Eigentlich dürfte es an der Alten Weinsteige zwischen Stuttgart-Degerloch und Stuttgart-Süd nur ganz wenig Verkehr geben. In der Praxis sieht das anders aus. Hat die Polizei die Kontrolle verloren?

Degerloch/S-Süd - Das Verkehrsproblem an der Alten Weinsteige ist ein Dauerbrenner. Dabei dürfte es dort im Prinzip nur ganz wenig Verkehr geben. Überhaupt keinen von Degerloch her, denn stadteinwärts ist die Durchfahrt schlicht verboten. In die Gegenrichtung wiederum gilt dieses Durchfahr-Verbot nur von 15 bis 19 Uhr, um so zur Hauptverkehrszeit Schleichverkehr zu verhindern. Für Anwohner gibt es Ausnahmegenehmigungen. Einige davon hatte diese nach der Einführung der aktuell gültigen Regelung zum Teil sogar gerichtlich erstritten.

 

Zank gibt es aber auch zwischen dem Bezirksbeirat Süd und dem Gremium in Degerloch. Letzteres hält die gültige Regelung für hinreichend, was der Bezirksbeirat Süd wiederum anders sieht. Doch im Süd-Gremium gibt es auch interne Differenzen. Etwa hinsichtlich der Einschätzung, welche Bedeutung die Alte Weinsteige für den Fahrradverkehr hat. Ein Wirrwarr, in dem es aber immerhin bei einem Punkt Einigkeit gibt: Die Polizei sollte die Einhaltung der Regelung verstärkt kontrollieren und durchsetzen. Über die Ergebnisse wiederum sollte die Verwaltung berichtet. Auf diesem Wege kam die Thematik nun erneut auf die Tagesordnung im Süden, wobei die Ergebnisprotokolle der Polizei den Mandatsträgern per Mail vorgelegt wurden.

Manche Autofahrer verschwinden, wenn sie Polizei entdecken

Das ganze Jahr über hatte der städtische Vollzugsdienst immer wieder Kontrollen vorgenommen, vom Januar bis zuletzt am 17. Oktober. In chronologischer Abfolge lesen sich die Berichte wie Teile einer Fortsetzungsgeschichte mit nur leicht variierenden Inhalten – und einem sehr verblüffenden Schluss, bei dem die Polizei die Kontrolle wegen Überforderung aufgibt.

Bei der Ersten Kontrolle im Januar war die Kontrollstelle relativ weit oben. Dabei war aus Sicherheitsgründen, so das Amt für öffentliche Ordnung, von Degerloch her ein Schild aufgestellt worden, das auf die Kontrolle hinwies. Dieses „Vogelscheuchen-Prinzip“, das auch bei späteren Kontrollen zum Zuge kam, habe folgende Wirkung gehabt: „Somit drehten einige Fahrzeuglenker bereits frühzeitig ab und befuhren die Alte Weinsteige gar nicht erst stadteinwärts. Als Nebenwirkung kam es zu weniger Begegnungsverkehr auf der Alten Weinsteige.“ Trotzdem waren 24 Verwarnungen fällig. Am Tag darauf waren es 30, vier Tage später noch elf, wozu das Polizei-Protokoll anmerkt: „Die vermehrten Kontrollen zeigen offenbar Wirkung.“

Bei einer Kontrolle im Mai waren dann schon wieder 39 Verwarnungen fällig, im Monat drauf eine weniger. Im Protokoll ist nun auch festgehalten, dass „viele Radfahrer die Alte Weinsteige nutzen“. Dies wird anlässlich der vorletzten Kontrolle am 16. Oktober, bei der 39 Verwarnungen ausgesprochen wurden, nochmals unterstrichen: „Durch den XXL-Sommer 2018 befahren nach wie vor sehr viele Fahrradfahrer die Alte Weinsteige. Viele teilten uns mit, dass sie sich aufgrund der Straßenenge von den Autofahrern genötigt fühlen.“

Polizei muss Fahrzeugkolonne einfach passieren lassen

Den Höhepunkt erlebten die Kontrollierenden dann am 17. Oktober – mit Vorgängen, die das Amt für öffentliche Ordnung so beschreibt: „Gegen 17 Uhr nahm der Schleichverkehr derartig zu, dass eine größere Fahrzeugkolonne unkontrolliert passiert werden lassen musste.“ Danach hat es die Polizei weiter versucht, was aber „nicht lange anhalten sollte“. Die Begründung für den Kontrollstopp: „Es kamen so viele Fahrzeuge die Alte Weinsteige hochgefahren, dass eine weitere Kontrolle nicht möglich war und diese beendet werden musste.“ Damit ist der Tag aber noch nicht ganz zu Ende für den Streifendienst: „Auf der Rückfahrt durch das Lehenviertel kamen uns weitere Fahrzeugkolonnen entgegen, welche wie in einem Trichter die Alte Weinsteige hinauffuhren. Anwohner berichteten uns, dass dies täglich so ist und daher mehr Kontrollen nötig wären.“ Wie die Beamten angesichts der soeben aufgegebenen Kontrollen darauf geantwortet hatten, dazu sagt das Protokoll nichts. Es dokumentiert nurmehr mit einer „Anmerkung“, dass von den Behörden auch an einem anderen Punkt der Versuch aufgegeben wurde, der gültigen Verkehrsvorschrift Geltung zu verschaffen: „Die Halbschranke, welche zur Verdeutlichung beim maßgeblichen Verkehrszeichen angebracht ist, steht offen und wird zu den Sperrzeiten nicht mehr geschlossen.“

Angesichts dieser Befunde stellte Wolfgang Jaworek (Bündnis 90/Die Grünen) im Bezirksbeirat Süd fest: „Es herrscht dort offensichtlich Chaos. Dem ist auch durch Kontrollen nicht beizukommen.“ Im Übrigen sei nun auch amtlich, „dass es dort Fahrradfahrer gibt und dass diese von Autofahrern in Bedrängnis gebracht werden“. Roland Petri (CDU) meinte: „Es gibt dort bei Kontrollen ordentliche Fangquoten. Eine nachhaltige Wendung zum Guten findet aber nicht statt.“ Deshalb wollen die Lokalpolitiker nun, dass die Stadt „geeignete baulich Maßnahmen erarbeitet und dem Gremium vorstellt“. Dies wurde ebenso einstimmig beschlossen wie die Forderung, „weiterhin regelmäßig in beide Richtungen Kontrollen durchzuführen“.