In Stockholm werden am Mittwoch die alternativen Nobelpreise verliehen: an eine Schwedin, eine Frau aus der Westsahara, eine Chinesin und einen Brasilianer. Wer sind die Visionäre, die eine bessere Welt wollen?

Stuttgart - Der seit 1980 verliehene alternative Nobelpreis wird am Mittwoch in Stockholm an vier Persönlichkeiten überreicht, die sich als „praktische Visionäre“ für die grundlegenden Rechte von Millionen von Menschen einsetzen und für eine „lebenswerte Zukunft auf unserem Planeten kämpfen“.

 

So hat es Stiftungsdirektor Ole von Uexküll formuliert, der Neffe des Stiftungsgründers Jakob von Uexküll, der den mit umgerechnet 93 000 Euro dotierten Preis einst als „Right Livelihood Award“ – zu deutsch „Preis für gerechte Lebensgrundlagen“ – aus der Taufe gehoben hat.

Greta Thunberg – Wellenritt zur Weltberühmtheit

Mit der Auszeichnung der 16-jährigen Schwedin Greta Thunberg ist dem Stiftungskomitee ein Coup gelungen, wenngleich es mit seiner Maxime, eher unbekannte Persönlichkeiten zu ehren, gebrochen hat. Denn die Klimaaktivistin hat binnen kürzester Zeit internationale Berühmtheit erlangt, und sie galt als Anwärterin des „echten“ Friedensnobelpreises.

Ihr Weg auf die Weltbühne begann am 20. August 2018 mit ihrem Sitzstreik vor dem schwedischen Reichstag: „Skolstrejk for Klimatet“ hatte die Schülerin auf eine Sperrholzplatte gepinselt, „Schulstreik fürs Klima“. Und sie saß dort allein. In der Folge löste Greta Thunberg, die an einem Asperger-Syndrom leidet, einer leichter Form von Autismus und sich als „stilles Mädchen“ bezeichnete, eine ungeahnte Welle der Solidarität und der Nachahmung aus: Die Schüler- und Studentenbewegung „Fridays for Future“ ist aus Gretas Aktion entstanden, sie hat Millionen im Protest gegen den mangelnden Klimaschutz auf die Straße gebracht.

Viele sind beeindruckt von Greta Tintin Eleonora Ernman Thunberg, wie sie mit vollem Namen heißt, weil sie auch in ihrer Lebensweise konsequent versucht, Treibhausgase einzusparen. Die Veganerin saß 65 Stunden im Zug, um zum Weltwirtschaftsforum nach Davos zu reisen, wo sie reden durfte. Und sie überquerte den Atlantik – um das Fliegen zu vermeiden – bereits zum zweiten mal mit einem Segelschiff. Erst am Dienstag traf sie mit einem Katamaran in Lissabon ein. Unvergessen ist Greta Thunbergs Wutrede vor einer UN-Versammlung im September in New York, wo die Klimaschützerin den Weltpolitikern zurief: „Wenn Ihr nichts tut, werden wir Euch niemals vergeben.“

Lesen Sie hier: Wie sieht Greta Thunbergs Geschichte aus?

Aminata Haidar – mutige Frau aus der Sahara

Aminata Haidar: Schon bei der Nennung der Nationalität von Aminata Haidar (53) aus der Westsahara, kann man sich in die Nesseln setzen: Marokkanerin, würde die Regierung Marokkos sagen. Sie selbst hat einmal in ein Reiseformular „Saharoui“ geschrieben, was ihr Ärger einbrachte. Nach der Entlassung aus der spanischen Kolonialherrschaft 1975 ist die Region Westsahara von Marokko annektiert worden. In Algerien lebt eine Exilgemeinde, die die Unabhängigkeit fordert, und mit der politischen Organisation Frente Polisario eine Exilregierung bildet.

Aminata Haidar aber hat immer in El Aaiun an der Atlantikküste gelebt, der „Hauptstadt“ der Westsahara, wo sie in ihrem Freiheitskampf ganz anderen Härten ausgesetzt war. Schon als junge Frau kam sie nach der Teilnahme an einer Demonstration für eine Volksabstimmung über eine Unabhängigkeit der Westsahara für vier Jahre ins Gefängnis. Ironie der Geschichte: Dort lernte sie ihren späteren Mann kennen, mit dem sie zwei mittlerweile erwachsene Kinder hat. Aminata Haidar gilt als die „saharouische Gandhi“, sie hat Haft, Folter und Hungerstreik ertragen. Als Marokko ihr 2009 nach einer Rückkehr aus den USA, wo sie einen Menschrechtspreis entgegen nahm, die Wiedereinreise verweigerte, trat sie auf Lanzarote in einen spektakulären Hungerstreik. Seit 2010 darf sie verhältnismäßig frei reisen.

Guo Jianmei – Rechtsbeistand für Chinesinnen

Guo Jianmei: Die 57-jährige Rechtsanwältin und Buchautorin Guo Jianmei aus China hat sich die Stärkung der Frauenrechte in ihrem Land und den Kampf gegen sexuelle Belästigung, häusliche Gewalt und Diskriminierung am Arbeitsplatz auf die Fahnen geschrieben.

Sie hat ein Netzwerk von Anwälten gegründet, das bereits mehr als 120 000 Frauen in China geholfen hat, einen Rechtsbeistand zu erhalten. Die mit einem Schriftsteller verheiratete Guo Jianmei gründete nach der Pekinger Weltfrauenkonferenz von 1995 ein Frauenberatungszentrum, das aber 2016 wieder schließen musste – ein Rückschlag in ihrer Arbeit.

Davi Kopenawa – Schamane aus dem Urwald

Davi Kopenawa: Über die Sorgen der Yanomami, ein isoliert zwischen dem südamerikanischen Fluss Orinoco und dem Amazonas lebendes Volk, kann Davi Kopenawa farbig erzählen. Wie Goldsucher in die von Brasiliens Regierung zur Schutzzone erklärten Region eindringen, und wie sie mit Quecksilber das Wasser verseuchen und mit dem Lärm ihrer Maschinen die Tiere vertreiben. Aber auch davon, wie junge Yanomani schon das Internet nutzen, wenn sie in der 300 Kilometer entfernten Stadt Boa Vista sind.

Der Spitzname Kopenawa steht für das Wort „Hornisse“. Davi Kopenawa ist Schamane, aber kein Häuptling, denn sein Volk kennt keine Machtstrukturen. Ungefähr im Jahr 1955 geboren, hat Kopenawa schon auf vielen internationalen Konferenzen ein Sprachrohr der indigenen Völker gewesen. Er hat sich für deren Landrechte, den Schutz ihrer Kultur und der Wälder eingesetzt. 1989 hat er für die Organisation „Survival International“ schon einmal den alternativen Nobelpreis entgegen genommen, jetzt erhält er ihn für sein Werk und die von ihm mitgegründete Organisation „Hutukara Yanomani“.