Experimente mit Tieren sind umstritten, für manche Fragestellungen aber unerlässlich. Es werden aber zunehmend Alternativen mit Zellkulturen und Biochips entwickelt.

Stuttgart - Der Tierschutz hat in Deutschland einen hohen Stellenwert und ist im Grundgesetz verankert. Einem Tier dürfen nicht grundlos Schmerzen und Leiden zugefügt werden. Die Suche nach Alternativen für Tierversuche ist daher auch ein Anliegen des Bundesforschungsministeriums: Seit 1980 hat das Ministerium mehr als 450 Projekte mit 145 Millionen Euro gefördert. Dabei geht es um das sogenannte 3R-Konzept: Tierversuche sollen durch alternative Methoden ersetzt werden (Replacement). Ist dies nicht möglich, soll die Zahl der Tiere auf ein Minimum beschränkt werden (Reduction). Zudem sollte das Leiden der Versuchstiere so gering wie möglich gehalten werden und aus dem einzelnen Versuch so viele Informationen wie möglich gewonnen werden (Refinement).

 

Zellkulturen als Alternative zum lebenden Tier werden mittlerweile häufig eingesetzt: Zellen vermehren sich nahezu unbegrenzt im Labor, kein Tier muss dafür sein Leben lassen. Häufig nutzt man auch menschliche Zelllinien. Man kann damit etwa Chemikalien testen, die für den Menschen schädlich sein könnten, die beispielsweise in Nahrungsmitteln, Kosmetika oder neuen Werkstoffen vorkommen. In manchen Zelllinien kann gar festgestellt werden, ob die Chemikalie das Erbgut der Zellen verändert und welche Folgen dies haben könnte. Allerdings bergen die Zelllinien mit ihrer Unsterblichkeit auch den Nachteil, dass bei der Zellteilung Fehler auftreten können und somit Tumorzellen entstehen – so dass die krebsauslösende Wirkung von Substanzen nur in bestimmten Linien getestet werden kann.

Impfstoffe aus Hühnereiern

Als Alternative zu Tieren dienen häufig auch Hühnereier – diese haben sich nicht nur in der Entwicklung von Impfstoffen als sehr erfolgreich erwiesen. Bekannt wurde diese Alternative durch die Kosmetikindustrie: Früher mussten Kaninchen hier viele Tests über sich ergehen lassen. Beim sogenannten Draize-Test wurden Inhaltsstoffe einer neuen Creme etwa am Auge des Kaninchens überprüft. Dies gelingt auch mit Hühnereiern. Auf eine besonders geeignete Stelle wird die zu prüfende Substanz getröpfelt und die Reaktionen beobachtet. Kaninchen müssen auch beim sogenannten Fiebertest nicht mehr leiden. Bei diesem Test wurden entzündlich wirkende Stoffe in Infusionen und Impfstoffen oder Medikamente, die Bestandteile von Bakterien sind, zunächst bei Kaninchen überprüft – beim Menschen haben derartige Substanzen immer wieder heftige Fieberschübe ausgelöst. Heute kann man diese fiebertreibenden Verbindungen problemlos an menschlichen Blutzellen testen. Bakterien müssen für den Menschen nicht immer nur schädlich sein. Sie werden auch als Alternative für Tierexperimente eingesetzt. So müssen monoklonale Antikörper, die etwa in der Krebstherapie gebraucht werden, heute nicht mehr im Bauch von Mäusen gezüchtet werden. Vielmehr kann man sie in Bakterienkulturen herstellen.

Vielversprechende Alternativen kommen immer wieder aus der Computertechnik. Auf kleinen Chips bauen Forscher ein Organ oder ein ganzes Organsystem nach. An diesem Miniorganismus sollen komplexe Stoffwechselvorgänge im menschlichen Körper realitätsnah analysiert werden. So haben beispielsweise Fraunhofer-Forscher aus Dresden zusammen mit Wissenschaftlern der TU Berlin einen Chip konstruiert, an dem sich gleich an mehreren Positionen menschliche Zellen aus verschiedenen Organen anbringen lassen.

Mikropumpe simuliert das Herz

Durch winzige Kanäle sind die Miniorgane miteinander verbunden. Eine Mikropumpe schleust ständig flüssiges Zellkulturmedium durch die winzigen Mikrokanäle – ähnlich dem menschlichen Herz. Die Konstrukteure wollen damit das Kreislaufsystem nachbilden. Dieser Mikrochip soll dann je nach Fragestellung, Anwendung und Bedarf angepasst werden.

Nicht nur in der Forschung, auch in der Lehre wurde in den vergangenen Jahren auf Tiere als Anschauungsmaterial weitgehend verzichtet. Moderne Videotechnik und interaktive Computersimulationen erlauben Studenten, sich ein unblutiges Bild von Vorgängen im Innern von Organismen zu machen.