährige dann, sich die alte Handwerkskunst selbst beizubringen und übte so lange, bis die Hände schmerzten. „Wenn man ein Kilo Rohwolle versponnen hat, dann kann man es.“ Diese Regel gibt Edith Ebert-Switlinski auch den Teilnehmern ihrer VHS-Kurse mit auf den Weg. Denn sie fing derart Feuer, dass sie das Spinnen und seine Geschichte auch an andere weitergeben wollte – und der Zuspruch begeistert sie nach wie vor: „Die alten Handwerkskünste sind gefragt wie nie und erleben geradezu eine Renaissance“, sagt sie und hat auch eine Erklärung dafür parat: „Die Leute suchen nach Ruhe und weniger Stress. Die Zeiten sind unruhiger denn je, da braucht es für viele einen Gegenpol.“ Auch für Edith Ebert-Switlinksi ist das Spinnen eine Art meditieren. Wenn sie in ihren Rhythmus gefunden hat, vergisst sie die Zeit. Ihr Körper fährt runter, der Kopf wird frei. „Das klappt aber erst, wenn man es richtig kann. Man muss die Fuß-Hand-Augen-Koordination beherrschen, dann stellt sich das Flow-Gefühl ein und die Hände machen einfach alleine.“
Der Trick beim Spinnen sei es, dass man ganz bei sich und bei der Sache sein müsse. Fünf Dinge gleichzeitig machen – Fehlanzeige. „Klar, manchmal ist Multitasking nötig, aber ganz oft führt es nur zu Stress, weil wir es nur noch gewohnt sind, alles parallel zu machen, anstatt uns mal ganz und ausschließlich nur auf eines zu konzentrieren. Dadurch entsteht so eine Dauerunruhe und es tut nicht gut.“
Doch nicht nur der Hype ums Spinnen, die positiven Effekte und die technischen Abläufe begeistern die Frau, die in Murrhardt verwurzelt ist. Auch die Wertschätzung den Tieren und dem Produkt Wolle gegenüber sowie das Thema Nachhaltigkeit, wenn die Wolle nicht bergeweise weggeworfen, sondern verarbeitet wird, treiben die 62-Jährige um und an. „Ich habe meine Wollfasern spinnfertig im Fachhandel gekauft und dabei gemerkt, dass die Wolle meist aus Australien oder Südamerika, aber eigentlich nie aus Deutschland kommt“, sagt Edith Ebert-Switlinski und betont, dass die Schafe einmal im Jahr geschoren werden müssten, die Schäfer aber wegen der schlechten Wollpreise drauf zahlten. „Unsere heimische Wolle ist ein bisschen kratziger und nicht so fein, aber man kann sie mischen und es gibt keinen Grund, die Schafe, die Schäfer und die Wolle nicht wertzuschätzen.“
Der 62-Jährigen geht es auch um Wertschätzung und Nachhaltigkeit
Bei diesem Thema kann sich die 62-Jährige in Rage reden, man spürt wie wichtig ihr das Ganze ist und wie sehr sie sich damit befasst hat. „Mir geht es darum, die alte Kunst am Leben zu erhalten und weiterzugeben, aber eben auch darum, ein Bewusstsein zu schaffen.“ Und was macht die Murrhardterin, wenn sie dank der ganzen Spinnerei schon so viel Wolle hat, dass alles verstrickt und verfilzt ist und ihr die Ideen auszugehen drohen? Ganz genau, sie fängt einfach mit der nächsten Handarbeit an. „Mein Mann hat mir mal einen Webrahmen gebaut. Den nutze ich und ich habe während Corona auch angefangen, die Wolle selbst einzufärben. Langweilig wird mir nicht und ich brauche den Input auch für meinen Kopf, das Ganze ist ein großer Teil von mir.“
Spinnen in VHS-Kursen
Dozentin
Edith Ebert-Switlinski gibt ihr Wissen als Dozentin an der VHS in Murrhardt weiter. Aktuell bietet sie die folgenden Kurse an: Wolle färben mit Naturfarben, Spinnkreis, Grundkurs: Weben am Gatterkammwebrahmen und Grundkurs: Spinnen am Spinnrad. Nähere Informationen dazu gibt es auf der Homepage unter https://www.vhs-murrhardt.de/ueber-uns/unsere-dozenten/dozent/1307