Die Landtagsabgeordneten rudern zurück, doch von Einsicht keine Spur. Dabei kann es eigentlich keine Rückkehr zur Staatspension geben, kommentiert unser Autor Reiner Ruf.

Stuttgart - Wie heißt es doch in einem alten Kinderlied, das in der Bischofsstadt Limburg im Streit über ein unschuldiges Glockenspiel jüngst zu neuem Ruhm gekommen ist? „Fuchs, du hast die Gans gestohlen, gib sie wieder her . . .“ Auch in Stuttgart strichen jüngst hungrige, nicht ganz so unschuldige Füchse um den Landtag, die sich in der Hoffnung auf einen knusprigen Braten eine Gans stibitzten, diese nun aber zumindest fürs Erste wieder herausgeben müssen. Der Beutezug schlug fehl. Warum das? Im Kinderlied tritt der Jäger mit dem Schießgewehr auf den Plan: „Seine große, lange Flinte schießt auf dich den Schrot . . .“ Das war in Stuttgart nicht nötig. Vielmehr hob im ganzen Land ein empörtes Gänsegeschnatter an, so dass die Füchse erschrocken zurückwichen. Aber sie trotzen und fauchen noch. Die Beute mussten sie fahren lassen, doch der Hunger ist geblieben. Ihre List schlug fehl, es gibt aber schon einen neuen Plan.

 

So traten also die Vorsitzenden der beiden Regierungsfraktionen Grüne und CDU sowie der Vormann der SPD am Dienstag vor die Presse und verkündeten ihren vorläufigen Rückzug bei dem Unterfangen, ihre Altersversorgung deutlich anzuheben. Eine Woche ist es her, dass sie an derselben Stelle ihr Vorhaben erstmals kundgetan haben. Deren Kernstück: die Rückkehr zur Staatspension, von der sich die Abgeordneten erst 2008 im Zuge der Parlamentsreform verabschiedet hatten. Mit der Privatvorsorge fürs Alter, so sagten sie damals, wollten sie sich der Lebenswirklichkeit der Wählerschaft annähern. Im Gegenzug erhöhten sie die Diäten (derzeit 7616 Euro) um fast ein Drittel. Doch blieben die erhofften Erträge in der Privatvorsorge aus, auch die gesetzliche Rentenversicherung erfüllte nicht die Erwartungen der Abgeordneten – obwohl sie für die Eigenvorsorge ein Extra von jetzt 1679 Euro erhalten.

Größtmögliches Debakel

Die Rückkehr zur staatlichen Alimentierung löste einen Proteststurm aus, der auch in dieser Stärke für jeden, der ein bisschen politische Erfahrung mitbringt, vorhersehbar war. Auch die Abgeordneten wussten um die Anfechtbarkeit ihres Tuns, sonst hätten sie das Gesetzesverfahren nicht im Eiltempo durch den Landtag gebracht. In Sonntagsreden kommen ihnen Worte wie Zivilgesellschaft, Transparenz oder Bürgerbeteiligung in wohlfeilen Reden gefällig über die Lippen, in eigener Sache handelten sie in bester Dunkelmännermanier. Die Aktion „Augen zu und durch“ endete im größtmöglichen Desaster. Der Einzige, der sich – wenn auch widerstrebend – nach dem Debakel herbeiließ, einen Fehler einzuräumen, war SPD-Fraktionschef Andreas Stoch.

Nun soll es eine Kommission richten – wie so oft, wenn die Politik im Schlamm stecken bleibt. Grüne, CDU und SPD geben ihr Projekt nicht auf, sie warten auf die Empfehlung anderer. Sie ziehen sich nicht selbst aus dem Morast durch ein entschlossenes Wort des Verzichts, sie tun das Übliche. Man darf gespannt sein, wie sich diese Kommission zusammensetzt. Die Rede war von Politikprofessoren, Staatsrechtlern, dem Rechnungshof – alles staatsnahe Leute. So wird die Lebenswirklichkeit nicht sehr breit abgebildet. Außerdem: Mit dem Landtag, dem obersten (Haushalts-)Gesetzgeber, legt sich niemand gerne an. Das zeigte sich bereits in der Debatte über einen Volksantrag. Flammende Verlautbarungen wurden veröffentlicht, zum Handeln aber mochte sich keiner der einschlägig hervorgetretenen Verbände aufraffen.

Abgeordneten von Grünen und SPD, die einer Bürgerversicherung das Wort reden, steht eine Flucht in die Staatspension eigentlich schlecht zu Gesicht, ebenso der CDU, der doch immer um Eigenverantwortung zu tun ist. Die Fraktionschefs beklagten, mit ihren Argumenten in der Debatte nicht durchgedrungen zu sein. Ganz schön scheinheilig. Wollten sie die öffentliche Debatte nicht partout verhindern?