Es war eine gute Nachricht für den Hamburger Projektentwickler, der gerade in einem Sanierungsprozess steckte. Man habe ein großes Areal in Sindelfingen „an ein berufsständisches Versorgungswerk verkauft“, meldete er Ende 2024. Zugleich habe der Erwerber den Auftrag für Planung und Entwicklung eines gemischten Quartiers erteilt – ein „wichtiger Meilenstein“ beim Weg aus der Krise.
Aber war es auch ein gutes Geschäft für das namentlich nicht genannte Versorgungswerk? Das fragten sich Ärzte aus Baden-Württemberg – und wurden bei ihrer Pensionskasse in Tübingen vorstellig. Die Auskunft nahmen sie mit Erleichterung zur Kenntnis: Nein, die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt (BWVA) für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte sei nicht der besagte Käufer. Mediziner machen sich Sorgen wegen der Kapitalanlage ihrer Altersversorgung: Das kommt derzeit öfter vor. Schon seit einigen Jahren rumort es unter „Teilnehmern“ der BWVA, weil Rentenzahlungen und -ansprüche in der Niedrigzinsphase lange nur mager anstiegen. Kritische Ärzte erkundigten sich etwa, ob die öffentlich-rechtliche Anstalt unter Leitung der Präsidentin Eva Hemberger sparsam genug wirtschafte und ihr Milliardenvermögen in die richtigen Werte stecke. Von Tübingen aus werden immerhin mehr als 17 Milliarden Euro verwaltet, von denen 21 000 Ruheständler schon heute profitieren und 65 000 Aktive in Zukunft leben wollen. Doch die Initiativen fanden nur mäßige Resonanz: Ärzte beschäftigten sich eben lieber mit ihren Patienten als mit Zahlen, erklärten sich das die Kritiker.
Von Tübingen aus werden 17 Milliarden Euro verwaltet
Inzwischen treibt die wirtschaftliche Lage der Versorgungswerke deutlich mehr Mediziner um. Denn in den zurückliegenden Monaten mehrten sich die Medienberichte über Probleme bei einzelnen der bundesweit gut 90 Einrichtungen. „Verzockt am Immobilienmarkt“ – so oder ähnlich lauten die Schlagzeilen in den Zeitungen. Da geht es um Millionenabschreibungen zweier norddeutscher Pensionskassen für Zahnärzte und Apotheker bei einem Bürohaus im Frankfurter Bankenviertel oder um riskante Finanzierungen von Immobilienprojekten, die angeblich weit verbreitet seien. Hinzu kommen Berichte über Ärzte, die gegen ihre Versorgungswerke vor Gericht ziehen.
Dachverband der Versorgungswerke dringt auf Aufklärung
Bei der Ärztekasse in Tübingen sieht man sich von all dem nicht betroffen. Die in den Medien geschilderten Szenarien träfen „weiterhin nicht auf uns zu“, betont der Geschäftsführer Volker Mattausch. Doch die „VA“ sah sich inzwischen veranlasst, eine Erklärung ihres Dachverbandes auch auf ihrer Webseite zu veröffentlichen. „Mit Bedauern“ reagiert die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV), bei der Hemberger Vizepräsidentin ist, darin auf die Presseberichte zu „Irritationen über Investitionsverluste“. Danach hätten „einzelne Versorgungswerke bei ihrer Anlagestrategie nicht die nötige Sorgfalt walten lassen“. Man erwarte von ihnen, dass sie „die jeweiligen Sachverhalte intern aufklären und die entsprechend notwendigen Konsequenzen ziehen“.
Allgemein gibt es laut dem Dachverband aber keinen Grund zur Sorge. Für die Mitglieder habe man strenge Vorgaben für Kapitalanlage und Risikomanagement aufgestellt, die „Fehlinvestitionen“ verhindern sollten, lässt sich der ABV-Chef Rudolf Henke zitieren. Die Regeln seien zwar nicht verbindlich, aber die meisten Kassen hielten sich daran. Daneben biete man einen „Stresstest“ und Fortbildungen in professioneller Kapitalanlage für ehren- und hauptamtliche Kräfte. Trotz aller Vorsorge könne es bei einzelnen Investments „nicht absehbare negative Geschäftsentwicklungen“ geben. Etwaige Verluste würden in der Regel durch andere Erträge ausgeglichen. Zudem gebe es Reserven, damit sie sich nicht auf Renten und Anwartschaften auswirkten.
Zwei neue Vize-Geschäftsführer als Verstärkung
Man halte sich „eng an die Leitplanken“ der ABV, versichert der Tübinger BWVA-Geschäftsführer Mattausch. Bei allen Kapitalanlagen werde eine möglichst große Sicherheit und Rentabilität angestrebt, bei jederzeitiger Liquidität. Mehr über interne Abläufe dürfe man aus rechtlichen Gründen nicht verraten. Für die Aufsicht sei das Sozialministerium zuständig, im Benehmen mit dem Agrarressort, wegen der Tierärzte. Aus dem aktuellsten Geschäftsbericht ergibt sich, dass die größten Anlageposten mit jeweils um die 30 Prozent Aktien und festverzinsliche Wertpapiere sind; Immobilien machen nur gut zwölf Prozent aus.
Tagtäglich, betont Mattausch, beschäftigten sich „zahlreiche langjährig erfahrene Experten“ mit der Kapitalanlage. Seit wenigen Tagen haben sie an der Spitze Verstärkung bekommen: Als Vize-Geschäftsführer für diesen Bereich stieß Anfang April Alexander Banik neu zur „VA“. Zum 1. Juni kommt ein weiterer Vizechef für den Bereich Versorgung, Jan Krauß. Mit dem Ausbau der in den letzten Jahren immer wieder veränderten Geschäftsführung, heißt es, reagiere man auf die deutlich gestiegenen Teilnehmerzahlen – und die wachsenden Herausforderungen bei Verwaltung und Kapitalanlage. Eine unabhängige Findungskommission habe die beiden Neuzugänge vorgeschlagen, der Verwaltungsrat sei dem einstimmig gefolgt.