Die Musberger Galerie im Alten Rathaus zeigt von Samstag, 20. Januar, an Arbeiten der Künstlerin Bettina Pradella aus Stuttgart-Rohr. Ihre Arbeiten regen zum Nachdenken darüber an, ob der Mensch Einfluss hat auf den Gegenstand, mit dem er interagiert. Ein Besuch vor der Ausstellungseröffnung.

Musberg/Rohr/Bad Cannstatt - Der Taucher, der sich im Haikäfig auf seinen Einsatz vorbereitet, der vermummte Demonstrant mit der zerbrochenen Flasche in der Hand, der für sein Vorhaben Schutzkleidung angelegt hat: beide sind Geschöpfe der Künstlerin Bettina Pradella. Sie bildet Menschen vor oder im Moment des Handelns ab und zeigt gesichtslose Figuren mit einem Gewirr von Spannbändern und Kabeln in den Händen. Unter dem Stichwort „Reaktionen“ präsentiert die Galerie Altes Rathaus in Musberg von morgen, Samstag, an eine Auswahl an Buntstiftzeichnungen und Ölgemälden der in Rohr lebenden Künstlerin. Pradella, im Brotberuf für die Immobilienbranche tätig, teilt sich in Bad Cannstatt ein Atelier mit Kollegen.

 

Die Schönheit von Spannbändern und Kabeln

Die 1980 in Köln geborene Künstlerin hat an der Stuttgarter Akademie studiert und ist vielfach an Ausstellungen der Region beteiligt, unter anderem als Mitglied des Vaihinger Kunstvereins Kultur am Kelterberg. Sie ist fasziniert von den unterschiedlichen Farben, die Spannbänder, Kabel, Paketbänder oder Plastikbeutel mit Textilien aufweisen. Die von ihr dargestellten Menschen tragen diese Bänder und Gegenstände als Knäuel vor ihrem Körper, halten sie vor das Gesicht oder versuchen, sich aus einer Umschlingung zu befreien. „Ich zeige, was Menschen machen, und nicht, was sie sind“, erläutert Pradella bei einem Gespräch in der Musberger Galerie, warum sie Wert darauf legt, dass es sich nicht um Porträts handelt. Auch keine Selbstporträts, obwohl sie nicht selten als Modell zu erkennen ist.

Wie selbstbestimmt handeln wir?

Es geht der Künstlerin vielmehr um die Frage nach dem Wesen der Freiheit: „Wie selbstbestimmt sind wir wirklich, wie fremdbestimmt sind wir eigentlich?“ Ihre Arbeiten regen zum Nachdenken darüber an, ob der Mensch Einfluss hat auf den Gegenstand, mit dem er interagiert. Während sich der Taucher im Haikäfig auf einen menschenfeindlichen Lebensraum einstellt und sich mithilfe eines Gefängnisses eine neue Welt erschließt, haben ihre Demonstranten Schutzkleidung angelegt und nutzen Gebrauchsgegenstände als improvisierte Waffen.

Bettina Pradella ist durchaus politisch interessiert. „Aber auf friedliche Weise“, betont sie. An den Demonstranten will sie vor allem die Grundhaltung des Aufbegehrens und Ringens zeigen. Ob der Mensch aus seinen Zwängen ausbrechen kann oder will, das sind ihrer Meinung nach existenzielle Fragen.

„Ungefragt ausgeliehen“

Titel wie „ungefragt ausgeliehen“ oder „bereit halten“ sind typisch für Bettina Pradella, die gerne Verben oder Partizipien gebraucht und ihre Bildüberschriften nicht selten mehrdeutig gestaltet. Der Vermummte, der mit dramatischer Geste vor einem Theatervorhang ein Ortsschild entwendet, ist für sie ein Symbol dafür, dass Ausbruchsversuche durchaus auch ironisch zu betrachten sind. „Er kommt sich so groß vor, so bedeutend. Aber vielleicht ist das nur ein Zwergenaufstand“, meint die Künstlerin.

Vernissage Der Kulturkreis Leinfelden-Echterdingen lädt für Samstag, 20 Januar, um 17 Uhr zur Eröffnung in die Galerie Altes Rathaus, Filderstraße 44, in Musberg. Die Zeichnungen und Gemälde von Bettina Pradella sind bis zum 18. Februar samstags von 16 bis 18 Uhr und sonntags von 11 bis 13 Uhr zu sehen.