Das Bundesfinanzministerium will die Kosten von Lebensversicherungen senken. Sparen sollen die Anbieter bei der Vergütung ihrer Vermittler. Kritiker befürchten eine Einschränkung des Beratungsangebots. Verbraucherschützern gehen die Pläne nicht weit genug.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Die Lebensversicherung steht unter Beschuss: Die Billiggeldstrategie der Europäischen Zentralbank (EZB) drückt die Verzinsung vor allem neuer Verträge, die Kosten sind aber nicht im gleichen Maße gesunken. Das Bundesfinanzministerium will deshalb die Provisionen deckeln, die Vermittler bei Abschluss einer Lebensversicherung einstreichen – und erntet Kritik von allen Seiten.

 

„Ein Provisionsdeckel wird dazu führen, dass sich einige Vermittler aus dem Geschäft zurückziehen und das Beratungsangebot schwindet“, warnt Jörg Schiller, Professor für Versicherungswirtschaft an der Universität Hohenheim. Verbraucherschützern wiederum ist die geplante Provisionsbegrenzung zu lasch.

Der noch unveröffentlichte Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums, der jetzt mit den übrigen Ministerien abgestimmt werden soll, sieht für Lebensversicherungen eine Deckelung der Abschlussprovisionen auf 2,5 Prozent der über die Vertragslaufzeit anfallenden Beiträge vor. Bei Erfüllung bestimmter Qualitätsmerkmale dürfte die Provision aber auf bis zu vier Prozent erhöht werden.

Jörg Schiller befürchtet gleichwohl, dass die Beratungsqualität leidet: „Ein Provisionsdeckel würde vor allem unabhängige Versicherungsmakler treffen.“ Als Makler werden freie Vermittler bezeichnet, die nicht bei einer Versicherung unter Vertrag stehen und Produkte vieler verschiedener Gesellschaften anbieten. Anders als Versicherungsvertreter bekommen Makler keine Bürokostenzuschüsse, sondern finanzieren sich komplett über Provisionen.

Verbraucherzentralen fordern Provisionsverbot

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) wiederum fordert ein vollständiges Verbot von Provisionen. Sie verleiteten Vermittler dazu, den Kunden bevorzugt Verträge von Gesellschaften anzubieten, die sie besonders gut bezahlten: „Ein Berater kann im Grunde kein niedrig provisioniertes Produkt empfehlen, sonst arbeitet er gegen seine eigenen Interessen“, sagt VZBV-Expertin Dorothea Mohn.

Ein Provisionsverbot würde zu einer Beratungslücke führen, warnt dagegen Experte Schiller: „Viele Menschen tun ja ohnehin zu wenig für die private Altersvorsorge.“ Die bei Honorarberatern üblichen Sätze von 150 Euro pro Stunde würden gerade auf einkommensschwache Bevölkerungsgruppen abschreckend wirken. Bei der Provisionsberatung finde hingegen eine gewisse „Quersubventionierung“ statt: Dank den hohen Provisionen aus großvolumigen Verträgen könnten sich die Vermittler leisten, auch Kunden zu bedienen, deren Lebensversicherungen ihnen wegen vergleichsweise niedriger Beitragszahlungen nur geringe Erträge einbrächten.

Zwar gibt es auch beim Honorarmodell die Möglichkeit, anstelle fester Stundensätze eine Vergütung als Prozentsatz des Vertragsvolumens zu berechnen. Allerdings bleibt in diesem Fall ein Interessenkonflikt bestehen: Geld fließt nur, wenn tatsächlich ein Vertrag geschlossen wird – was eine ergebnisoffene Beratung verhindern kann.

Auch die Höhe des Deckels ist umstritten

„Wenn man ein Provisionsverbot wollte, müsste man eine Honorarordnung einführen“, folgert Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bunds der Versicherten (BdV). Er plädiert für einen Mittelweg: Provisionen sollten erlaubt bleiben – aber nur bis zu einer Obergrenze von 1,5 Prozent. Nur so könne ein faires Verhältnis zwischen Provisionen und den Garantieleistungen der Lebensversicherung hergestellt werden.

Der Hintergrund: Der Garantiezins auf Lebensversicherungen ist seit 1994 von vier auf 0,9 Prozent zurückgegangen. Damit sanken die Summen, die den Kunden im Alter mindestens ausgezahlt werden müssen. Zwar liegen die Leistungen faktisch über den Garantiebeträgen, weil es den Versicherungen bislang gelingt, den Garantiezins zu übertreffen. Aber weil sich die Kunden darauf nicht verlassen könnten, müsse sich der Provisionsdeckel an der Garantieleistung bemessen, so Kleinlein.

Jörg Schiller dagegen sieht schon bei einer Deckelung der Provisionen die Gefahr, dass Versicherungsvermittler sich nur noch um wohlhabende Kunden bemühen. Wenn die Politik eine Falschberatung befürchte, „müsste sie den Vermittlern eben stärker auf die Finger schauen“. Sie sollten der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen unterstellt werden, fordert der Wissenschaftler: „Die müsste dann die Beratungsprotokolle kontrollieren.“

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen will der Gefahr einer Beratungslücke durch die Schaffung eines staatlichen Vorsorgefonds begegnen, der einen Teil der Löhne aller Arbeitnehmer am Kapitalmarkt anlegen und daraus später eine Zusatzrente zahlen würde. Da diese Lösung auf alle Beschäftigten angewandt würde, die nicht widersprechen, wäre hier kein aktiver Vertrieb erforderlich.