Das Gebäude mit dem Turm am Erwin-Schoettle-Platz ist einst ein Feuerwehrmagazin gewesen.
S-Süd - Der Turm zieht auch heute noch von weitem die Blicke auf sich. Das Alte Feuerwehrhaus ist zu einer unverzichtbaren Einrichtung im Stadtteil Heslach geworden: Vom Rockkonzert bis zum Senioren- und Vereinstreff, vom preiswerten Mittagessen bis hin zu multikulturellen Veranstaltungen ist es inzwischen längst über die Stadtteilgrenzen hinaus bekannt.
Seine ursprüngliche Funktion war jedoch eine andere: Im Jahr 1863 gründeten Heslacher Bürger eine Freiwillige Feuerwehr. Anlass war ein verheerender Brand in der Böblinger Straße gewesen. Die Heslacher sollen dabei entsetzt festgestellt haben, dass von einer geübten Feuerwehrmannschaft bis hin zu den erforderlichen Löschgeräten alles fehlte. Viele Einwohner spendeten Geld für die Ausrüstung. Als provisorisches Feuerwehrmagazin diente das Gemeindehaus.
Nach einigen Jahren hatte sich die Freiwillige Feuerwehr im Stadtbezirk etabliert und einige „Feuerproben“ bestanden. Was jetzt noch fehlte, war ein richtiges Feuerwehrhaus. Die Stadtväter kamen deshalb auf die Idee an der Ecke Möhringer- und Schreiberstraße, gegenüber der Matthäuskirche, ein Feuerwehrmagazin bauen zu lassen. Eine Turnhalle sowie einen Beobachtungsturm fügte man gleich an. Das heute unter Denkmalschutz stehende Haus plante der Stadtbaurat Emil Mayer 1888. Im selben Jahr wurde es als erste Feuerwache Stuttgarts eingeweiht. Hinter den großen Türen, die zur Möhringer Straße führten, bewahrten die Feuerwehrmänner nun ihre Geräte auf. Von dem Turm aus konnte der jeweils diensthabende Wachmann den Stadtbezirk beobachten. Im Brandfall läutete er eine Glocke.
Der Erste Weltkrieg verändert die Strukturen
Kaum dreißig Jahre nach dem Bau des Feuerwehrmagazins löste sich die freiwillige Einsatztruppe allerdings wieder auf. Ein Grund war wohl, dass viele Feuerwehrmänner im Ersten Weltkrieg gefallen waren, und die übrigen Feuerwehrmänner inzwischen wohl zu alt geworden. Es herrschte Nachwuchsmangel. Im September 1920 zog die Freiwillige Feuerwehr deshalb einen Schlussstrich und gab die Sicherheit Heslachs in die Hände der Berufsfeuerwehr Stuttgart.
Im obersten Stockwerk war schon kurz zuvor ein Waisenhaus für Knaben eingerichtet worden. Die leer stehenden Räume im unteren Stockwerk fungierten als Suppenküche. Der Turm mit seinen Rundbogenfenstern und den Säulen in der Mitte, dem Fachwerkbau und den gelb und grün leuchtenden Dachziegeln war längst das Schmuckstück Heslachs. Ein Grund, warum das Gebäude wohl größtenteils erhalten wurde. Auf alten Bildern hatte das Gebäude noch ein zweites Tor, wohl für die Ausfahrt der Autos. Heute hat das Gebäude normale Türen, die nach innen aufgehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das Gebäude als Volksküche. Später traf sich in dem Haus zeitweise ein Frauenkreis, den Helene Schoettle, die schwäbische Mutter Theresa, geleitet hatte. Die Sozialdemokratin setzte sich zeitlebens für Ältere und Behinderte ein. Ihre Frauengruppe nannte sie „Blaustrümpfler“, genau so wie sich auch die Heslacher selbst nannten. Nach ihrem Mann Erwin Schoettle, einem führenden Sozialdemokrat, ist der Platz vor dem Alten Feuerwehrhaus benannt.
Viele Vereine von Migranten nutzen das Haus heute
Knapp 100 Jahre nach der Erbauung ließ die Stadt Stuttgart das Gebäude restaurieren und umbauen: In den ersten Stock kam eine Begegnungsstätte, drei Jahre später in das Erdgeschoss ein Gemeinwesenzentrum. Ab diesem Zeitpunkt kehrte in das Alte Feuerwehrhaus wieder Leben ein.
Die Arbeiterwohlfahrt bewirtschaftet und verwaltet das städtische Gebäude. Im ersten Stock sorgt sie in der Begegnungsstätte für ältere Menschen. Neben einem Ort für Geselligkeit erhalten die älteren Heslacher hier auch Unterstützung im Alltag und Betreuungsangebote wie einen ambulanten Pflegedienst. Auch viele Vereine nutzen das Gebäude für ihre Feste, die Hälfte davon sind Migrantenvereine. „Wir hatten hier schon mit fast jedem Kontinent zu tun – bis auf Australien“, sagt Hubert Reiss, der Hausleiter, stolz.