Sieben Minuten für das erste Kennenlernen: 50 Kontaktfreudige haben sich zum ersten Speed-Dating im Alten Schloss in Stuttgart getroffen. Dabei sind Grundkenntnisse im Small-Talk von Vorteil.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Stuttgart - Christian erwartet nachts im Museum keine Märchenprinzessin. Der 36-Jährige wäre beim Speed-Dating im Alten Schloss schon mit einem netten Plausch zufrieden. Er ist neu in der Stadt, will Leute kennenlernen. Nicht, dass in der Ausstellung „Im Glanz der Zaren“ ein Mangel an blaublütigen Damen wäre, aber die sind ja schon tot. 50 Frauen und Männer haben sich am Freitagabend zum Speed-Daten angemeldet, bis auf drei Vertreter des starken Geschlechts hat keiner gekniffen. „Zahlt isch zahlt“, bemerkt eine 57-Jährige Teilnehmerin pragmatisch, räumt aber ein, dass auch sie noch am Nachmittag gezaudert hatte: „Ich dachte, was hab’ ich mir da bloß eingebrockt?“

 

25 Euro kostet der Spaß. Man meldet sich im Internet an, wählt einen Spitznamen, teilt sich in eine der drei Altersgruppen ein und kommt zum Date. Jeweils sieben Minuten spricht man mit allen Teilnehmern des anderen Geschlechts. Wer gefällt, wird auf einem Zettel notiert und kann später via Internet kontaktiert werden, so der andere das auch wünscht.

Serab und Johanna sind im Doppelpack gekommen, die Freundinnen um die 30 sitzen im Foyer des Museums und taxieren diskret die anderen Teilnehmer, während sie an ihren Sektgläsern nippen. „Man muss das mal erlebt haben“, bemerkt Serab, als begebe sie sich auf eine Studienreise.

Den kulturbeflissenen jungen Damen hat die Location überzeugt, weil dabei gewissermaßen vorab die Spreu vom Weizen getrennt wird: „Da kommen eher Männer, die mit Kunst und Kultur etwas anfangen können.“ Ihre Erwartungen haben die beiden Frauen dennoch vorsichtshalber etwas heruntergedimmt, damit sich hinterher die Enttäuschung in verschmerzbaren Grenzen hält: „Unwahrscheinlich, dass ich hier meinen Traumtypen treffe“, sagt Serab. Und Johanna sinniert: „Ich bin sowieso nicht der Typ, der sich gleich verliebt.“ Kein Prinz, aber ein Love-Angel kommt angeschwebt. Er heißt Chris Ziegler, ist 32, trägt Anzug und weist die Kandidaten ein. Am Bauch baumelt das Love-Angel-Schild seiner Agentur. Date York veranstaltet im ganzen Bundesgebiet Speed-Datings, meist in Hotels. „Von zehn Teilnehmern lernen 8,3 jemanden kennen. Es gibt aber auch welche, die räumen richtig ab und haben am Ende drei oder mehr Kontakte“, sagt Ziegler. Die Museums-Location ist neu, und anfangs ist es in bisschen chaotisch. Die Idee, ein Dating in der aktuellen Ausstellung zu veranstalten, kam aus der Marketingabteilung des Landesmuseums.

Grundkenntnisse im Small-Talk sind hilfreich

Die Paare werden an die 23 Tische bugsiert, die zwischen riesigen Porträtgemälden und Vitrinen mit Prunk aus zaristischer Zeit stehen. „Tolle Kulisse“, bemerkt einer der Teilnehmer.

An den Tischen wird bald munter parliert. Vermutlich melden sich Stockfische und maulfaule Muffel gar nicht erst zum Speed-Daten an. Es liegt ja auf der Hand, dass man Grundkenntnisse im Small-Talk mitbringen sollte. Viele Teilnehmer der Museumsrunde üben zudem Berufe aus, in denen sie mit Menschen zu tun haben: Krankenschwester, Arbeitsvermittler, Lehrer, Ergotherapeutin.

Ein 32-jähriger Ingenieur zieht nach vier Damen Zwischenbilanz: „Es sind eher lockere Gespräche als Flirts.“ Natürlich habe er „auch gar nicht erwartet, dass ich hier die Frau fürs Leben treffe, mit der ich heute Abend unsere 18 Kinder plane“. Ein Gespräch, „bei dem man gar nicht merkt, wie die Zeit vergeht“, würde ihn schon zufriedenstellen. Aber das passiere entweder spontan oder gar nicht. Er habe sich keine Fragen zurechtgelegt. „Ich will sehen, was vom anderen zurückkommt, wenn ich drauf schieße.“ Mit Vorgaben kann auch die Fraktion zwischen 40 und 56 Jahren wenig anfangen. Es beeindruckt sie nur mäßig, wenn der Love-Angel vehement mit dem Löffel ans Sektglas hämmert und die Kandidaten zum Partnerwechsel auffordert.

Bei den beiden Freundinnen, dem Ingenieur und der 57-Jährigen kommt am Ende exakt das heraus, was sie angekündigt hatten: ein paar nette und ein paar belanglose Unterhaltungen, mehr nicht. Einige haben sich vorgenommen, mit ihren Gesprächspartnern Kontakt aufzunehmen. Im Internet kann außerdem jeder alle seine Partner bewerten und Punkte für Sympathie, Gespräch, Körpersprache und Aussehen vergeben. Jeder Teilnehmer erhält die Bewertungen der anderen als Grafik zusammengefasst. Wenn also schon weder Prinz noch Prinzessin herausgesprungen ist, so hält man am Ende doch wenigstens ein ausgedrucktes Balkendiagramm in Händen, das einem den eigenen, aktuellen Marktwert vor Augen stellt.