Region: Verena Mayer (ena)

Michael Sigloch findet dieses Vorgehen nicht ungeschickt – aus Sicht des Kreises. Aus seiner Sicht bedeutet es aber, dass seriösen gewerblichen Sammlern die Existenzgrundlage entzogen wird. Sechs der Firmen, die Wolf Eisenmann aus dem Landkreis verbannen will, haben Beschwerde beim Verwaltungsgericht in Stuttgart eingelegt. Und Siglochs Fachverband erwägt sogar eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Die Textiler, wie sie sich nennen, sehen ihr Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit verletzt. Zumal Wolf Eisenmann nicht der Einzige ist, der das Altkleidergeschäft kommunalisieren will. Dieser argumentiert: „Die Bürger finanzieren mit ihren Gebühren die Abfallentsorgung des Kreises. Warum sollen sie nicht auch einen Nutzen haben, wenn sich das Sammeln lohnt?“

 

Am Fuß der schmalen hölzernen Treppe im Erdgeschoss steht ein mit T-Shirts vollgestopfter Rollcontainer. Die Leibchen werden nicht nach oben gebracht in den nach Weichspüler duftenden Raum, wo die flinken Frauen die Kleidung befreien und in Körbe und Boxen sortieren. DieT-Shirts sind nagelneu, könnten problemlos getragen werden. Nur der Druck ist nicht ganz einwandfrei, deshalb gehen sie nicht, wie vorgesehen, in den Handel. Sie werden auch nicht günstig verkauft. Michael Sigloch wird sie zerschneiden lassen und als Putzlumpen anbieten. Er will nicht, dass die braunen Oberteile in Umlauf kommen: Sie tragen das Logo und den Namen der umstrittenen Deutschrock-Band Frei.Wild. Michael Sigloch ist überzeugt, dass die Lumpensammler von der unseriösen Konkurrenz nicht so zimperlich wären und sich freiwillig Geld entgehen ließen.

Sigloch zahlt seinen sieben Mitarbeitern einen Mindestlohn von 9,50 Euro. Mindestens einmal pro Woche leeren sie die Container, die mit Adresse und Telefonnummer seiner Firma versehen sind. Dort wird nicht nur die Eins-a-Ware verwertet, alles wird recycelt. Für unbrauchbare Jeans findet sich eine Verwendung in Dachpappe, untragbare Jacken verwandeln sich in Hutablagen und Fußmatten für die Autoindustrie. Für rund 90 Prozent der Altkleider gibt es eine neue Verwendung. „Trotzdem werden wir in einem Atemzug mit Stehle und Klau genannt“, schimpft der Industriekaufmann, der sich fragt, wie lange er die Kleiderschlacht noch mitkämpfen kann.

Fachverband verweist auf Qualitätssigel

Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hat dem Kreis Böblingen inzwischen verboten, einfach die Container der gewerblichen Sammler abzubauen. Deren Interesse, weiterarbeiten zu können, habe Vorrang vor dem Interesse des Kreises, sofort alle gewerblichen Sammlungen zu verbieten. Doch der Streit geht weiter. Vizelandrat Eisenmann ist sicher, dass er im Recht ist, und hat Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt.

Alle von der Stadt Stuttgart genehmigten Kleidercontainer sehen Sie in der folgenden Karte!

 (Quelle: Stadt Stuttgart)

Afrikaner schätzen europäische Gebrauchtkleider

Die Zeitungsgeschichte spielt in Stuttgart. Dort ist die Polizei im vorigen Dezember zufällig einem Sammler auf die Schliche gekommen, der in der gesamten Region 315 Altkleidercontainer ohne Genehmigung platziert hatte. „Und kennen Sie die Geschichte aus Leipzig?“, fragt Michael Sigloch aufgebracht. Sicherheitshalber erzählt er sie: In Leipzig sind im vergangenen Sommer über Nacht 100 Kleidercontainer aus dem Boden geschossen. Als die Stadt die rabiaten Sammler aufforderte, ihre Kisten wieder abzubauen, weigerte sich das Unternehmen, klagte – und übersäte Leipzig nebenbei mit weiteren 660 Containern. Nach monatelangem Hin und Her baute die Stadt sämtliche rund 800 Stück schließlich selbst ab.

Mindestens 750 000 Tonnen Kleidung tragen die Deutschen jährlich zur Wiederverwertung. Bei einem Preis von 30 Cent pro Kilo hat die Gebrauchtware einen Wert von 225 Millionen Euro. Und 30 Cent sind eher die untere Grenze. Michael Sigloch kassiert für ein Kilo der Kategorie Tropical Mix, das sind leichte Baumwollstoffe, 60 Cent. Ein Kilo gefütterter ärmelloser Westen bringt 70 Cent. In tonnenschwere Ballen gepresst, gelangt die Ware nach Afrika, Osteuropa, Asien, wo sie meist umgenäht und weiterverkauft wird. Die Nachfrage rührt daher, dass Afrikaner europäische Gebrauchtkleider inzwischen mehr schätzen als chinesische Billigware. Und daher, dass auch Osteuropäer Geschmack an der Ware aus der Nachbarschaft gefunden haben.

Afrikaner schätzen europäische Gebrauchtkleider

Die meisten Deutschen spenden ihre ausgetragene Kleidung in dem Glauben, damit einen guten Zweck zu erfüllen. Doch so viele Notleidende, denen die Gaben geschenkt werden könnten, gibt es in Deutschland gar nicht. Trotzdem kommt die soziale Masche oft zum Einsatz. Erst neulich wieder hat Sigloch in Backnang Container der Babynothilfe abgebaut. Der Auftrag dafür kam von der Stadtverwaltung. Denn die Babynothilfe ist keineswegs so karitativ, wie der Name vorgibt. In Rheinland-Pfalz sind die Kisten der Organisation sogar verboten, weil „erhebliche Zweifel an ordnungsgemäßen Sammlungen und einer zweckentsprechenden Verwendung des Sammlungsertrags“ bestehen. Einrichtungen wie die Babynothilfe gibt es viele. Sie schmücken sich mit gefühligen Namen, appellieren an die Hilfsbereitschaft der Spender („Helfen Sie, damit wir helfen können“) und zieren ihre Sammelzettel mit Symbolen, die an kirchliche oder soziale Organisationen erinnern. Tatsächlich stellen auch sie ihre Container illegal auf.

Seit sich die vermeintlich guten Sammler auch im Rems-Murr-Kreis ausgebreitet haben, seien die Kleidermengen in den Containern des dortigen Roten Kreuzes deutlich weniger geworden, hat Michael Sigloch festgestellt. Seine Firma leert die Boxen für den Verein, sortiert die Ware und verkauft sie. Anders als die dubiosen Vereine verheimlicht das Rote Kreuz aber nicht, dass hinter der Sammlung ein Privatunternehmen steht, das ihm zudem einen Großteil des Erlöses weitergibt. Das Geld wird für die soziale Arbeit genutzt.

Textiler klagen vor Verwaltungsgericht

Starke 100 Kilometer von Schwäbisch Hall entfernt sitzt Wolf Eisenmann. Der Vizelandrat von Böblingen und Chef des kreiseigenen Abfallwirtschaftsbetriebs hat sich eingehend mit dem Kleidermarkt befasst und festgestellt: „Das ist ein Bombengeschäft.“ Eisenmann will sich das nicht entgehen lassen. Seit Neuestem sammelt der Landkreis außer Rest- und Biomüll, Papier und Schrott auch gebrauchte Textilien. Rund 200 Container hat Eisenmann bereits aufstellen lassen, 260 sollen es bis Mitte Juli werden. Im Auftrag seines Abfallwirtschaftsbetriebs soll nur noch eine Firma die Kleiderboxen leeren dürfen. 14 Unternehmen haben sich um die Lizenz beworben. Michael Sigloch hat mitgemacht. Er bot pro Tonne Altkleider 442 Euro. Auf Platz eins schaffte es ein Gebot über 500 Euro.

Mindestens eine halbe Million Euro will Eisenmann mit diesem neu entdeckten Geschäftszweig pro Jahr verdienen. Seine Kalkulation sieht vor, dass durch die zusätzlichen Einnahmen die Müllgebühren nicht steigen. Und dass durch das Sammelmonopol des Kreises der Wildwuchs der Kleidercontainer gestoppt wird. Rigoros haben die Mitarbeiter der Müllabfuhr im Frühjahr damit begonnen, nicht lizenzierte Kisten abzubauen.

Soll das Geschäft kommunalisiert werden?

Michael Sigloch findet dieses Vorgehen nicht ungeschickt – aus Sicht des Kreises. Aus seiner Sicht bedeutet es aber, dass seriösen gewerblichen Sammlern die Existenzgrundlage entzogen wird. Sechs der Firmen, die Wolf Eisenmann aus dem Landkreis verbannen will, haben Beschwerde beim Verwaltungsgericht in Stuttgart eingelegt. Und Siglochs Fachverband erwägt sogar eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Die Textiler, wie sie sich nennen, sehen ihr Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit verletzt. Zumal Wolf Eisenmann nicht der Einzige ist, der das Altkleidergeschäft kommunalisieren will. Dieser argumentiert: „Die Bürger finanzieren mit ihren Gebühren die Abfallentsorgung des Kreises. Warum sollen sie nicht auch einen Nutzen haben, wenn sich das Sammeln lohnt?“

Am Fuß der schmalen hölzernen Treppe im Erdgeschoss steht ein mit T-Shirts vollgestopfter Rollcontainer. Die Leibchen werden nicht nach oben gebracht in den nach Weichspüler duftenden Raum, wo die flinken Frauen die Kleidung befreien und in Körbe und Boxen sortieren. DieT-Shirts sind nagelneu, könnten problemlos getragen werden. Nur der Druck ist nicht ganz einwandfrei, deshalb gehen sie nicht, wie vorgesehen, in den Handel. Sie werden auch nicht günstig verkauft. Michael Sigloch wird sie zerschneiden lassen und als Putzlumpen anbieten. Er will nicht, dass die braunen Oberteile in Umlauf kommen: Sie tragen das Logo und den Namen der umstrittenen Deutschrock-Band Frei.Wild. Michael Sigloch ist überzeugt, dass die Lumpensammler von der unseriösen Konkurrenz nicht so zimperlich wären und sich freiwillig Geld entgehen ließen.

Sigloch zahlt seinen sieben Mitarbeitern einen Mindestlohn von 9,50 Euro. Mindestens einmal pro Woche leeren sie die Container, die mit Adresse und Telefonnummer seiner Firma versehen sind. Dort wird nicht nur die Eins-a-Ware verwertet, alles wird recycelt. Für unbrauchbare Jeans findet sich eine Verwendung in Dachpappe, untragbare Jacken verwandeln sich in Hutablagen und Fußmatten für die Autoindustrie. Für rund 90 Prozent der Altkleider gibt es eine neue Verwendung. „Trotzdem werden wir in einem Atemzug mit Stehle und Klau genannt“, schimpft der Industriekaufmann, der sich fragt, wie lange er die Kleiderschlacht noch mitkämpfen kann.

Fachverband verweist auf Qualitätssigel

Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hat dem Kreis Böblingen inzwischen verboten, einfach die Container der gewerblichen Sammler abzubauen. Deren Interesse, weiterarbeiten zu können, habe Vorrang vor dem Interesse des Kreises, sofort alle gewerblichen Sammlungen zu verbieten. Doch der Streit geht weiter. Vizelandrat Eisenmann ist sicher, dass er im Recht ist, und hat Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt.

Der Fachverband Textilrecycling hat ein Qualitätssiegel entwickelt, das die Mitgliedsunternehmen auf ihre Container kleben können. Der Verbraucher soll sofort erkennen: diese Sammlung ist seriös. In seinen ebenfalls neu formulierten Leitlinien verpflichten sich die Firmen, ausschließlich genehmigte Behälter aufzustellen und Kommunen zu informieren, sobald ein illegaler Container gesichtet wurde. „Wir kämpfen mit allen legalen Mitteln“, sagt Sigloch.

Dieser Kampf kann immer noch wahnwitzigere Züge annehmen. Als vor Kurzem ein Supermarkt auf seinem Parkplatz Stellflächen für Container ausgeschrieben hat, gab auch Sigloch ein Angebot ab: 840 Euro pro Platz und Jahr war er bereit zu zahlen. Den Zuschlag bekam jedoch ein anderer. „Wir steigern uns zu Tode“, prophezeit der Kaufmann aus Schwäbisch Hall. In normalen Zeiten seien 100 Euro Miete pro Platz und Jahr normal.

Doch die Zeiten sind nicht mehr normal.