Bernd Lucke hat die Alternative für Deutschland gegründet, er war bisher ihr starker Mann. Nun droht er selbst mit einer Abspaltung. Das wirkt nur noch hilflos, kommentiert Roland Pichler.

Berlin - So steil der Aufstieg der Alternative für Deutschland (AfD) bisher gewesen ist, so rasch könnte er zu Ende gehen. Noch ist es zwar nicht ausgemacht, ob die eurokritische Protestpartei in der Bedeutungslosigkeit verschwindet, aber es sind die Gründungsmitglieder um den AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke, die vor dem Untergang warnen. „Wenn wir jetzt nicht entschieden gegensteuern, ist die Partei verloren“, schreiben bekannte Führungsmitglieder wie Lucke und der frühere IBM-Manager Hans-Olaf Henkel in ihrem „Weckruf 2015“, der an alle Parteimitglieder gerichtet ist. Es ist der verzweifelte Versuch zu retten, was zu retten ist. Offen warnt der Parteivorsitzende vor einer Unterwanderung der jungen Partei durch rechtsaußen. Seine Einsicht kommt viel zu spät. Lange haben gerade Lucke und Henkel vor dieser Entwicklung die Augen verschlossen. Die Frontmänner gaben erst den Medien die Schuld, weil sie die AfD als rechtspopulistische Partei bezeichneten. Gerade die Landtagswahlkämpfe im Osten zeigten klar, dass die AfD im rechten Lager fischt. Wenn Lucke jetzt die Notbremse zieht, ist das wenig glaubwürdig.

 

Schließlich ließen sich Lucke und Henkel lange Zeit dafür feiern, dass die AfD mit plumpen Parolen gegen Flüchtlinge und Zuwanderung aus der EU punkten konnte. Mit dieser Rhetorik gelang der Partei der Einzug in fünf Landtage und ins Europaparlament, wobei nicht übersehen werden darf, dass vor allem die ostdeutschen Landesverbände die Angst vor Überfremdung schüren. Wenn Lucke nun die Umkehr anmahnt, geht es nicht nur um ideologische Grabenkämpfe. In der AfD ist längst ein Kampf um Macht und Eitelkeiten entbrannt. Die AfD ist mit dem Anspruch angetreten, vieles anders zu machen als die etablierten Parteien. Gemessen an den Intrigen und der Lust zur Selbstzerfleischung stellt die AfD die politische Konkurrenz aber locker in den Schatten.

Luckes Aufruf, sich einer neuen (Wahl-)Plattform anzuschließen, ist ein hilfloser und untauglicher Versuch. Wie absurd das ist, zeigt sich, wenn man sich vorstellt, dass die CDU-Vorsitzende Angela Merkel oder SPD-Chef Sigmar Gabriel den Mitgliedern raten würden, sich einer neuen Bewegung anzuschließen. Dass Lucke zu diesem Mittel greift, zeigt, dass ihm die Felle wegschwimmen. Der Volkswirtschaftsprofessor versuchte, die AfD im Stil eines Hochschullehrers zu führen. Das kann auf Dauer nicht gutgehen.

Luckes Appell ist in Wahrheit ein Eingeständnis, dass sich der Parteigründer nicht mehr sicher ist, ob er die Mehrheit hinter sich hat. Auf dem Parteitag im Juni steht die Entscheidung über den künftigen Vorsitzenden an. Lucke galt bisher als gesetzt. Zuletzt gab es aber Anzeichen, dass die Lucke-Gegner Aufwind bekommen. Mit dem „Weckruf 2015“ versucht Lucke, seine Anhänger zu mobilisieren. Scheitert er, dürfte die AfD in einen rechtspopulistischen und einen wirtschaftsliberalen Flügel auseinanderfallen. Welcher Teil dann Zukunft hat, wird sich zeigen. Die Partei steht vor einem Scherbenhaufen.