Alternative für Baden-Württemberg soll die Fraktion heißen, die AfD-Chef Jörg Meuthen im Landtag bilden will. Seine Co-Vorsitzende im Bund, Frauke Petry, allerdings verfolgt ganz andere Ziele.

Stuttgart - Am Morgen nach dem Beben, das die AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg zerreißt, steht eine Frage über allem: Kann der am Abend zuvor erfolgte Austritt Wolfgang Gedeons aus der Fraktion die Spaltung rückgängig machen? Wird jetzt alles wieder gut?

 

An Gedeon, der in seinen Büchern antisemitische Positionen vertritt, hatte sich der Streit vor vier Wochen entzündet. Und Ex-Fraktionschef Jörg Meuthen, der früh die Parole ausgegeben hatte, in der AfD sei kein Platz für Antisemitismus, hatte am Dienstag die Fraktion verlassen, zusammen mit weiteren zwölf Abgeordneten. Er zog damit die Konsequenz aus seinen vergeblichen Bemühungen, eine Zwei-Drittel-Mehrheit von 16 der ursprünglich insgesamt 23 Fraktionsmitglieder für einen Rauswurf des pensionierten Mediziners und Hobby-Philosophen aus Singen hinter sich zu scharen.

Meuthen demonstriert Härte

Am Mittwochvormittag demonstriert Jörg Meuthen, jetzt fraktionslos, aber immer noch Chef der AfD im Land und gemeinsam mit seiner Intimfeindin Frauke Petry an der Spitze der Bundespartei stehend, zunächst einmal Härte. Er macht unmissverständlich klar, dass er nach dem Rückzug Gedeons keine neue Lage sehe. Wie am Vortag bekräftigt er, mit seinen zwölf Mitstreitern eine neue Fraktion gründen zu wollen. Er hoffe, so Meuthen, dass sich der eine oder andere aus dem Lager der zehn in der Fraktion verbliebenen Abgeordneten dazu durchringen könne, sich ihm anzuschließen.

„Mein Ziel ist es, dass die AfD eine von Antisemitismus, Rassismus und Extremismus saubere Partei ist“, erklärt er. Eine Rückkehr seiner Gruppe zur bisherigen Fraktion schließe er definitiv aus. Ein Rücktritt vom Rücktritt sei „überhaupt keine sinnvolle Option.“ Und noch einen heiklen Punkt spricht Meuthen an. Für ihn sei es keine Frage, wer sich im Stuttgarter Landtag künftig AfD nennen dürfe. „Wir sind AfD, definitiv“, so der Wirtschaftsprofessor.

Gedeon schleicht wie ein Gespenst durch die Flure

Was dann folgt, sind hektische Beratungen in den Räumlichkeiten der AfD im vierten und fünften Stock des Königin-Olga-Baus. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen, getagt wird in wechselnden Besetzungen. Kamerateams lungern herum, Journalisten versuchen, jeden noch so winzigen Gesprächsfetzen aufzufangen, wenn Mandatsträger – mal mit, mal ohne Fraktionszugehörigkeit – sich blicken lassen. Wie ein Gespenst schleicht dazu der 69-jährige Gedeon über die langen Flure. Trotz seines roten Sakkos sieht er noch bleicher aus als sonst und ziemlich mitgenommen.

Die beiden Hauptfiguren aber sind Meuthen und Petry. Die Sächsin ist am Dienstag aus Straßburg nach Stuttgart geeilt, um sich bis in den Abend hinein mit den Mandatsträgern der AfD-Restfraktion zu beraten. Dass Gedeon anschließend seinen Rückzug verkündet, verbucht die Co-Chefin der AfD im Bund als ihren persönlichen Erfolg, natürlich auch im Machtkampf mit Parteifeind Meuthen. Das Signal aus Stuttgart soll lauten: Petry hält die Partei zusammen - auch in schweren Zeiten. Und Meuthen spaltet.

Petry wagt sich als erste aus der Deckung

Gegen 14.30 Uhr dann wagt Petry sich als erste aus der Deckung. Nicht etwa gemeinsam mit Meuthen, den sie mittags nur zu einem kurzen Vier-Augen-Gespräch trifft, sondern mit Emil Sänze, dem bisherigen Fraktionsvize. Es ist ein zackiger und kurzer Auftritt, Nachfragen sind nicht erlaubt. „Wir sind froh, dass Herr Gedeon nach vierstündiger Diskussion den Schritt aus der Fraktion heraus getan hat“, erklärt Petry. Sie setze nun auf intensive Gespräche zwischen allen AfD-Abgeordneten.

Was Petry damit meint, wird erst klar, als Sänze sich äußert. Man sei mit der „Restrukturierung“ der AfD-Fraktion beschäftigt, da man „wesentliche Funktionen“ verloren habe. Er biete aber allen Kollegen, die ausgeschieden sind, eine „Heimkehr“ an und freue sich auf jeden, der dies annehme.

Klares Signal gegen Antisemitismus

Dann ergreift Petry noch einmal das Wort. Die Abgeordneten, die am Dienstagabend mit ihr zusammensaßen, hätten „ein klares Signal gegen Antisemitismus gesetzt“, erklärt sie. Auf „Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ werde die AfD-Fraktion ihre Arbeit im Landtag von Baden-Württemberg fortsetzen. Die Spaltung ist also besiegelt, unwiderruflich.

Gut 90 Minuten später, Petry ist da schon wieder in Richtung Straßburg entschwunden, erklärt sich Jörg Meuthen. Soeben hat er bei Parlamentspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) die Gründung einer neuen Fraktion beantragt. Sie solle den Namen „Alternative für Baden-Württemberg“ tragen, „weil die alte Fraktion noch besteht und es zwei Fraktionen mit gleichem Namen nicht geben darf“. Er gehe davon aus, dass die neue Fraktion in einigen Tagen offiziell von Aras anerkannt werde.

Der Machtkampf geht weiter

Dann kommt die vielleicht wichtigste Nachricht des Tages. Mit viel Genugtuung in der Stimme verkündet Meuthen, dass ein weiterer Abgeordneter am Nachmittag die alte Fraktion verlassen habe. Es handle sich um Rainer Balzer aus Bruchsal. „Wir haben damit 14 Abgeordnete, die alte Fraktion nur noch acht“, so Meuthen. Er hoffe, dass sich weitere AfD-Mandatsträger ihm anschließen. Als Ziel gibt der Wirtschaftsprofessor aus: „Wenn noch drei Überläufer zu uns kommen, verlieren die übrig Bleibenden ihren Fraktionsstatus.“ Dann gäbe es wieder nur eine AfD-Fraktion.

Über Petry verliert Meuthen übrigens kein böses Wort. Das Gerede über den Machtkampf halte er für „überbewertet“, sagt er knapp. Aber eine Spitze kann er sich dann doch nicht verkneifen: „Ich käme in 100 Jahren nicht auf die Idee, als Parteivorsitzender nach Dresden zu reisen, um mich in Probleme der dortigen AfD-Landtagsfraktion einzumischen.“ Man ahnt – dieser Machtkampf geht weiter.