Die Zahl derjenigen, die im Rentenalter arbeiten, wächst. Altersarmut ist dafür nicht der einzige Grund. Was gut qualifizierte ältere Beschäftigte antreibt weiterzumachen – oft in Teilzeit –, ist nicht in erster Linie das Geld.

Stuttgart - Für die meisten Beschäftigten ist die Vorstellung bis 70 zu arbeiten ein Horror. Andreas Schwarz weiß das sehr wohl. Auch deshalb mag der Chef der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) in der Diskussion um die Verlängerung der Lebensarbeitszeit keine feste Altersgrenze nennen. Eine feste Zahl polarisiere. Aber dass die politische Diskussion zur Rente mit 67 nicht zu Ende ist, da ist er sich sicher. Denn die Fakten sprechen für sich.

 

Auf ein Erwerbsleben von rund 40 Jahren folgt im Schnitt 20 Jahre lang eine gesetzliche Rente. „Es ist eine Herausforderung“ für die gesetzliche Rentenversicherung, sagt der Chef der DRV im Südwesten, für die Dauer von 20 Jahren Ruhestand „eine auskömmliche Altersversorgung“ aufzubringen. Und die Menschen werden immer älter. „Jeder sollte begreifen, dass sich 20 Jahre nicht einfach auf 25 Jahre ausdehnen lassen, wenn die Menschen weiterhin nur 40 Jahre arbeiten“, sagt Schwarz. „Das ist nicht finanzierbar.“ Vielmehr sei zu diskutieren, ob in der immer länger werdenden Rentenphase „nicht noch zehn Jahre in Teilzeit gearbeitet werden kann und dafür ein Teil der Rente für später aufgespart werden kann.“

Folgen der demografischen Veränderung

Die demografische Veränderung bewirkt, dass immer weniger Erwerbstätige für immer mehr Rentner aufkommen müssen. Deshalb hält es Schwarz für richtig, mit dem Ruhestand flexibel anzufangen. „Es gibt nicht mehr das in Stein gemeißelte Ruhestandsalter.“ Zumal für nicht wenige Menschen auch die Rente mit 65 schon ein anspruchsvolles Ziel sei. Bei körperlich belastender Arbeit oder bei gesundheitlichen Problemen lasse sich die Lebensarbeitszeit nicht einfach verlängern.

Die Beschäftigungsquote Älterer ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Von den 60- bis 64-Jährigen waren 2007 rund 33 Prozent beschäftigt, 2017 waren es schon 58 Prozent. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich hinter Schweden, das Spitzenreiter in dieser Altersklasse ist. Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung können sich sogar zwei Drittel der 50- bis 64-Jährigen vorstellen, auch im Rentenalter noch einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen. Aber nicht mehr in Vollzeit.

Das Flexi-Renten-Gesetz, das seit eineinhalb Jahren gilt, „ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Elisabeth Benöhr, die ebenfalls in der Geschäftsführung der DRV Baden-Württemberg ist. „Es vereinfacht es, neben vorgezogenen Renten mehr dazu zu verdienen. Zusätzlich erhöhen die Beiträge aus dem Hinzuverdienst regelmäßig die Rente.“ Beträgt der Hinzuverdienst mehr als 6300 Euro im Jahr wird dies auf die Rente zu 40 Prozent angerechnet. Die Rente wird aber nicht gekürzt, wie beide Rentenexperten betonen. Vielmehr wird der nicht ausbezahlte Teil dem eigenen Rentenkonto gutgeschrieben und erhöht die spätere Voll-Rente. Hat man die Regelaltersgrenze erreicht – 2019 liegt sie bei 65 + 8 Monaten – darf man hinzuverdienen, so viel man will.

Beschäftigte fragen nach der Teilrente

„Das Interesse an der Flexi-Rente wächst stetig. Der Anreiz zeigt Wirkung“, sagt Benöhr. Pro Quartal führt die Rentenversicherung in Baden-Württemberg 10 000 Beratungen zu diesem Thema durch. „Inzwischen schicken Arbeitgeber ihre Beschäftigten in die Beratung zu uns, weil sie mit ihnen weiter planen wollen.“ Die Mitarbeiter erkundigen sich wie hoch die Teilrente ist, die sie neben dem Hinzuverdienst ausbezahlt bekommen. Die Teilrente sei eine „Win-Win-Situation“, sagt Schwarz. Der Arbeitgeber könne eine Fachkraft bis 67 oder länger im Betrieb halten, wenn auch nur noch in Teilzeit. Und der Beschäftigte freut sich, weil sein Wissen noch gebraucht wird und er die sozialen Kontakte schätzt – und er erhöht noch seine Rente.

Von 2007 bis 2017 hat sich der Anteil der 65-69-Jährigen, die erwerbstätig sind, mehr als verdoppelt – von etwas über sieben auf 16,1 Prozent. Es sind vor allem „die Besserqualifizierten“ sagt Schwarz, die im Rentenalter noch in Teilzeit arbeiten und „sehr viele Selbstständige“. Geringqualifizierte würden eher selten länger arbeiten und falls doch in einem Mini-Job. Der Chef der Rentenversicherung Baden-Württemberg hofft, dass mehr Arbeitgeber Teilzeitarbeit für Ältere anbieten und diese Flexibilisierung zulassen. Denn nicht nur wegen der guten Wirtschaftslage, auch aufgrund der demografischen Entwicklung wird es für Unternehmen immer schwieriger, Stellen nachzubesetzen. Die Geburtsjahrgänge der 50er und 60er Jahre machen 30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland aus. Sie werden dem Arbeitsmarkt dramatisch fehlen, heißt es dazu in der Forsa-Studie.

Prävention und Reha sind wichtige Angebote

Auch deshalb hat die Rentenversicherung ihre Programme, um Mitarbeiter gesund und damit länger im Arbeitsleben zu halten ausgebaut. Prävention und Reha sind wichtige Bausteine im Angebot. Neben der medizinischen Reha schließt das auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ein wie berufliche Orientierungsgespräche, Coaching bei Konflikten am Arbeitsplatz und technische Hilfsmittel.

Werden die Menschen zunehmend gezwungen sein im Alter zu arbeiten, weil die Rente zum Auskommen nicht mehr reicht? Altersarmut hat klare Ursachen, sagt Schwarz, allen voran „die fehlende Erwerbsbeteiligung“. Heute seien es oft alleinerziehende Frauen in Westdeutschland, die wegen der Kinder einige Jahre aussetzen und dadurch geringe Anwartschaften haben. „In ein paar Jahren werden wir sehen: Altersarmut ist in Ostdeutschland männlich, geringqualifiziert und in der Regel alleinstehend“, sagt Schwarz. Diese Gruppe ist häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen. Ohne Partnerin, die etwas zum Haushaltseinkommen beisteuern könne, sei es schwer, im Alter mit einer geringen Rente auszukommen.